Protocol of the Session on April 18, 2002

Wenn das Statistische Landesamt allein für die Region Stuttgart in den nächsten zehn Jahren einen Bevölkerungszuwachs von 110 000 Menschen durch Zuzug erwartet,

(Abg. Mack CDU: Habe ich ja gesagt!)

dann bedeutet das, dass allein dafür 65 000 neue Wohnungen notwendig sind. Die 20 %, die unstrittig sind, auch in dem Gutachten, die dann im sozialen Wohnungsbau gefördert werden müssten, bedeuten doch schon wieder, dass wir zwischen 12 000 und 13 000 Sozialwohnungen allein in der Region Stuttgart brauchen.

(Abg. Hauk CDU: Die Zahlen sind schon längst hinfällig, wenn Sie Ihr neues Einwanderungsgesetz haben!)

Herr Kollege Witzel, Ihrer Analyse stimme ich zu, aber Ihre Antwort ist leider völlig unzureichend. Die Antwort auf dem Niveau von 2 900 Wohnungen, die jetzt im Wohnungsbauprogramm gefördert werden,

(Abg. Kübler CDU: Wie wollen Sie es denn ma- chen? Jetzt sagen Sie das doch mal!)

machen wir eine Umschichtung, weniger Eigentumsförderung und dafür etwas mehr Mietwohnungsbau ist völlig unzureichend. Die reicht hinten und vorne nicht.

(Abg. Kübler CDU: Wie? Jetzt sagen Sie mal, wie Sie das machen wollen! Abg. Dr. Witzel GRÜ- NE: Wo wollen Sie das Geld hernehmen?)

Wir haben einen Vorschlag gemacht.

(Abg. Kübler CDU: Wo?)

Der ist mindestens genauso vernünftig wie zu sagen, die Landeskreditbank baut uns in einem Sonderprogramm Straßen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das ist unvernünftig! Abg. Drexler SPD: Das haben frühere Regierun- gen auch schon gemacht!)

Denn diese Finanzierung geht natürlich zulasten künftiger Ausschüttungen der Landeskreditbank. Deshalb haben wir gesagt: Lasst uns Forderungen, die wir für die nächsten Jahre zu erwarten haben, jetzt mobilisieren, um ein mittel

fristig notwendiges Niveau anzustreben, um Schaden vom Land Baden-Württemberg abzuwenden.

(Beifall bei der SPD)

Denn Schaden nimmt die Bauwirtschaft, Schaden nehmen die Beschäftigten, und Schaden nehmen vor allem die Familien, die darauf angewiesen sind, solche Wohnungen zur Verfügung gestellt zu bekommen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hauk?

Herr Kollege Schmiedel, wie begründen Sie den 60-prozentigen Einbruch im Wohnungsbau insgesamt in den letzten drei Jahren, und halten Sie es in einer sozialen Marktwirtschaft nicht für notwendig, neben der reinen Subventionspolitik auch marktwirtschaftliche Anreize im Bereich der Steuerpolitik zu schaffen, um den Mietwohnungsbau wieder anzukurbeln?

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie mir zugehört haben, dann haben Sie

(Abg. Kübler CDU: Nichts gehört!)

meinen Ausführungen entnehmen können, dass ich nicht den Anspruch erhebe, die notwendigen Neubauten in der Größenordnung von 50 000 in Baden-Württemberg, die unstrittig sind, im Wege des sozialen Wohnungsbaus zu erstellen, sondern ich habe gesagt: was sich im langfristigen Mittel als notwendig erwiesen hat, nämlich 20 %. Dann ist natürlich völlig klar, dass 40 % im frei finanzierten Wohnungsbau entstehen müssen. Dabei kann man über verschiedene Rahmenbedingungen reden, von mir aus auch über steuerliche.

(Abg. Kübler CDU: 80 %!)

80 %. Ich habe mich versprochen. Entschuldigung.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Das ist sehr hilfreich gewe- sen!)

Ganz wichtige Rahmenbedingungen, worüber wir auch einmal reden müssen, sind zum Beispiel auch die Zurverfügungstellung von Bauland und die Entwicklung von Baulandpreisen.

(Abg. Hauk CDU: Das wäre ein Thema für die Re- gion Stuttgart!)

Aber das Thema des heutigen Tages heißt: Zukunft des sozialen Mietwohnungsbaus in Baden-Württemberg. Da soll man nicht laufend ablenken. Übrigens ist es eine kuriose Geschichte, die Sie da mit Riester-Rente und Wohneigentum erfunden haben. Mittlerweile hat doch der Dümmste kapiert, hätte ich beinahe gesagt,

(Abg. Drexler SPD: Das würde ich nicht sagen!)

dass Riester-Rente und Wohneigentum eigentlich nicht zusammenzubringen sind, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Die Riester-Rente wird aus unversteuertem Einkommen einbezahlt, also muss dann der Erlös später versteuert werden. Das ist die Steuersystematik. Jetzt stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Jemand hat seine Eigentumswohnung oder sein Häuschen im Laufe der Jahre abbezahlt und geht in Rente. Dann kommt das Finanzamt und sagt:

(Abg. Drexler SPD: Dann müsste er es versteu- ern!)

