Protocol of the Session on December 11, 2002

Es sind sicher in der großen Mehrzahl die älteren Frauen, Frauen, die nach dem Krieg dieses Land mit aufgebaut haben, ihre Kinder großgezogen haben, Frauen, deren Leistungen Sie in den Sonntagsreden Ihrer CDU-Veranstaltungen vor Ort loben. Diesen Frauen wird die soziale Grundsicherung zugute kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Genau diesen Menschen wollen wir einen angemessenen Lebensabend verschaffen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Haußmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Haas?

Nein, Herr Kollege.

(Lebhafte Unruhe – Abg. Pfister FDP/DVP: Frau Haußmann, das ist der Herr Präsident und nicht der „Herr Kollege“!)

Nein, Herr Präsident, ich gestatte es nicht.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Jetzt ist es in Ordnung!)

Ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen werden damit eine materielle Existenzgrundlage haben, die Möglichkeit, einen würdigen Lebensabend zu verbringen.

Ich sage es noch einmal für alle die, die es vergessen haben: Die Grundlage des Erstattungsbetrages des Bundes in Höhe von 409 Millionen € ist eine Schätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung

(Abg. Alfred Haas CDU: Die haben sich schon immer verschätzt!)

auf der Basis der Sozialhilfestatistik und anderer Sonderauswertungen und Erhebungen, wonach sich diese Mehrausgaben zwischen 470,6 und 790,5 Millionen DM bewegen. Also liegen wir mit diesen 409 Millionen € an der oberen Grenze der Schätzung. Das, was Sie hier heute abgeliefert haben, geschah wider besseres Wissen. Der Erstattungsbetrag – ich sage es noch einmal ganz deutlich – liegt am oberen Rand der Schätzung.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Das kann doch niemand wissen! Woher nehmen Sie die Schätzung? Das kann niemand wissen!)

Genau. Also machen Sie hier eine Gespensterdebatte auf. Warten Sie die Realitäten vor Ort ab. Wir liegen mit dem

Schätzungsbetrag am oberen Ende. Viele Landkreise haben keinen einzigen Euro für diese soziale Grundsicherung in den Haushalt eingestellt –

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Jawohl, so ist es!)

Ludwigsburg, Esslingen,

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Reutlingen!)

Reutlingen –, weil sie wissen, dass die Mittel, die sie für diese Grundsicherung brauchen, komplett vom Bund übernommen werden.

(Abg. Hoffmann CDU: Ja! – Abg. Seimetz CDU: Der Bund soll es zahlen! – Zuruf von der CDU: Das weiß der SPD-Sozialdezernent, sonst keiner!)

Selbst wenn diese Kosten ab dem Jahr 2003 tatsächlich höher liegen sollten, hat die Bundesregierung dafür Sorge getragen, dass es zu keiner Mehrbelastung für die Kommunen kommt. Es wurde nämlich festgelegt, dass die Höhe des Erstattungsbetrags alle zwei Jahre, erstmals zum 31. Dezember 2004, bei Abweichungen, die mehr als 10 % betragen, entsprechend anzupassen ist.

(Abg. Scheuermann CDU: Aber für die Zukunft!)

Das können Sie nachlesen im Wohngeldgesetz in § 34 Abs. 2 Nr. 2.

Jetzt zu Ihnen, Herr Landrat Schneider. Wo ist er? Sagen Sie es Ihrem Kollegen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Der hat doch gar nicht gesprochen!)

Er hat mich wirklich närrisch gemacht. Das, was er heute hier abgeliefert hat, was wir von ihm heute zur Grundsicherung gehört haben, schlägt dem Fass den Boden aus, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ausgerechnet ein Landrat! Eigentlich hätten wir das auch nicht anders erwartet. Das muss man ja dazusagen. Das war übelste Polemik auf dem Rücken von älteren Menschen und Behinderten. Ich hätte es aber von einem Landrat auch nicht anders erwartet, der es elf Jahre nach dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes noch immer nicht geschafft hat, in seinem Landkreis eine Jugendhilfeplanung zu installieren. Von dem haben wir – das muss man wirklich sagen – nichts anderes erwartet.

(Abg. Zimmermann CDU: Er hat die höchste Zu- stimmung im Volk!)

Baden-Württemberg hat diesem Gesetz im Bundesrat zugestimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Baden-Württemberg hat nicht zugestimmt! Dann haben Sie falsche Informa- tionen, Frau Haußmann!)

Dann haben Sie falsche Informationen, Herr Kollege Haas.

(Unruhe)

Das wird der Herr Minister richtig stellen. Wir haben die Information: Baden-Württemberg hat zugestimmt.

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Alfred Haas CDU: Sie lügen! – Abg. Rückert CDU: Sie sind polemisch! – Unruhe)

Ich habe das schwarz auf weiß.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Hören Sie auf mit dieser üblen Polemik und mit diesen üblen Lügen auf dem Rücken von älteren Menschen und Behinderten!

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Sie lügen!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Um das erste Streitthema hier aufzuklären: Baden-Württemberg hat im Bundesrat zunächst nicht zugestimmt. Das ist richtig.

(Zuruf von der SPD: Zunächst!)

Weil aber klar war, dass dieses Gesetz mit der Kanzlermehrheit kommen würde, hat das Land Baden-Württemberg hilfsweise dem Antrag Bayerns zugestimmt, der im Verfahren und in der Umsetzung des Grundsicherungssystems noch verschiedene Änderungen,

(Abg. Alfred Haas CDU: So war es!)

die übrigens die Kommunen bei uns so haben wollten, vorgenommen hat.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Aha! – Abg. Gö- schel SPD: Also doch zugestimmt!)

Ich hoffe, dass man jetzt Bescheid weiß.

Das Zweite: Die merkwürdige Situation ist: Wir haben eine fast einstimmige Zustimmung – jedenfalls war es in den Ausschüssen so – zu diesem Gesetz gehabt, und ich prophezeie, dass wir sie wohl auch hier haben werden.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Das ist ja nur ein Ausführungsge- setz!)

Merkwürdigerweise wird hier jetzt heftig darüber gestritten. Ich kann Ihnen erklären, warum. Das ist jetzt eine liberale Ansicht zu diesem Gesetz.

(Abg. Teßmer SPD: Oje!)

Das hat jetzt gar nichts mit Koalition zu tun. Wir beschließen als Koalition dieses Landes Ausführungsgesetze, weil wir bundestreu sind und das Bundesgesetz natürlich nachvollziehen werden.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: So ist es!)

Die liberale Sicht ist: Wir kämpfen als Sozialpolitiker der Liberalen seit Jahrzehnten für eine Grundsicherung, die durch eine Harmonisierung von Steuer- und Transfersystemen auf Bundesebene geschaffen werden soll.

(Beifall bei der FDP/DVP)