Entweder es gelingt uns, diese Vision des europäischen Bundesstaats in diesem Verfassungsprozess ein ganzes Stück weit durchzusetzen, oder es gewinnen die Kräfte in Europa, die in nationalstaatliche Vorstellungen mit rassistischen Untertönen zurückfallen, die Oberhand. Es gibt keine schrecklichere Vorstellung, als in dieser Welt der Unsicherheit, in der wir derzeit leben mit fundamentalistischen Gefahren, mit Bedrohungen, mit einer großen Zahl an Kriegen und Bürgerkriegen , in die Kleinstaaterei in Europa, in den Nationalstaat, in die Unfähigkeit, auf die Geschicke der Welt Einfluss zu nehmen, in das dumpfe Brüten in diesen Vorstellungen zurückzufallen.
Deswegen lautet die erste Frage nicht, lieber Kollege Oettinger: Was geben wir alles nicht an Europa ab? Zuerst gilt es vielmehr, unseren Menschen zu zeigen, was wir mit diesem europäischen Bundesstaat alles erreichen wollen. Sie haben ein paar Punkte genannt, die ich auch so sehe. Das gilt für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.
Ich will das noch ein bisschen deutlicher sagen. Ich glaube, dass wir Streitkräfte der Europäischen Union haben sollten und dass der Nordatlantische Pakt in Zukunft ein gleichberechtigtes Bündnis zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten sein soll. Ich sage das in dieser Deutlichkeit.
Der Gedanke, dass wir eine Europäische Grenzpolizei haben sollten das ist übrigens im Zuge der Osterweiterung besonders wichtig , ist ein Gedanke, den die Sozialdemokratische Partei auf Vorschlag von Bundeskanzler Schröder auf ihrem letzten Bundesparteitag beschlossen hat. Ich freue mich, dass Sie sich diesem Gedanken anschließen.
Wir brauchen aber noch einiges mehr. Lieber Kollege Oettinger, Sie haben in einer merkwürdigen Weise in der Frage der Kompetenzen über Markt und Nichtmarkt geredet. Das Interessante ist: Sie haben offensichtlich wenn ich das richtig verstanden habe etwas dagegen, wenn der Bundeskanzler versucht, Errungenschaften des so genannten Rheinischen Kapitalismus in der Industriepolitik zu verteidigen und sogar als Idee auf ganz Europa auszudehnen. Ich habe das Problem nicht. Ich will Ihnen sagen: Sie müssen das dann aber schon stringent durchhalten. In der Tat war Europa bisher sehr stark von der Idee der Wettbewerbsfreiheit getragen. Und in der Tat hat man im Namen der Wettbewerbsfreiheit und dieser Zuständigkeiten viele Dinge gemacht, mit denen wir auch Probleme haben und nicht einverstanden sind. Nur: Sie können natürlich nicht hergehen und sagen, dass wir da, wo es uns nicht passt beim Notarwesen; damit habe ich kein Problem; bei der kommunalen Selbstverwaltung; ganz klar, wir sind glühende Anhänger der kommunalen Selbstverwaltung , nicht so viel Einfluss haben wollen, dass es aber da, wo die Politik der Europäischen Kommission unseren marktliberalen Vorstellungen eher entspricht, schon wieder recht ist.
Wir sortieren das etwas anders; das will ich Ihnen ausdrücklich sagen. Wenn Europa im Erleben der Menschen nur als ein Raum der so genannten Wettbewerbsfreiheit, einer Wettbewerbsfreiheit zulasten sozialer Schutzrechte oder zulasten der Umwelt, stecken bleiben würde, dann werden wir eben keine Begeisterung für Europa erzeugen können. Ich habe auch nicht eine Vision von Europa, bei der ein Standortwettbewerb per Steuerdumping zwischen den Nationalstaaten veranstaltet wird mit dem Ergebnis, dass in diesem Wettbewerb die soziale Sicherheit und die öffentliche Infrastruktur schlechter werden. Deswegen sage ich ganz deutlich: Zu einem sich entwickelnden europäischen Bundesstaat gehören auch gleiche Standards bei den sozialen Schutzrechten für die Menschen, gleiche Standards für die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen. Dazu gehört auch eine Harmonisierung des Steuersystems. Das muss zum Wettbewerb hinzutreten.
