Protocol of the Session on November 14, 2002

(Abg. Wieser CDU: Das hat doch Herr Kuhn ge- sagt!)

Ja, die Grünen haben gesagt: Wenn man den Rentenversicherungsbeitrag nicht erhöht, muss man die Rentenerhöhung verschieben. Das haben die Grünen gesagt. Sie haben von Ihnen Prügel bekommen, von der FDP Prügel bekommen, von allen Prügel bekommen. Wir waren anderer Auffassung und haben uns in diesem Fall durchgesetzt. Aber ich stelle einfach einmal fest: Die CDU will die Renten im nächsten Jahr nicht erhöhen, sonst müssten Sie den Versicherungsbeitrag auf 19,5 % erhöhen. Genau so ist es.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wieser CDU: Das ist doch eine kühne Behauptung! Sie sind doch der Rentenbetrüger! – Abg. Seimetz CDU: Eure Renten- lügen sind hinlänglich bekannt!)

Zum Schluss: Herr Ministerpräsident, wir haben in diesem Haus schon darüber diskutiert, dass wir Strukturveränderungen auch im Aufbau dieses Landes brauchen. Da haben wir keine Enquetekommission beantragt, sondern wir haben den Antrag gestellt, eine solche Kommission gleich am Anfang der Legislaturperiode einzusetzen. Die FDP/DVP hat da aus Koalitionstreue nicht mitmachen können. Sie haben es

abgelehnt. Wir sagen noch einmal: Wenn Sie an Beamte herangehen, müssen Sie die Aufgaben verändern. Dann müssen Sie Strukturen in diesem Land verändern.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das hat doch Wowereit ausgelöst!)

Nur dann sind wir bereit, im Grunde genommen Stellen zu streichen. Machen Sie da doch einmal mit. Dann machen wir ein Reformprojekt, die Aufgaben anders zu verteilen und in Baden-Württemberg weniger Aufgaben vom Staat wahrnehmen zu lassen.

(Abg. Wieser CDU: Hoi, ganz neue Töne!)

Dann kann man auch Stellen streichen. Sie haben aber bisher eine solche Kommission abgelehnt. Sie haben unsere Anträge abgelehnt. Jetzt warten wir einmal ab, ob Sie in dieser Frage letztendlich einen Vorschlag machen werden. Wir bieten an, in einer solchen Kommission mitzuarbeiten. Die FDP/DVP nickt uns innerlich ja schon laufend zu, wenn wir solche Anträge stellen.

Ich nehme einfach zur Kenntnis – ich kann das ja nur zur Kenntnis nehmen –: Sie wollen keine höhere Neuverschuldung in diesem Land. Sie wollen keine Schließung von Steuerschlupflöchern auf Bundesebene, wovon das Land partizipieren würde. Ich gehe davon aus, dass Sie diese Milliarde dann einsparen werden. Jetzt warten wir mal auf Ihre – Sie sind an der Regierung, nicht wir – Einsparvorschläge in der Größenordnung von einer Milliarde.

(Ministerpräsident Teufel macht die Scheibenwi- scher-Handbewegung. – Ministerpräsident Teufel: Das ist ja alles wirr! – Lebhafte Zurufe von der SPD, u. a.: Warum rügt der Präsident das nicht?)

Ja, natürlich! Das ist in Ihrer Rede zum Ausdruck gekommen. Jetzt warten wir auf die Einsparvorschläge, und dann werden wir uns dazu äußern.

(Abg. Hauk CDU: Sie sollen argumentieren und nicht interpretieren!)

Diese Nummer, sich hier hinzustellen, keine eigenen Vorschläge zu machen und nachher zu sagen: „Jetzt soll doch mal die Opposition etwas machen“, machen wir nicht mit. Wir werden konstruktiv mitarbeiten und werden uns nicht so aufführen wie die CDU in Berlin und wie Sie heute morgen an diesem Rednerpult.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ebenfalls nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abg. Kretschmann das Wort.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Wo bleibt Ihre Rüge für den Ministerpräsidenten? – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die finanzielle Situation, Herr Ministerpräsident, ist schlecht, aber sie ist nicht so schlecht, dass wir uns keine Zeitung mehr kaufen könnten und Sie uns hier

eine Viertelstunde lang aus der Zeitung vorlesen müssten. So schlimm ist es Gott sei Dank noch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es ist auch in keiner Weise die schlimmste Situation, die wir nach dem Krieg hatten. Wir hatten nach dem Krieg schon Situationen mit einem Minuswachstum von über 4 %. Man muss die Situation also auch nicht schlechter darstellen, als sie ist.

Ich fasse Ihre Rede zusammen:

Erstens: Sie haben uns eine Viertelstunde lang aus der Zeitung vorgelesen.

Zweitens haben Sie noch einmal Vergangenheitsbewältigung betrieben,

(Abg. Alfred Haas CDU: Die Wahllügen aufge- zählt!)

auch eine Viertelstunde, und dabei Vorwürfe erhoben, die teilweise wirklich völlig abstrus waren. Was den demographischen Faktor betrifft, nun ausgerechnet unsere Reden anzusprechen, das ist ja wirklich daneben. Oswald Metzger hat das alle sechs Wochen angemahnt.

(Abg. Wieser CDU: Herr Metzger ist abgewählt worden! Das ist die Wahrheit! – Abg. Pfister FDP/ DVP: Warum haben Sie es dann nicht gemacht? – Weitere Zurufe)

Da sind wir, glaube ich, die falsche Adresse.

