Wenn wir von uns aus ein bisschen an das Gefühl für soziale Gerechtigkeit bei der SPD appellieren, mag das vielleicht etwas ungewöhnlich sein. Aber warum nicht öfter einmal etwas Neues?
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf den Gesetzentwurf der SPD beschränken. Zunächst will ich allgemein sagen: Sozialwohnungen sind in unserer Gesellschaft, oder insbesondere hier in Baden-Württemberg, ein knappes Gut. Es gibt viele Menschen, die gern eine Sozialmietwohnung hätten,
die aber keine erhalten, weil einfach zu wenige davon vorhanden sind. Auch stellt sich die Situation so dar, dass wesentlich mehr Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung fallen, als neu hinzugebaut werden. Das liegt vor allem an der Wohnungsbaupolitik des Landes, Herr Mack.
Sozialwohnungen sind ein knappes Gut; darauf können wir uns einigen. In einer solchen Situation sollten wir von denjenigen, die in einer solchen Wohnung wohnen, ohne dazu berechtigt zu sein, eine Abgabe verlangen, damit im Blick auf diejenigen, die keine Wohnung haben, ein gewisser Ausgleich entsteht. Aus diesem Grund ist die Fehlbelegungsabgabe schlicht und einfach ein Element der sozialen Gerechtigkeit.
Nun führt die SPD Argumente dagegen an. Die Argumente lauten: Erstens Verwaltungskosten, zweitens Vertreibungs
abgabe, und drittens würden die neuen Möglichkeiten, die das Gesetz zum 1. Januar 2001 geschaffen hat, von den Kommunen nicht genutzt, weil sie nicht praktikabel seien. Ich will auf diese Argumente Punkt für Punkt eingehen.
Zum Ersten zu den Verwaltungskosten. Ohne Zweifel sind die Verwaltungskosten bei der Fehlbelegungsabgabe hoch. Teilweise betragen sie ein Drittel, teilweise vielleicht auch mehr.
Aber diejenigen, die die Verwaltungskosten erbringen müssen, nämlich die Städte, sprechen sich mit überwiegender Mehrheit für die Beibehaltung dieser Abgabe aus. Das heißt, die Städte, die für die Verwaltungskosten aufkommen müssen, sagen: „Wir zahlen das gern, weil wir mehr hereinbekommen, als wir aufwenden müssen; wir brauchen dieses Geld dringend für den Ausbau der sozialen Mietwohnungen“, sprich weil die Landesregierung den sozialen Mietwohnungsbau dermaßen in den Keller gefahren hat, dass die Städte verzweifelt nach Mitteln greifen, um einen Ausbau vornehmen zu können.
Herr Hofer, Sie haben auch die Stellungnahme des Städtetags zitiert. Darin steht: Die überwiegende Anzahl der befragten Städte spricht sich ausdrücklich für die Beibehaltung aus. Genannt werden insbesondere die Städte Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Baden-Baden und Sindelfingen. So weit zum Thema Verwaltungskosten.
Ich meine, Herr Schmiedel, wenn wir von Selbstverwaltung der Kommunen reden und die Kommunen sagen: „Wir wollen diese Abgabe haben“, dann sollten wir ihnen doch die Möglichkeit geben, die Abgabe zu erheben, und nicht von oben sagen: Wir nehmen euch das weg.
Zum zweiten Punkt: „Vertreibungsabgabe“. Wenn man dazu ein Beispiel von Herrn Gaßmann hört, ist man zunächst einmal geneigt, dem Glauben zu schenken. Aber dies ist sehr differenziert zu sehen. Wenn man sich das Ganze näher betrachtet, erkennt man: So einfach ist es nicht.
Erstens – das hat Herr Hofer bereits gesagt –: Es gibt viele andere Gründe, weshalb eine Familie aus einem Quartier wegzieht: Arbeitsplatzwechsel, Zustand der Wohnung, Verkehrsbelastung. Dies und anderes spielt eine Rolle, aber die relativ geringe Fehlbelegungsabgabe in der Regel nicht.
Zweitens: Die Einkommensgrenzen wurden in der Vergangenheit ja angehoben, sodass nur diejenigen die Fehlbelegungsabgabe zahlen müssen, die erheblich über den Einkommensgrenzen liegen. Auch sie wiederum müssen nicht beliebig viel Fehlbelegungsabgabe zahlen. Vielmehr ist die Marktmiete immer die Obergrenze. Das heißt, auch ein Mieter in einer Sozialwohnung mit Fehlbelegungsabgabe wird nie mehr zahlen, als er in einer Wohnung auf dem freien Markt zahlen müsste. Insofern frage ich mich: Was ist da „Vertreibungsabgabe“?
Ein letzter Punkt: Es gibt ohne Zweifel Quartiere, bei denen es wichtig ist, stabile soziale Strukturen zu erhalten, und wo man nicht einfach die ärmsten Bevölkerungsschichten konzentrieren will. Wir haben in Freiburg den Stadtteil Weingarten. Da hat der Gemeinderat der Stadt Freiburg gesagt: „Diesen Stadtteil nehmen wir von der Fehlbelegungsabgabe aus.“ Dieses Instrument ist ja auch nach geltendem Recht möglich. Es soll auch erhalten bleiben. Das heißt, eine Kommune kann sagen, wenn sie ein Quartier als gefährdet ansieht: „Dieses Quartier nehmen wir aus.“ Man kann sogar kleinere Einheiten ausnehmen. Das ist eine Möglichkeit, um das Argument der „Vertreibungsabgabe“ zu entkräften. Das ist einfach Fakt.
