Protocol of the Session on November 13, 2002

Ich sage zweitens: Wenn der Haushalt des Kultusministeriums angesprochen und wenn gesagt wird: „Wir wollen in einem Bereich eine Novellierung, deren Mehrkosten aus dem Haushalt erbracht werden müssen“, dann freue ich mich auf die Beratungen darüber schon jetzt. Denn der Haushalt des Kultusministeriums umfasst 5,4 Milliarden €.

(Abg. Wintruff SPD: Also!)

Davon sind 4,6 Milliarden € Personalkosten, und das in Zeiten, in denen die Schülerzahlen insgesamt noch steigen. Wenn in absehbarer Zeit die Schülerzahlen zurückgehen, sind Schüler an Schulen in freier Trägerschaft nicht „preiswerter“.

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Das sage ich nur als Vorbemerkung. Denn Sie wissen, dass wir in diesen Tagen die Sparvorschläge einreichen müssen, und Sie wissen, dass der Bundesfinanzminister heute Morgen in Berlin die neuesten Zahlen der Steuerschätzung vorgelegt hat und dass nicht mehr mit 20 Milliarden € Steuerausfall, sondern mit 30 Milliarden € Steuerausfall zu rechnen ist. Vorhin hat jemand im Zusammenhang mit einem anderen Thema – ich glaube, es war Frau Haußmann – gesagt, man solle nicht immer nur herummäkeln über das, was nicht gehe. Das stimmt irgendwie für alle Ebenen. Wir werden ja, glaube ich, heute um 17 Uhr die für Baden-Württemberg heruntergebrochenen Zahlen hören. Diese Zahlen werden – davon kann man jetzt ausgehen – noch einmal andere Zahlen sein als die, die wir hatten, als wir unsere Sparvorschläge einreichen mussten.

Das sage ich ganz nüchtern und leidenschaftslos vorweg, weil hier ein bisschen der Eindruck entsteht, als sei das Kultusministerium im Hinblick auf die Novellierung des Privatschulgesetzes zurückhaltend, nachdem wir auf eine Große Anfrage der Grünen vom Februar geantwortet hatten, dass nach Ansicht der Landesregierung derzeit – das war Stand Februar 2002 – kein Handlungsbedarf bestehe.

Diese Aussage stand und steht in überhaupt keinem Gegensatz zu gemeinsamen Bemühungen im Parlament, sondern hat damit zu tun, dass die Grundlage unserer Arbeit ein Gesetz ist, das nach entsprechenden Gerichtsurteilen damit verbunden ist, dass wir für die Schulen in freier Trägerschaft auf Zuschüsse in Höhe von 80 % kommen sollen. Genau das ist der Richtwert, den das Kultusministerium in den letzten Jahren zunächst einmal angestrebt hat.

Wir haben im August 1999 mit einer Anhebung der Förderung für die beruflichen Schulen um 10,5 % einen guten Schritt tun können. Selbstverständlich – das gilt für jede Runde der Haushaltsberatungen – strebt das Kultusministerium an, für die Schulen in freier Trägerschaft mehr Finanzmittel zu bekommen. Das kann ich Ihnen aus jeder Runde nachweisen. Sie wissen, dass wir in jeder Runde nicht nur über zusätzlichen Bedarf reden dürfen, sondern auch Einsparungen vornehmen müssen. Das gilt – auch wenn in der Presse manchmal ein anderer Eindruck erweckt wird – auch für den Bildungsbereich, der in den letzten Jahren durch eine Reihe struktureller Maßnahmen auch deutlich zum Einsparvolumen beigetragen hat.

Deshalb ist aus der Sicht des Ministeriums natürlich unser erstes Anliegen, dass wir quer durch alle Schulen in freier Trägerschaft – allgemein bildende und berufliche Schulen – überhaupt auf diese 80 % kommen können.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Jetzt sage ich mit der gleichen Leidenschaft, Herr Pfister, wie Sie: Wenn das Parlament eine Chance sieht, darüber hinaus die Grundlagen, die in der gemeinsamen Arbeitsgruppe erarbeitet wurden, umzusetzen, dann können Sie davon ausgehen, dass ich darüber sehr froh bin und das wunderbar finde; denn Baden-Württemberg ist das Land mit den meisten Privatschulen. Nirgends gibt es so viele Waldorfschulen wie in Baden-Württemberg. Hier lassen sich freie Schulen gerne nieder. Wenn wir ihnen in den nächsten Jahren mehr finanziellen Spielraum bieten können, dann ist

das wunderbar. Aber es gehört doch einfach auch zur Ehrlichkeit der Debatte – darüber brauchen wir uns überhaupt nicht zu streiten, und da kann jetzt jeder vor sich hinschmunzeln –, zu erwähnen, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten, wenn es darum geht, wo wir wie schnell zulegen können, in ganz gewissenhafte Güterabwägungen kommen werden.