Es nützt auch nichts, hier nur mit Halbwahrheiten zu operieren. Sie wissen, dass die Senkung der Körperschaftsteuer in dieser Situation richtig und notwendig war und dass die Tatsache, dass das Körperschaftsteueraufkommen so eingebrochen ist, dem alten System der thesaurierten Gewinne geschuldet ist. Sie haben auch nicht erwähnt, dass natürlich auf der anderen Seite die Kapitalertragsteuer um ein Drittel gestiegen ist, weil jetzt die Ausschüttungen besteuert werden. Also, da muss man, glaube ich, schon bei der Wahrheit bleiben.

Sie sind auch nicht darauf eingegangen, dass die Senkung der Körperschaftsteuer in dem Umfang, in dem wir sie nicht senken wollten – wobei man nämlich auf breiter Front gar nichts mehr zahlt –, die wirtschaftlichen Impulse, die Sie sich von einer Steuersenkung immer versprechen, gar nicht erbracht hat.

(Abg. Alfred Haas CDU: 10 %! Das ist doch keine breite Front!)

Es geht, finde ich, auch nicht, einfach wegzuwischen, dass Sie in Ihrer Regierungszeit alle Steuern, die es gibt, erhöht haben. Wir haben eine Steuerreform beschlossen, bei der der Spitzensteuersatz und der Eingangssteuersatz gesenkt werden, und wir haben beschlossen, dass die Gewerbesteuer bei Personengesellschaften zur Hälfte bei der Einkommensteuer angerechnet werden kann. Das ist also eine ganz erhebliche Entlastung des Mittelstandes, die einen Umfang von 19 Milliarden € haben wird. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir hier nicht die richtigen Signale setzen

würden. Diese Steuerreform ist beschlossen worden. Sie wird zwar um ein Jahr verschoben, aber durchgeführt.

Das, was Sie uns zum Bundesbankgewinn erzählt haben, ist ein Märchen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Jeder weiß, dass die Bundesbankgewinne eingesetzt wurden, um Schulden zu tilgen, und wenn man sie anders verwendet hätte, hätte man keine Schulden tilgen können. Ihre Vorschläge hätten also eine zusätzliche Verschuldung bedeutet, und daher sollten Sie hier keine Nebelkerzen werfen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Über den Verkauf der Goldreserven kann man mit uns selbstverständlich reden, aber man sollte so etwas nicht öffentlich ankündigen, weil sonst der Goldpreis sinkt.

(Heiterkeit bei den Grünen und der SPD)

Das wäre, glaube ich, handwerklich nicht die richtige Vorgehensweise, das vorher groß anzukündigen. Das machen wir dann schon etwas anders.

Ich möchte zum Schluss Folgendes feststellen: Ich finde, Sie haben unser Angebot bisher nicht angenommen. Wir haben gesagt, wir beteiligen uns im Land an einer konstruktiven Haushaltskonsolidierung, und wir erwarten von Ihnen, dass Sie das im Bund auch machen. Jedenfalls weiß jeder: Bei den Steuereinbrüchen, die wir haben, und da man nach den Brüsseler Stabilitätskriterien die Verschuldung reduzieren muss, bleibt gar nichts anderes übrig, als den Haushalt zu konsolidieren. Dazu kann man die Einnahmeseite verbessern, dazu muss man Ausgaben streichen. Das alles wird gemacht. Wir fordern Sie auf, sich konkret daran zu beteiligen.

Es ist völlig sinnlos, über irgendwelche Visionen zu reden, wenn man nicht zugleich bereit ist, jetzt Vorschläge zu machen, wie dieser ganz konkrete Haushalt konsolidiert wird. Jedenfalls kann man mit Visionen keine Haushaltslöcher stopfen, sondern nur mit Deckungsvorschlägen. Solche machen Sie nicht, und solange Sie in solch einer schwierigen Situation keine konkreten Deckungsvorschläge machen, ist es nicht glaubwürdig, nur auf übermorgen zu verweisen. Wir müssen das jetzt machen, und dazu müssen Sie sich erst einmal bereit erklären.

Denn eines werden wir nicht mitmachen. Wir machen hier Einschnitte, wir muten vielen Gruppen der Bevölkerung einiges zu, das müssen wir machen – und Sie sind für die Visionen zuständig und stehlen sich aus der konkreten Verantwortung. Das wird es nicht geben. Das werden wir nicht durchgehen lassen. Ich prophezeie Ihnen: Wenn Sie den Abbau der Steuersubventionen ablehnen – das haben Sie gerade bei Ihrer Pressekonferenz gemacht, und Sie haben auch auf die Frage, was Ihre Vorschläge sind, gesagt: Wir machen keine, wir haben das im Wahlkampf alles gesagt, und wir haben es nicht nötig, jetzt etwas Konkretes zu sagen –, werden Sie den Landeshaushalt nicht konsolidieren können.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Das sage ich Ihnen klipp und klar. Andere Länder, die vor verfassungswidrigen Haushalten stehen,

(Abg. Drexler SPD: Hessen!)

werden es schon gar nicht können, und deswegen wird kein Weg daran vorbeigehen, dass es notwendig ist, die Steuersubventionen zu streichen. Daran führt kein Weg vorbei, es sei denn, man geht in eine noch größere Verschuldung, und das werden wir nicht mitmachen.

Darum ist der gemischte Weg, den wir beschreiten, der richtige. Wir bauen Steuersubventionen ab, wir nehmen Streichungen bei den Leistungen vor, wir führen grundlegende Reformen zur Sicherung unserer Sozialsysteme durch, und wir machen eine Steuerreform, die der Wirtschaft wieder Anreize gibt, damit wir vorankommen. Ich glaube, das ist der richtige Weg, zu dem es keine Alternative gibt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)