Jetzt zu Ihrem dritten Argument. Sie sagen, die neuen Möglichkeiten, die zum 1. Januar 2001 eröffnet wurden, würden nicht genutzt. Liebe Kollegen von der SPD, man hat also ein Gesetz, das Ausnahmeregelungen ermöglicht. Weil nun die Ausnahmeregelungen nicht genutzt werden, wollen Sie einfach das ganze Gesetz abschaffen. Das ist eine schräge Argumentation.
Meine Damen und Herren, ich räume durchaus ein: Wenn die Fehlbelegungsabgabe in einem Jahr möglicherweise sinkt, wenn die Verwaltungskosten möglicherweise steigen, dann können wir neu über dieses Instrument nachdenken. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten wir an der Fehlbelegungsabgabe fest.
(Abg. Schmiedel SPD: Erst grundsätzliche Argu- mente ins Feld führen und dann sagen: Nächstes Jahr gilt das aber alles nicht mehr! Das ist ja lächer- lich!)
(Abg. Schmiedel SPD: Erst über Sozialpolitik reden, über Gerechtigkeit, aber nächstes Jahr gilt es nicht mehr! Das ist ja absurd!)
Herr Schmiedel, ich hatte gesagt: Oberster Grundsatz ist für uns: Die Fehlbelegungsabgabe ist ein Instrument der sozialen Gerechtigkeit.
Das sollten gerade Sie als Sozialdemokrat auch nicht abstreiten. Als zweiten Punkt hatte ich angeführt: Das Argument der Verwaltungskosten ist natürlich abzuwägen. Aber die derzeitigen Akteure auf dem Markt, nämlich vor allem die Städte, sagen: „Wir wollen dieses Instrument behalten.“ Insofern sollten wir als Gesetzgeber sagen: Dann belassen wir es bei der Fehlbelegungsabgabe. Das ist unsere Meinung.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Seit der Ersten Beratung am 17. Juli, verehrter Herr Gaßmann, sind keine neuen Argumente aufgetaucht. Deswegen – wir hatten ja vorhin kurz darüber gesprochen – hätten wir die heutige Debatte nicht zwingend gebraucht. Denn es bleibt dabei, dass uns die Zahlen vorliegen. Seither haben sie sich auch nicht verändert.
Wir hatten im Jahr 1998 bei der Fehlbelegungsabgabe noch ein Aufkommen von insgesamt etwas über 15 Millionen €. Für das Jahr 2002 wird noch ein Aufkommen von etwas über 7 Millionen € erwartet. Das heißt also, es wird eine Halbierung des Gesamtaufkommens geben. Das hatten wir im Juli in etwa auch so vorhergesehen. Außerdem rechnen wir damit, dass der Verwaltungsaufwand von 20 % des Aufkommens im Jahr 1998 auf etwa 40 % ansteigen wird.
Gerade aufgrund dieser Entwicklung sind wir an die Gemeinden herangetreten und haben abgefragt, ob sie für eine Beibehaltung oder für die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe sind. Herr Kollege Gaßmann, es ist nun einmal so, dass diese Befragung ergeben hat, dass noch immer etwas über die Hälfte der Gemeinden für die Beibehaltung der Fehlbelegungsabgabe ist, im Übrigen vor allem die großen Kreisstädte um Stuttgart herum. Wir können sie nicht allein aufgrund der Tatsache, dass Stuttgart sagt – und Stuttgart steht von der Größenordnung her ziemlich allein –: „Wir wollen die Fehlbelegungsabgabe abschaffen“, jetzt auch flächendeckend abschaffen. Damit würden wir das machen, was über die Hälfte der betroffenen Gemeinden nicht will.
Deswegen halten wir an unserem Fahrplan fest, der sachlich völlig in Ordnung und richtig ist. Nachdem es, wie Herr Kollege Hofer gesagt hat, ja erst vor eineinhalb Jahren eine Änderung gegeben hat, werden wir nicht in diesem Jahr sagen: Das ändern wir wieder.
Im Übrigen: Die rot-grüne Bundesregierung hat im vergangenen Jahr die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe abgelehnt,
und zwar auch aus einer Reihe von Gründen, die Ihnen ja bekannt sind, denke ich. Sie sollten also nicht nur hier aufzählen, wer die Fehlbelegungsabgabe abschaffen will, sondern auch daran denken, wer selber in den eigenen Reihen gegen eine Abschaffung gewesen ist.
Deswegen werden wir den Fahrplan beibehalten. Ich habe Ihnen das am 17. Juli gesagt. Die Vertreter der Regierungsfraktionen hatten das genauso gesagt. Wir werden im nächsten Jahr noch einmal eine Erhebung machen. Dann wird man sehen: Kippt das womöglich noch über die 40 % hinaus? Geht das Aufkommen von den jetzt schon nur noch 7 Millionen € noch einmal ein Stück herunter? Dann wird es eine sachgerechte Entscheidung geben.
Wir werden doch nicht an etwas festhalten, was sich dann auf Sicht als nicht sinnvoll erweist, was die Mehrheit der