Die Ängste, was die Osterweiterung angeht, bei vielen Menschen in unserer Bevölkerung kommen ja Gott sei Dank nicht von rassistischen Ressentiments gegenüber diesen Staaten und den dort lebenden Menschen, sondern sie resultieren aus der Angst, im Namen des freien Wettbe
werbs mit billigen Arbeitskräften und mit einem ruinösen Wettbewerb der Selbstausbeutung, den wir ja auf manchen Baustellen in Stuttgart und Karlsruhe schon derzeit studieren können, überflutet zu werden.
Deswegen, lieber Kollege Oettinger, ist es nicht gut, gegen das Tariftreuegesetz zu polemisieren. Es wäre gut, dafür einzutreten, dass ein Tariftreuegesetz insgesamt für Europa gilt.
Im Übrigen wollen wir nicht verschweigen es wird ja immer alles auf Brüssel geschoben : Bei der Frage der Wettbewerbsstellung des öffentlichen Bankensektors ist es ja nicht so, dass die bösen Europäer sozusagen von sich aus angefangen hätten. Die Wahrheit ist vielmehr, dass sich die private Konkurrenz dieses öffentlichen Bankensektors in Deutschland sozusagen hinter den Wettbewerbskommissar steckt und dort ihre Petitionen einbringt. Das, was Sie als Problem beklagen, ist oft ein Ergebnis von Interventionen aus Deutschland in Brüssel, und zwar von Leuten, die Ihnen gelegentlich etwas nahe stehen, lieber Kollege Oettinger.
Bei alldem ist in der Tat die Frage entscheidend, wie wir uns auch wir als Landtag und als föderaler Bundesstaat, der wir in der Bundesrepublik Deutschland sind in diesen Verfassungsprozess einbringen. Ich habe mit Interesse das Statement des verehrten Herrn Ministerpräsidenten vor dem Konvent gelesen. Sie haben es ja für nötig gehalten, diese Philippika gegen die FFH-Richtlinie noch einmal zu betonen. Ich habe nicht umsonst gerade gesagt, dass ich es für wichtig halte, auch ökologische und die Natur bewahrende Standards in Europa gleichförmig einzuziehen. Ich will Ihnen schon sagen: Nicht die FFH-Richtlinie war das Trauerspiel, sondern die Art und Weise, wie die Landesregierung von Baden-Württemberg diese Richtlinie umgesetzt hat. Das war das Trauerspiel.
Und wenn wir schon bei den Trauerspielen sind: Ich sehe das so und wir haben das verschiedentlich ausgedrückt , dass der europäische Verfassungsprozess eine große Chance bietet, in Deutschland den Föderalismus wieder zu stärken und manches zurückzuholen, was verloren gegangen ist, auch an klaren Kompetenzabgrenzungen. Aber, Herr Kollege Pfister, ich lese in der Zeitung etwas über das Schicksal der von Ihnen ursprünglich begehrten Enquetekommission, die das ja betreiben sollte. Ich höre, die sei so gut wie tot, weil Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner darüber nicht einigen können. Dabei gewinne ich gewisse Vorstellungen über die Frage, wie das mit der Stärkung des Föderalismus in Ihren eigenen Reihen im Moment funktioniert. Also: Sich immer zuerst um die eigenen Trauerspiele kümmern, bevor man das in Brüssel ablädt.
Die Chance sehe ich darin, dass es, wenn es jetzt darum geht, die Kompetenzen zwischen den Nationalstaaten und der Europäischen Union neu zu regeln, natürlich Sinn
macht, auch in Deutschland wieder die Frage zu regeln: Wie ist das Verhältnis der Zuständigkeiten des Bundes zu den Zuständigkeiten der Länder? Ich bin überzeugter Föderalist. Ich gebe dabei das ist gar kein Parteienproblem einer Sorge Ausdruck: Im Deutschen Bundestag könnte natürlich über alle Parteifarben hinweg die große Versuchung entstehen, sich all das, was man an Zuständigkeiten an Europa abgeben muss, an anderer Stelle, nämlich bei den Ländern und bei der kommunalen Selbstverwaltung, wieder zu holen. Dabei muss man sehr aufpassen. Das ist eine geradezu naturwüchsige Tendenz. Wenn wir nicht sehr aufpassen, kann die auch Raum greifen.
