Protocol of the Session on November 14, 2002

Ich wiederhole noch einmal unsere Aufforderung an Sie: Blockieren Sie die notwendigen Reformen jetzt nicht im Bundesrat. Herr Oettinger, Sie haben selber in einem Zeitungsinterview gesagt: Wir können nur mit konkreten Verbesserungsvorschlägen überzeugen. Dann handeln Sie auch danach, und zwar auch hier im Parlament, und nicht so wie heute, dass keine Vorschläge von Ihnen kommen. Das war ausgesprochen blutleer, aber das ist nach der Aktion gestern vielleicht auch kein Wunder.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich dem Herrn Finanzminister.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist überhaupt keine Frage: Wir befinden uns auf dem absoluten Tiefpunkt der Finanzpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP)

Ein so hohes Maß an Steuerausfällen hat es noch nie gegeben. Ich habe den Eindruck: Das, was die Opposition heute hier vorträgt, sind Ablenkungsmanöver. Sie weisen nicht auf die Ernsthaftigkeit der Situation hin.

Ich will Ihnen gleich einmal kurz erläutern, wie die gegenwärtige Situation entstanden ist.

Es ist richtig: Es hat sich gezeigt, dass die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland langsamer wächst als früher – ich werde darauf eingehen –; das hat sich bereits unter der Regierung Kohl gezeigt. Sie haben aber nichts dagegen getan, sondern Sie haben die Situation ganz im Gegenteil noch verschlimmert. Sie haben die wenigen Reformansätze, die man bis 1998 hatte, wieder rückgängig gemacht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Widerspruch bei der SPD und den Grünen)

Das ist eigentlich der Hauptgrund.

Im Übrigen haben Sie eine Steuerreform gemacht, die dazu geführt hat, dass die Aktiengesellschaften und die GmbHs

(Minister Stratthaus)

in Deutschland per Saldo im letzten Jahr keine und in diesem Jahr fast keine Steuern gezahlt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Stellen Sie sich das einmal vor: Eine von Sozialdemokraten geführte Regierung hat dafür gesorgt, dass die Aktiengesellschaften keine Steuern mehr zahlen – unglaublich!

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der SPD)

Diese Feststellung ist kein „dicker Hund“.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Finanzminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Birzele?

Bitte sehr.

Bitte schön, Herr Abg. Birzele.

Herr Finanzminister, können Sie bitte mitteilen, seit wann die Firma Daimler-Chrysler keine Steuern mehr bezahlt?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Sie fordern mich, was bei Ihnen als Juristen erstaunlich ist, zum Brechen des Steuergeheimnisses auf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Sie haben doch gera- de selbst gesagt, die zahlten keine!)

Im Übrigen ist es doch absoluter Unsinn, einen Einzelfall zu nennen.

(Abg. Birzele SPD: Seit 1991!)

Tatsache ist,

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Birzele: Seit 1991!)

dass das Körperschaftsteueraufkommen in Deutschland im Jahr 2000 noch 41 Milliarden DM betragen hat, während es im ersten Jahr nach der Steuerreform bei minus 800 Millionen DM lag. Daran sind Sie schuld.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hofer FDP/DVP – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben es mit einer finanzpolitischen Katastrophe zu tun. Wer diese verursacht hat, ist ganz klar.

(Zuruf von der SPD: Sie, die CDU! – Glocke des Präsidenten)

Das ist nicht meine Meinung...

Herr Finanzminister – –

... – nein, ich will jetzt einmal weiterreden können –,

(Zurufe von der SPD)

sondern die Meinung der fünf Wirtschaftsweisen. Von diesen fünf Weisen sind bereits drei vom jetzigen Bundeskanzler berufen worden. Es handelt sich also bestimmt nicht um Leute von unserer Seite. Die fünf Weisen haben eindeutig festgestellt, dass die verfehlte Wirtschafts- und Steuerpolitik der Grund dafür ist, dass es uns heute so schlecht geht.

Es hat aber keinen Wert, nur darüber zu reden. Wir müssen uns Gedanken machen, was sich ändern muss. Es ist in der Tat so, wie Herr Oettinger gesagt hat: Wir werden es in Zukunft mit ganz anderen finanzpolitischen Herausforderungen zu tun haben, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Ich will nur noch einmal die Zahlen nennen: Dem Land Baden-Württemberg fehlen im Jahr 2002 gegenüber der Steuerschätzung vom November des letzten Jahres 1 Milliarde € an Steuereinnahmen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Die Behauptung, wir hätten nichts getan, ist einfach falsch. Wir haben nämlich bereits durch eine sehr spezielle Haushaltssperre im Mai dieses Jahres 100 Millionen € eingespart. Das muss einmal festgehalten werden. Wir haben im Vollzug weitere 200 Millionen € eingespart, auch wenn Sie das nicht hören wollen. Damit bleibt aber in der Tat immer noch ein Defizit von 700 Millionen €.

Im nächsten Jahr wird uns eine volle Milliarde Euro an Steuereinnahmen fehlen. Es ist wieder einmal gesagt worden, das sei in Baden-Württemberg so, und darauf hingewiesen worden, wie gut sich die anderen Länder stellten.

Meine Damen und Herren, wir haben – wahrscheinlich zusammen mit Bayern – die ehrlichste Veranschlagungspolitik betrieben. Ich merke das immer wieder. Zum Beispiel haben eine ganze Reihe von SPD-regierten Ländern einfach die Personalausgaben zu niedrig angesetzt. Ich habe heute Morgen schon mit zwei der SPD angehörenden Finanzministern telefoniert. Sie haben mir die Höhe der in ihren Ländern bestehenden Defizite mitgeteilt: Sie sind in jedem Fall um 50 bis 60 % höher als das Defizit in unserem Land – natürlich pro Kopf der Bevölkerung.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie können sich aber auch noch an Ihre Prognosen vom Mai erinnern! Da lagen die Angaben auch nur bei 20 % von dem, was Sie heute sagen! – Zurufe von der SPD: Vor der Wahl!)

Wissen Sie, warum? Ich habe vor der Wahl noch ein Gran Glauben an unsere Bundesregierung gehabt.

(Lachen bei der SPD und den Grünen)

Denn vor der Wahl haben der Bundeskanzler

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Ihr habt geglaubt, dass ihr selber an die Regierung kommt!)

und der Bundesfinanzminister gesagt: Wir werden keine Steuererhöhungen bekommen. Ich war am 21. März mit dem Herrn Bundesfinanzminister zusammen. Damals hat er uns noch eindeutig erklärt, dass der Bund im Jahre 2004 eine Nettoneuverschuldung von Null erreichen will. Auf Nachfragen, die wir immer wieder gestellt haben, hat er gesagt: Es