Man kann davon ausgehen, dass es auch im Kultusministerium eine große Leidenschaft für private Schulen gibt. Ich will nicht alles wiederholen, was dazu gesagt worden ist. Wenn das Klima in Baden-Württemberg für Schulen in freier Trägerschaft nicht so positiv wäre, wie es ist, würden in diesem Land nicht so viele freie Schulen gegründet,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

und wenn das Klima für eine sehr vielfältige pädagogische Landschaft nicht gerade in Baden-Württemberg so positiv wäre, dann würden sich nicht auch eine Reihe von Schulen bei uns ansiedeln, die ganz andere oder auch alternative pädagogische Konzepte haben. Baden-Württemberg ist von der Zahl der Schulgründungen her ein privatschulfreundliches Land.

Die Landesregierung will alles daran setzen, dass das, was wir einmal vereinbart haben – Stichwort 80 % –, auch wirklich in absehbarer Zeit erreicht werden kann, und es gibt eine große Aufgeschlossenheit für den Wunsch des Parlaments, zu möglicherweise neuen Berechnungen zu kommen. Aber ich glaube, es wäre gegenüber dem Parlament nicht in Ordnung gewesen, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Arbeit der Arbeitsgruppe noch lange nicht abgeschlossen ist, als Ministerium bereits von Handlungsbedarf im Blick auf eine Novellierung zu sprechen. Wir hätten damit der Arbeit und dem Willen des Parlaments vorgegriffen, und ich glaube, bei finanzträchtigen Angelegenheiten ist es eine gute Sitte, dass die Häuser zurückhaltend sind und den Wunsch ihres Arbeitsgebers, des Parlaments, abwarten. So tue ich dies mit der gehörigen Demut,

(Heiterkeit der Abg. Kleinmann und Pfister FDP/ DVP)

die einem zusteht, wenn man mehr Geld haben will.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Jetzt haben w i r den schwarzen Peter!)

Lieber Herr Pfister, ich freue mich sehr, wenn das geschafft werden kann, was alle gesagt haben: dass es mehr Geld für die privaten Schulen geben muss. Ich bitte Sie nur herzlich, das Geld nicht bei mir als derjenigen, die es braucht, zu suchen, weil ich es in der Tat nirgends habe.

(Heiterkeit der Abg. Kleinmann und Pfister FDP/ DVP)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Palmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, der ich selbst eine freie Schule besucht habe, drei Bemerkungen zum Verlauf der Debatte.

Erstens: Ich erinnere mich, Herr Pfister, sehr genau, an die Zeit von 1989.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ehrlich?)

Ich war da selbst schon demonstrieren. – Da gab es nicht nur eine Frau Schultz-Hector, eine Staatssekretärin, sondern da gab es auch einen Minister Mayer-Vorfelder.

(Abg. Alfred Haas CDU: Prima! Guter Minister!)

Herr Minister Mayer-Vorfelder hat damals in der FAZ begründet, warum den freien Schulen in Baden-Württemberg kein zusätzliches Geld zukommen solle. Er hat einfach gesagt, er sehe gar nicht ein, warum man diese Brutstätten für Grüne fördern möchte.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Sie sehen, er hatte bis zu einem gewissen Grad Recht.

(Zurufe von der CDU und der FDP/DVP)

Dahinter steckt aber, Kollege Pfister, etwas Ernsthaftes. Denn die Zahl von 78 % Förderung für Gymnasien, die Sie genannt haben – für freie Gymnasien oder für Gymnasialstufen –, und die Zahl von 65 % Förderung für Grundschulen haben einen politischen Hintergrund, den ich damals genau analysieren durfte, nämlich den, dass 1989 beschlossen wurde, zwar im Bereich der Gymnasialstufen deutlich zu erhöhen, nicht aber bei den Grundschulen. Die politische Absicht damals war auch deutlich: Im Bereich der Gymnasialstufen tut man etwas für die Klientel der großen Regierungspartei, nämlich für die kirchlichen Schulen, und die Grundschulen, die bei den kirchlichen Schulen nicht angeboten werden, sind überwiegend Waldorfschulen. Deswegen hat man damals gezielt sondiert. Das, finde ich, sollte man der historischen Wahrheit wegen jetzt auch noch einmal bemerken.