Ich glaube, dass wir einen umgekehrten Prozess brauchen. Ich bin der festen Überzeugung der Kollege Teufel hat das vor einigen Jahren auch schon so formuliert; ich weiß nicht, ob er das heute noch so sieht , dass der Nationalstaat für die großen Dinge zu klein und für die kleinen Dinge zu groß ist. Wenn das aber wahr ist, dann geht es eben nicht darum, eifersüchtig Sorge zu haben, ob vielleicht zu viele Landeskompetenzen an Europa verloren gehen. Unser eigentliches Problem sind Kompetenzen, die an den Nationalstaat abgegeben worden sind, dieser Irrsinn von Mischzuständigkeiten und Mischfinanzierungen, der eingerissen ist, mit dem Ergebnis, dass alle für alles zuständig sind und niemand für irgendetwas noch verantwortlich ist. Die entscheidende Frage ist, wie wir diesen Prozess auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland verändern können.
Deswegen bin ich entschieden dafür, diesen Prozess der Verfassungsgebung in Europa mit einem Prozess der Reorganisation innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu begleiten, mit einem Abbau von Mischkompetenzen, mit einem Abbau von Mischzuständigkeiten, mit klaren Verantwortlichkeiten, auch mit Finanzautonomien. Die Aushöhlung der kommunalen Finanzautonomie auch in dieser berühmten 16 Jahre dauernden Ära, die Sie zu verantworten haben ist eines der wesentlichen Probleme, mit denen wir uns heute herumzuschlagen haben.
Was diesen europäischen Verfassungsprozess angeht, finde ich es schön, dass zwei Persönlichkeiten aus Baden-Württemberg diesem Konvent angehören und dass darin durch den Sozialdemokraten Jürgen Meyer, der die Grundrechtscharta der Europäischen Union maßgeblich mit zu verantworten hat, auch von Visionen getragener juristischer Sachverstand beheimatet ist. Wir haben ja nicht umsonst angeregt ich finde es auch gut, dass das zustande kommt , eine Anhörung des Landtags mindestens mit den badenwürttembergischen Mitgliedern dieses Konvents durchzuführen; ich glaube, es wird gelingen, für diese Anhörung auch einige andere Mitglieder zu gewinnen. Dies ist eine Möglichkeit, auf diesen Prozess Einfluss zu nehmen.
Wie gesagt, ich habe mit Aufmerksamkeit gelesen, was der Kollege Teufel auf der Sitzung des Konvents gesagt hat. FFH-Richtlinie hatten wir schon. Er verfolgt und diesen Eindruck hatte ich jetzt auch wieder bei Ihnen die Idee, man könne die Kompetenzen in riesigen Katalogen voneinander abgrenzen. Das mag bei Koalitionsverträgen zur Bildung einer großen Koalition ansatzweise gelingen ir
gendwie erinnere ich mich noch daran ; aber bei dem Punkt, über den wir gerade reden, finde ich das schwierig. Ich glaube, dass wir sehen müssen, dass eine Verfassung immer auch einen dynamischen Prozess durchmacht. Die entscheidende Frage ist, wie man diesen dynamischen Prozess so begleitet und gestaltet, dass es nicht zu negativen Entwicklungen kommt.
Der Kollege Meyer, über den ich gerade schon geredet habe dazu interessiert mich auch die Meinung des Ministerpräsidenten , hat deswegen einen anderen und, wie ich finde, richtigeren Ansatz, nämlich nicht den Versuch zu machen, mit Hunderten von Spiegelstrichen Kompetenzen abzugrenzen, sondern eher einen großen Rahmen vorzugeben ich habe kein Problem mit dem Grundgedanken der Subsidiarität, damit das klar ist und dann in einem gemeinsamen Kompetenzausschuss des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente bei uns unter Einschluss der Bundesländer in einem dynamischen Prozess anfallende Streitigkeiten jeweils zu klären. Das wäre ein Weg aus dem Prozess heraus. Ich glaube, dass er erfolgreicher ist und eher gegangen werden kann als der Versuch, das mit Hunderten von Spiegelstrichen von vornherein in den Griff zu kriegen.
