Dies zeigt sich auch daran, dass von der CDU/CSU dahin gehend Druck auf Innenminister Schönbohm ausgeübt wurde,
obwohl die acht Punkte, die Brandenburg eingebracht hat, befriedigend gelöst worden sind. Damit kam es zu dem für das Ansehen des Bundesrats schädlichen turbulenten Sitzungsverlauf am 22. März 2002.
Ich habe Verständnis dafür, dass zur Frage der Bewertung der Abstimmung unterschiedliche Rechtsauffassungen geäußert worden sind. Ich habe aber kein Verständnis dafür und auch meine Fraktion hat kein Verständnis dafür, dass der Vorgang dazu benutzt wurde, in gespielter Empörung, die absprachemäßig inszeniert wurde, den Sitzungsverlauf zu stören.
Meine Damen und Herren, es gibt dazu interessante Vorgänge aus der Geschichte. Wir feiern in diesem Jahr 50 Jahre Baden-Württemberg.
Deshalb will ich Ihnen einmal aus dem Protokoll der 4. Sitzung der Landesversammlung vom 25. April 1952 etwas zur Kenntnis bringen, was viele von Ihnen vielleicht gar nicht gewusst oder bereits wieder vergessen haben:
Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten und nach seiner Feststellung, dass die bisherigen Länder zu einem Bundesland vereinigt sind, fuhr der gewählte Ministerpräsident Dr. Reinhold Maier fort ich zitiere; wer es nachlesen will: es steht auf Seite 20 des Protokolls :
(Abg. Hillebrand CDU: Das hat mit dem Thema überhaupt nichts zu tun! Weitere Zurufe von der CDU Gegenrufe von der SPD Anhaltende Un- ruhe Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir protestieren gegen diese ungültige Regierungsernennung, wir protestieren dagegen, dass bei uns eine Regierung funktionieren soll, deren Funktionsvoraussetzungen in staatsrechtlicher Hinsicht nicht gegeben sind.
Wir rufen zum Schutze der Demokratie in unserem Bundesgebiete im Rahmen der Bundesländer nach Artikel 28 des Bonner Grundgesetzes die Bundesregierung auf! Wir verlangen darüber hinaus, dass die Regierungen in Baden und Württemberg-Hohenzollern sich als rechtlich fortbestehend erklären.
Also, meine Damen und Herren am Schluss ist die CDUFraktion noch ausgezogen , in der Gründungssitzung des Landes Baden-Württemberg gab es schwerste verfassungsrechtliche Vorwürfe, die Forderung an die Bundesregierung, Bundeszwang auszuüben, und heute feiern wir das 50-jährige Bestehen des Landes Baden-Württemberg.
Deshalb sollten Sie auch bei der vorliegenden Frage die Chance nutzen, wieder zu einer nüchternen Betrachtung zurückzukommen.
Wie sieht es denn aus? Um es deutlich zu sagen: Meines Erachtens hat der Bundesratspräsident zu Recht die von Ministerpräsident Stolpe abgegebenen vier Stimmen für Brandenburg gewertet. Das geht auch daraus hervor, dass Artikel 51 des Grundgesetzes auf Stimmen abstellt und nicht auf Mitglieder. Es gilt nicht das sonstige parlamentarische Prinzip one man, one vote. Es gilt nicht die Unabhängigkeit bei der Stimmabgabe.
Auch der Gutachter der CDU/CSU, Professor Josef Isensee, hat in seinem Gutachten ausdrücklich festgestellt, dass der Ministerpräsident ich zitiere den Kabinettsmitgliedern, die dem Bundesrat als Mitglieder oder Vertreter angehören, Instruktionen erteilen kann. Instruktionen erteilen kann!
Isensee hat dann Ausführungen darüber gemacht, ob, wenn sich die Minister nicht an die Instruktionen halten, dies zur Unrechtmäßigkeit der Stimmabgabe führe oder die Stimmabgabe trotzdem als rechtmäßig anzusehen sei. Aber ich stelle fest: Es wird abgestellt auf die Stimmen, die gemeinsam abzugeben sind.
Es muss auch klar sein, dass bei einem Abstimmungsvorgang, bei dem Unklarheiten entstehen, diese Unklarheiten geklärt werden können. Wir verfahren im Landtag genauso. Ich erinnere daran, dass gelegentlich Abstimmungen von den Betreffenden korrigiert wurden, die die Übersicht etwas verloren hatten.
Warum will nun die Landesregierung bzw. speziell gesagt Ministerpräsident Teufel unbedingt gegen dieses Gesetz vorgehen? Sicher nicht, weil er der Auffassung ist, er könne kein Gesetz, das aus seiner Sicht verfassungswidrig sei, hinnehmen. Denn sonst hätte er ja zum Beispiel auch gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz klagen müssen, das er und sein Innenminister Schäuble voll für verfassungswidrig gehalten haben. Ich erinnere daran, was in einer der letzten Sitzungen dazu gesagt worden ist.
Aus der Zulässigkeit, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein Gebot herleiten, diese gegenüber der Ehe zu benachteiligen.
Die Auseinandersetzung über die Wertung der Stimmabgabe Brandenburgs ist eine Diskussion, die man führen kann und bei der es unterschiedliche rechtliche Auffassungen gibt. Aber wieso der Ministerpräsident jetzt hier in BadenWürttemberg von der Richtlinienkompetenz Gebrauch macht, die der gleiche Ministerpräsident dem brandenburgischen Ministerpräsidenten abspricht, ist nicht nachvollziehbar.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Heike Dederer GRÜNE Abg. Drexler SPD: Jawohl! Das ist es! So ist es!)
Dabei gibt es einen bemerkenswerten Unterschied in den Landesverfassungen. In Brandenburg gibt es keine ausdrückliche Vorschrift, wann die Regierung entscheiden muss. Wir aber haben in der Landesverfassung in Artikel 49 Abs. 2 folgende Bestimmung:
Die Regierung beschließt insbesondere über Gesetzesvorlagen, über die Stimmabgabe des Landes im Bundesrat, über Angelegenheiten, in denen ein Gesetz dies vorschreibt, über Meinungsverschiedenheiten, die den Geschäftskreis mehrerer Ministerien berühren, und über Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung.
Es kann doch überhaupt kein Zweifel darüber bestehen und das wird ja auch heute seitens der FDP/DVP noch einmal deutlich gemacht , dass im Kabinett Meinungsverschiedenheiten bestanden.
Der Justizminister ist zuständig für das Grundgesetz. Der Justizminister ist gleichzeitig Ausländerbeauftragter der Regierung. Also bestehen doch Meinungsverschiedenheiten, und es kann doch auch niemand bestreiten, dass die Erhebung einer Klage von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Infolgedessen wird hier Artikel 49 Abs. 2 verletzt. Nicht in Brandenburg; denn Brandenburg hat eine solche Bestimmung nicht.
(Abg. Drexler SPD: Nur in Baden-Württemberg! Abg. Wieser CDU: Können Sie alle Verfassungen vorlesen? Vereinzelt Beifall)
Herr Abg. Wieser, ich habe Ihren Zwischenruf leider akustisch nicht verstanden. Aber da ich Ihre Zwischenrufe kenne, bedauere ich nachträglich noch einmal, dass ich Sie in einer früheren Plenarsitzung mit dem Komparativ von weise angesprochen hatte.