(Abg. Alfred Haas CDU: Ob es stimmt, ist eine an- dere Frage!)

Sie können es überprüfen. Ich glaube, damals waren noch nicht einmal Sie Abgeordneter, Herr Kollege Haas.

Die zweite Bemerkung betrifft die „Leidenschaft für die freien Schulen“, Frau Ministerin. Es gibt natürlich verschiedene Interpretationen, warum es in Baden-Württemberg so viele Waldorfschulen gibt. Ich würde sagen, einer der Gründe ist: Die erste Waldorfschule gab es 1919 in Stuttgart, und von dieser Keimzelle aus haben sie sich ausgebreitet. Man könnte auch sagen – weil Sie es auf die Privatschulfreundlichkeit Ihrer Regierung zurückführen –: Hier in BadenWürttemberg ist das Schulsystem so schlecht, dass man besonders viele freie Schulen gründen muss, um es zu verbessern. Das wäre auch eine Interpretation.

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Pfister FDP/ DVP: PISA lesen! – Abg. Alfred Haas CDU: Was sagen Sie zu PISA? – Abg. Wacker CDU: Da klatscht nicht mal die Opposition!)

Was den Grad an Freiheit angeht, den Sie den Schulen zugestehen, ist Baden-Württemberg jedenfalls kein vorbildliches Land.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Kretschmann GRÜ- NE: Stimmt!)

Und dann muss man ja auch fragen: Wenn diese Leidenschaft jetzt schon 13 Jahre währt – seit 1989 – und gerade für Waldorfschulen noch immer keine wesentlichen Verbesserungen bei ihrer Finanzierung eingetreten sind, dann scheint es eine erkaltete oder nicht sehr wirksame Leidenschaft zu sein. Da dürfen Sie noch etwas leidenschaftlicher werden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Dritte Bemerkung, Frau Ministerin: Es ist natürlich klar: In einer Situation, in der die Finanzen insgesamt eng sind, tut man sich immer leicht, Forderungen abzuwehren. Das haben Sie jetzt auch gekonnt gemacht. Ich gestehe Ihnen ja auch zu, dass wir uns im Moment bei dem, was uns da regelmäßig an Informationen aus Berlin erreicht, mit finanzpolitischen Debatten schwer tun. Das gestehe ich Ihnen zu.

(Zurufe von der CDU: Oi! – Abg. Wacker CDU: Hi- obsbotschaften!)

Aber auf der anderen Seite das Gegenargument: War denn die finanzielle Situation wenigstens bis zum Jahr 1998 – da haben Sie ja regiert und alles richtig gemacht – auch so schlecht, dass man auch in den neun Jahren von 1989 bis 1998 die finanzielle Situation der freien Schulen nicht verbessern konnte?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das müssen Sie die SPD fragen! – Gegenruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Da war das Argument doch wohl nicht richtig, meine Damen und Herren.

Das Entscheidende in diesem Zusammenhang ist doch: Sie sagen: Wir wollen den freien Schulen auch weiterhin zumuten, dass sie unterhalb ihres Existenzminimums arbeiten, dass die Lehrer Gehaltsverzicht leisten, dass die Eltern Eigenarbeit erbringen, dass die Eltern Schulgeld bezahlen und dass die Lehrer wesentlich mehr arbeiten. Das wollen Sie ihnen alles weiter zumuten, obwohl das Verfassungsgericht Ihnen gesagt hat, wenigstens 80 % sollten Sie fairerweise bezahlen.

(Abg. Ursula Lazarus CDU: Nicht wenigstens!)

Jedenfalls 80 % sollten es sein. – Da muss ich Ihnen sagen: Diesen Schulen, diesen engagierten Eltern und diesen engagierten Lehrern diesen Zustand unterhalb des Existenzminimums noch Jahre, möglicherweise noch Jahrzehnte zuzumuten, das sollten Sie sich nicht erlauben.