Über einen solchen Kompetenzausschuss besteht übrigens auch eine Chance, die Länderparlamente maßgeblich in diesen Aufbauprozess eines europäischen Bundesstaats mit einzubringen. Es mag sein, dass dieser Kompetenzausschuss am Anfang oft tagen muss. Das wird dann besser werden. Aber, lieber Kollege Oettinger, das ist mir lieber, als auch noch eine eigene was Sie ja auch wollen Kammer beim Europäischen Gerichtshof aufzuziehen. Wir haben einen Europäischen Gerichtshof. Verräterisch ist natürlich diese nörgelnde Sorge und Abneigung, zu sagen: Jetzt müssen da aber Extrarichter her; mit denen, die wir bisher haben, sind wir nicht zufrieden das ist ja die Botschaft ; jetzt suchen wir uns nur noch Richter unter der Fragestellung aus: Möglichst wenig für Europa, möglichst viel bei den Nationalstaaten behalten. Das ist ein Grundgedanke des Misstrauens, mit dem Sie an diesen Prozess herangehen, der das Ganze so belastet, wie ich finde die gesamte Grundtendenz solcher Debattenbeiträge diesen europäischen Einigungsprozess eher belastet.
Ich bin für einen dynamischen Ansatz, für einen offenen Ansatz, und der geht über diesen Ausschuss der Parlamente, der dann diese Streitigkeiten regelt. Natürlich muss der so gewichtet sein, dass es im Ergebnis keine Beherrschung der einen über die andere Seite geben kann.
Wenn wir es so angehen, besteht das will ich zum Schluss sagen die große Chance das ist ja typisch europäisch, dass man eine verfassunggebende Versammlung nicht Verfassunggebende Versammlung nennen darf, sondern dass man sie Konvent nennen muss; geschenkt! , dass wir gerade unter der Präsidentschaft von Giscard dEstaing keinem Sozialdemokraten, aber einem überzeugten Europäer am Ende eine europäische Verfassung haben werden, einen großen Schritt tun in Richtung europäischer Bundesstaat. Er wird natürlich getragen werden müssen von einer besonderen Partnerschaft der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik.
Deswegen habe ich eine dringende Bitte an die Landesregierung, an uns alle, gerade weil das so ist und ich sage das gerade hier in Karlsruhe : Wir müssen auch die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, die einmal, wenn man sich an den De-Gaulle-Besuch in Ludwigsburg erinnert, von riesiger Begeisterung und von tiefer Emotion unserer Bevölkerung getragen war, neu beleben. Wir brauchen gerade hier in Baden-Württemberg, gerade in der Rheinschiene viel mehr gemeinsame Projekte zwischen Deutschland und Frankreich, als wir derzeit haben, viel mehr konkrete Projekte, an denen sich die Herzen und die Begeisterung der Menschen festmachen.
Wenn sich dieses gemeinsame Denken und diese gemeinsamen Werte, die gerade in Deutschland und Frankreich in ihrer Geschichte gewachsen sind und ganz Europa ergriffen haben, durchsetzen, wenn sich die Idee von einer Emanzipation Europas in dieser Welt durchsetzt, wenn wir unseren Menschen zeigen können, dass wir ihre Sicherheit mit Europa garantieren das ist der Schlüsselbegriff der kommenden Jahre , dann aber nicht nur mit gemeinsamer Grenzpolizei, sondern mit besserem Zusammenwirken der Justiz, mit besserer Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften, mit mehr Europol, als wir heute haben, wenn wir also den Menschen zeigen können: Europa ist eine Idee, für die wir uns begeistern und für die wir sie begeistern, Europa ist etwas, was in einer gefährlichen Welt Sicherheit gibt, und Europa ist eine Wertegemeinschaft und von da aus dann auf unsere Zuständigkeiten achten, dann sind wir auf einem guten Weg.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Kretschmann kennt mich seit dem Jahr 1980, als wir damals als fast jüngste Abgeordnete in den Landtag eingezogen sind. Deshalb wird mir jeder nachsehen, dass es für mich nun wirklich keine Pflichtübung, sondern fast eine Herzenssache ist, dem Kollegen Kretschmann sehr herzlich zu seiner Wahl zum Vorsitzenden der Grünen-Fraktion zu gratulieren.
