Was wir heute brauchen, ist eine konstruktive Grundhaltung, die Probleme gemeinsam, das heißt über die Parteigrenzen hinweg, mit allen gesellschaftlichen Gruppen anzugehen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Scheuermann CDU: Wenn ihr nicht mehr weiter wisst, dann kommt der große Ruf nach Gemeinsamkeit!)
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung, die Aktuelle Debatte, erledigt.
Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Ausführung des Grundsicherungsgesetzes und zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes – Drucksache 13/1436
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs zur Ausführung des Grundsicherungsgesetzes und zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes möchte ich nicht wiederholen, was bereits in der ersten Lesung gesagt wurde. Unser Minister hat damals erläutert, wie die Voraussetzungen aussehen, wer anspruchsberechtigt ist und wer Träger der Grundsicherung ist.
Ich möchte einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Mein erster Punkt heißt: Verletzung der Solidarität. Ich zitiere aus einem Entschließungsantrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dort heißt es – dies trifft ganz genau das, was wir meinen –:
Der Sozialstaat in Deutschland baut auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion muss dieses Prinzip – neben den notwendigen Elementen des sozialen Ausgleichs – im Grundsatz erhalten bleiben.
Mit der Einführung einer leistungs- und beitragsfreien Grundrente zulasten der Kommunen durchbricht die Bundesregierung diesen Grundsatz. Die gesellschaftspolitische Weichenstellung hin zu einer leistungsabhängigen Grundsicherung ist kontraproduktiv gegenüber der notwendigen Eigenvorsorge und dem „aktivierenden“ Sozialstaat.
Der Verzicht auf den Rückgriff der Sozialhilfeträger auf die Unterhaltsverpflichteten bei Hilfsbedürftigen über 65 Jahren oder bei dauerhaft Erwerbsunfähigen bedeutet faktisch, dass jemand, der nicht gearbeitet hat, im Alter genauso viel erhält wie derjenige, der langjährig in die Rentenversicherung eingezahlt hat.... Es gilt dann das Prinzip: Wer vorsorgt, wird versorgt, wer nicht vorsorgt, wird auch versorgt.
Aber dieses Gesetz – dies möchte ich mit drei Stichworten sagen – ist eindeutig eine Schwächung der Mehrgeneratio
nensolidarität, ist ein Verstoß gegen das Leistungsprinzip und ein Verstoß gegen die Beitragsgerechtigkeit.
Ich möchte zweitens einige Sätze zu Kosten und Bürokratie sagen. Die Kollegen Kübler und Schneider haben ja schon vieles dazu gesagt.
Wenn das Land 31,9 Millionen € erhält, dann brauchen wir, nachdem 29 Kreise jetzt eine erste Aufstellung gemacht haben, dort 65 Millionen €, und wenn wir es auf 35 Kreise hochrechnen, wären dies 78 oder 80 Millionen €. Wir kennen diese Zahlen noch nicht genau;
da stimme ich Ihnen zu. Aber was wir wissen, ist, dass die Personalkosten, die in diesem Bereich entstehen – ich weiß das aus meinem Bereich: im Kreis Tuttlingen mussten drei Personen, im Schwarzwald-Baar-Kreis sieben Personen zusätzlich eingestellt werden –, nicht ersetzt werden.
Es wurde gesagt – dies habe ich bei Ihnen, Frau Haußmann, nachgelesen –, dass dann nach zwei Jahren abgerechnet werden kann und die Kosten gegebenenfalls neu angesetzt werden. Sie werden aber nicht rückwirkend ersetzt.