„Aber jetzt, mein lieber Freund, zahlst du auf dein abbezahltes Eigentum noch einmal Steuern.“ Das und andere Rahmenbedingungen führen dazu, dass zum Beispiel alle Bausparkassen in Baden-Württemberg und alle Fachverbände gesagt haben:

(Abg. Drexler SPD: Alle sind dagegen!)

Lasst die Finger weg, macht keine krampfhaften Versuche; es passt nicht, man muss nicht zusammenbringen, was nicht zusammenpasst; lasst uns über andere Möglichkeiten der Förderung nachdenken.

(Beifall des Abg. Dr. Caroli SPD Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Jetzt verkehren Sie doch die Argu- mentation nicht!)

Da stimmen wir völlig überein. Zum Beispiel muss die Eigenheimzulage erhalten bleiben; denn das unterscheidet uns auch von anderen Ländern

(Abg. Hauk CDU: Sie haben sie doch schon ge- senkt und wollen sie noch einmal senken!)

wir haben ein ungeheures Interesse an neuen Wohnungen. Wir brauchen neue Wohnungen. Andere haben ein großes Interesse am Bestand und müssen mit dem Bestand anders umgehen. Aber wir müssen unseren Beitrag leisten. Das Land Baden-Württemberg leistet den notwendigen Beitrag nicht. Deshalb trifft Herrn Döring und die gesamte Regierung eine große Mitschuld an einer fatalen Entwicklung im Wohnungsbau in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD Abg. Drexler SPD: Saubere Rede!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

(Abg. Drexler SPD: Herr Hofer schließt sich an, dann kann sofort der Minister reden! Abg. Küb- ler CDU: Leute, ihr müsst stärkere Leute bringen! Abg. Drexler SPD: Den vom Staatsministerium dort drüben könnt ihr einmotten! Also wirklich! Den würde nicht einmal der Oberbürgermeister als Referenten nehmen! Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat Herr Abg. Hofer!

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten heute Mittag in der Fraktion unser regelmäßiges Gespräch mit dem Mieterbund. Bei diesem Gespräch haben wir festgestellt, dass wir in der

Diagnose in vielen Punkten sehr eng beieinander sind, dass wir aber in der Therapie etwas weiter gehen. Die Trennung, die Sie, Herr Schmiedel, gemacht haben wir reden nur über das eine Thema, nämlich über den sozialen Wohnungsbau, und über das andere Thema wollen wir nicht reden , geht nicht. Deshalb werde ich auch auf beide Themen eingehen.

Zunächst einmal: Bei der Diagnose sind wir uns ziemlich einig. Wir haben zwar einen allgemein ausgeglichenen Wohnungsmarkt, auch wenn man das über das ganze Land nimmt, und einen ausgeglichenen Mietwohnungsmarkt, aber wir haben Engpässe, ja Gefährdungen in Teilmärkten, in den Großstädten, in den Ballungsräumen, in den Universitätsstädten und auch in den Verdichtungsräumen. In zunehmendem Maße fehlt es in diesen Räumen an größeren, halbwegs bezahlbaren Wohnungen für Familien.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: So ist es!)

Es fehlt in den Universitätsstädten an Einzimmerwohnungen für Studenten. Ich bin in Konstanz zweimal mit meinen Kindern losgezogen und habe eine Mietwohnung gesucht. Wer das einmal gemacht hat, stellt sich nicht mehr hin und sagt, alles sei in Butter.

Es kommt nicht von ungefähr, dass der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart gegenwärtig eine Aktion durchführt, bei der er alle vorhandenen Baugrundstücke der Stadt Stuttgart an Investoren zu vermitteln versucht, damit hier ein Anschub gemacht wird. Das kommt nicht von ungefähr. Denn die Hunderte von Bewerbungen und Anmeldungen, die auf einer Liste stehen, gelten nicht nur für Stuttgart. Das gilt auch für viele andere Bereiche bei uns in Baden-Württemberg. Das, was da heranwächst, ist nicht nur ein soziales Problem, sondern das ist auch ich sage das als wirtschaftspolitischer Sprecher meiner Fraktion ein wirtschaftliches Standortproblem. Denn wenn man Fachkräfte gewinnen will das ist gerade in diesen Verdichtungsräumen immer wichtiger , dann muss man Wohnungen anbieten können. Man kann nicht Mobilität der Bevölkerung verlangen und dann immer nur sagen: „Ihr müsst euch jedes Mal eine Eigentumswohnung anschaffen oder ein Eigenheim bauen.“ Auch das setzt Tätigwerden voraus.

Deshalb muss die Wohnungsbauförderung mehr differenzieren. Das tut sie auch. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir das bei der letzten Haushaltsberatung gemacht haben. Sie muss nach regionalen Gebietseingrenzungen differenzieren, und sie muss lokal differenzieren. Sie muss auch den individuellen Förderungsbedarf zielgerichteter ausloten und wirklich fragen: Wo sind diejenigen, die nicht am freien Immobilienmarkt teilnehmen können, weil sie es einfach nicht schaffen? Denen muss zielgerichtet geholfen werden. Das haben selbst unsere Julis erkannt. Sie fordern: Macht das Möglinger Modell und Ähnliches. Da müssen wir ran, und wir dürfen nicht denen einen Zuschuss geben, die das gar nicht nötig haben. Wir müssen an diejenigen herangehen, die das wirklich brauchen.