Kollege Maurer hat in seiner Rede zu Recht darauf hingewiesen, dass am Anfang der europäischen Idee und am Anfang europäischer Reformpolitik selbstverständlich die Notwendigkeit besteht, die Menschen in diesem Europa zu begeistern, diese Idee Europa in den Vordergrund zu stellen, eine emotionale Bindung an dieses Europa an die Menschen heranzubringen, das heißt, ein Europa der Bürger in den Vordergrund zu stellen, und natürlich auch den Menschen in Europa zu sagen, dass sie eigentlich Nutznießer dieses Europas sind.
Meine Damen und Herren, zu einem großen Teil ist dies auch gelungen. Wann immer ich mich mit jungen Menschen über dieses Europa unterhalte, pflege ich darauf hinzuweisen und das hat etwas mit Herzensbindung zu tun,
hat etwas mit emotionaler Bindung zu tun , dass sich dieses Europa allein schon deshalb gelohnt hat, weil zum Beispiel meiner Generation und Jüngeren in den letzten Jahren erspart worden ist, das zu tun, was mein Vater, was mein Großvater, was Ihre Väter und Großväter alle 10 oder 20 oder 30 Jahre tun mussten, nämlich in den Krieg zu ziehen. Wenn Europa nichts anderes erreicht hätte, als dies zu verhindern, allein dann hätte sich dieses Europa schon gelohnt, meine Damen und Herren.
Aber es ist natürlich kein Widerspruch, auf der einen Seite diese emotionale Bindung an Europa zu fördern und zu betonen und auf der anderen Seite darauf hinzuweisen, dass dieses Europa, wenn es fortentwickelt werden muss, dringend in einen Reformprozess einmünden muss. Giscard dEstaing hat in seiner, wie ich finde, bemerkenswerten Rede vor zehn Tagen hier in Stuttgart
zu Recht darauf hingewiesen, vor welchem Hintergrund dieser Konvent geschaffen worden ist, welche Aufgaben er hat, und er hat meines Erachtens auch die Finger in die europapolitische Wunde gelegt. Denn er weist als ersten Punkt darauf hin, dass die bekannten Entscheidungsverfahren der Europäischen Union, die einmal für sechs Staaten konzipiert worden sind, bereits gestern, aber erst recht heute längst an ihre Grenzen gestoßen sind und nicht mehr funktionieren, dass diese Entscheidungsverfahren überhaupt nicht mehr zufriedenstellend sein können, dass sie im Grunde nicht mehr effizient sind, dass sie der Öffentlichkeit nicht mehr vermittelt werden können und, meine Damen und Herren, dass sie im Grunde nicht mehr demokratisch sind
Jetzt kommt noch aktuell hinzu, dass wir eine Europäische Union haben, die vor der größten Erweiterung in ihrer Geschichte steht. In der Geschichte der Europäischen Union sind nie mehr als drei neue Mitglieder gleichzeitig in die Union aufgenommen worden. Jetzt haben wir die Situation, dass bis zum Jahr 2004 sicherlich zehn oder gar zwölf Mitgliedsstaaten neu in die Union aufgenommen werden. Allein dieses Datum zeigt doch überdeutlich, dass wir dringend eine Reform, einen großen Reformschritt brauchen, um dieses Europa voranzubringen.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist die Berufung des Europäischen Konvents die logische Konsequenz aus der Einsicht, dass der Prozess der Vertiefung und der Erweiterung der Europäischen Union spätestens jetzt eine umfassende Reform braucht. Zu dieser umfassenden Reform gehört erstens eine Änderung der Strukturen, gehört zweitens eine Änderung des Verfahrens und gehört natürlich auch, und zwar an entscheidender Stelle, eine neue Kompetenzordnung, eine neue Kompetenzzuordnung, die in der Tat
nur dann wirksam sein kann, wenn sie letzten Endes in einen Katalog einmündet. Sonst wird sie ein zahnloser Tiger bleiben.