Bei einer Anhörung aller Kreise Baden-Württembergs, an der Kämmerer und Sozialdezernenten teilgenommen haben, wurde uns gesagt – und dies macht mich natürlich nachdenklich –, dass beispielsweise im Schwarzwald-Baar-Kreis durch die Rentenversicherungsträger 34 000 Rentner angeschrieben wurden, im Kreis Tuttlingen 12 000 Rentner. Dies sind meine Bereiche. Wenn Sie aus den Landkreisen wissen, dass nur etwa 10 % antragsberechtigt sind, dann wissen Sie auch, dass dies einen riesengroßen Frust und einen riesengroßen Ärger bei den Menschen verursacht, den wir dann in den Kommunen verspüren. Warum verursacht dies Ärger? Weil natürlich den Rentnern nicht gesagt wurde, dass eigenes Einkommen und Vermögen der Leistungsberechtigten dann reduzierend berücksichtigt werden,
dass Einkommen und Vermögen des Ehegatten oder des eheähnlichen Lebenspartners sich leistungsmindernd auswirken. Ich sage Ihnen noch etwas: Es verletzt die Solidarität zwischen den Kindern und den Eltern, denn es wird sicher die Situation eintreten, dass die Kinder die Eltern drängen und ihnen sagen: „Vererbe uns die Sachen und beantrage Grundsicherung.“
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Da müssen mindestens zehn Jahre dazwischen liegen! – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Das sind Sachen, die an den Haaren herbeigezogen sind! Das wundert mich bei Ih- nen, Herr Schuhmacher!)
Die Kollegen Kübler und Schneider haben über den kommunalen Bereich, der Finanzminister hat über den finanziellen Bereich gesprochen. Nun darf ich noch einige Sätze aus Sicht der Wirtschaft sagen.
Wenn Sie meinen, dass diese Gesetze eine Aufbruchstimmung in der Wirtschaft erzeugen, dann muss ich Ihnen sagen: Sie werden die Aufbruchstimmung erzeugen, dass unsere mittelständischen Betriebe sich in anderen Ländern ansiedeln werden. Dies ist meine ganz große Sorge.
Sie wissen auch, dass die Kreise zum Teil die Kreisumlage um bis zu 5 % erhöhen müssen. Was bedeutet dies? Dies hat natürlich eine Rückwirkung auf die Gemeinden und auf die Betriebe zur Folge. Auch dies belastet uns alle.
Wie soll das weitere Vorgehen aussehen? Wir werden die Situation beobachten. Wenn nach einem halben Jahr belastbare Zahlen vorliegen, sind wir bereit, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen entweder zur Abschaffung dieses Grundsicherungsgesetzes oder zur Erhöhung der Ausgleichszahlungen.
Ich fasse mit ein paar Sätzen zusammen. Diese neue Sozialleistung passt nicht in die heutige Zeit. Sie ist eine Abkehr vom Leistungsprinzip hin zu mehr Gleichmacherei. Es geht nicht um mehr Gerechtigkeit, sondern um eine Veränderung der Gesellschaft. Dies macht mir Sorge. Wenn die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Grundsicherung bejaht und die Grundsicherung eindeutig befürwortet, wäre diese auch eine Sache des Bundes und nicht der Kommunen.
Wir stimmen diesem Gesetz mit großem Bedenken zu, aber nicht weil wir überzeugt sind, sondern weil wir unseren Kommunen Rechtssicherheit und das Beste geben wollen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der CDU, was ich heute hier von Ihnen gehört habe, ist wirklich unter aller Kanone, reinste Polemik, zum Teil Lügen. Da stehen einem wirklich die Haare zu Berge.
(Lebhafter Widerspruch bei der CDU – Abg. Sei- metz CDU: Das ist ja furchtbar! Eine Unver- schämtheit!)
Eines will ich an den Anfang stellen, falls Sie es verdrängt haben: Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat
Was ist der Fakt? Viele ältere Menschen – ich verweise auf meine Ausführungen bei der ersten Lesung – scheuten bisher aus Furcht vor Unterhaltsforderungen der Sozialämter an ihre Angehörigen den Gang zum Sozialamt. Es gibt deshalb bei älteren Menschen nach wie vor eine Dunkelziffer von verschämter Armut, Altersarmut, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es sind sicher in der großen Mehrzahl die älteren Frauen, Frauen, die nach dem Krieg dieses Land mit aufgebaut haben, ihre Kinder großgezogen haben, Frauen, deren Leistungen Sie in den Sonntagsreden Ihrer CDU-Veranstaltungen vor Ort loben. Diesen Frauen wird die soziale Grundsicherung zugute kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Genau diesen Menschen wollen wir einen angemessenen Lebensabend verschaffen.