Protocol of the Session on April 17, 2002

Dann brauche ich nicht hier vorne zu stehen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Initiative der CDU-Fraktion des letzten Jahres Einigkeit hervorgerufen hat. Unklar ist mir allerdings und vielleicht wird uns das heute noch erklärt , warum sich ausgerechnet die SPD bei der Abstimmung über den Antrag im Ausschuss der Stimme enthalten hat. Wir sind uns in der Sache einig, und darüber freue ich mich.

(Abg. Bebber SPD: Der Meinungswandel ist bei Ihnen vor sich gegangen!)

Ich möchte hier nicht in eine rechtspolitische Diskussion eintreten. Es handelt sich um ein gravierendes sozialpolitisches Problem.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Wir haben Beratungs- und Hilfsangebote für schwangere Frauen, die allerdings nicht alle Frauen erreichen. In diesem Fall geht es um Frauen in extremer Not. Eine Frau, die während der gesamten Schwangerschaft nicht zu ihrem Kind stehen kann, befindet sich unter einem enormen körperlichen und seelischen Druck. Das ist zwangsläufig eine verzweifelte Situation. Was sind das denn für Frauen, die wir mit unseren Hilfsangeboten nicht erreichen? Nach den Erfahrungen in Hamburg sind das zunächst einmal drogenabhängige und substituierende Mütter, die sich zum Teil in der Illegalität des Drogenkonsums bewegen. Sie sind in der Regel extrem isoliert. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Frauen, die unter extremer Gewalt in ihren Familien leiden. Diese Frauen haben berechtigte Angst, sich an offizielle und professionelle Hilfsangebote zu wenden, und bleiben mit ihrer Not völlig allein. Die dritte Gruppe sind die Migrantinnen, die aufgrund ihrer kulturellen Herkunft und mangelnder Sprachkenntnisse sich selbst überlassen sind. Außerdem betrifft es die hier mehrfach angesprochene wohl größte Gruppe, die Gruppe der sehr jungen, minderjährigen Frauen. Diese haben enorme Ängste, sich ihren Eltern anzuvertrauen, und versuchen, die Schwangerschaft zu verdrängen.

Das alles sind verzweifelte Frauen, denen in ihrer Not geholfen werden muss. Ich kann die Diskussion darüber, inwieweit eine solche Schwangerschaft in Not zu missbräuchlicher Anwendung rechtlicher Möglichkeiten führen kann, überhaupt nicht nachvollziehen.

Wir wollen, dass diesen Frauen geholfen wird. Sie brauchen nicht nur medizinische Hilfe. Wir wollen auch, dass die Kinder, die in einer verzweifelten Situation geboren werden, eine Chance zum Leben bekommen.

Wir haben schon mehrfach gehört, dass das Angebot von Babyklappen keine Lösung sein kann. Es hilft auch nicht der Gesundheit von Mutter und Kind. Eine Geburt ist, so natürlich sie auch ist, mit einem enormen vitalen Risiko für Mutter und Kind behaftet, und eine Babyklappe nimmt den Frauen und Kindern dieses Risiko nicht.

Wir wollen auch, dass den Frauen weiterführende Hilfe gewährt wird.

Der CDU geht es um Lebensschutz. Der Kollege Hoffmann hat dies schon gesagt. Das beinhaltet zum einen, dass die geltende Rechtslage geändert wird, zum anderen aber auch und das ist wichtig , dass im Rahmen dieser Rechtslage die Möglichkeit eröffnet wird, den Frauen, die in extremer Not sind ich habe die Gruppen aufgeführt , ein Angebot zu machen.

Man ist sich einig, aber man muss feststellen, dass die Bundesregierung, die zunächst einmal für eine rechtliche Regelung zuständig ist, untätig war. Trotz Anträgen der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hat sie bisher noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Sie ist zuerst gefordert. Dem ist sie bisher nicht nachgekommen. Wir unterstützen die Ansätze der Bundestagsfraktion der CDU/CSU, eine Lösung noch in dieser Legislaturperiode zu finden. Diese Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion findet ja offensichtlich das haben wir schon mehrfach gehört breite Zustimmung.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Zur freien Rede gibt es keinen Ersatz!)

Meine Damen und Herren, anonyme Geburten müssen möglich gemacht werden darüber sind wir uns einig , hoffentlich auch mit Zustimmung der SPD. Die jeweiligen Rahmenbedingungen müssen auf den zuständigen politischen Ebenen geschaffen werden. Die CDU-Fraktion befürwortet dies.

Rechtliche Rahmenbedingungen einerseits und was mir besonders wichtig ist auch konkrete Hilfs- und Beratungsangebote vor Ort andererseits, also eine aktive Sozialpolitik, gehören dazu, ebenso Informations- und Beratungsangebote, damit diese Frauen, die wir durch eine anonyme Geburt erreichen können, auch weiterhin betreut werden können. Diese Hilfe benötigen sie dringend. Das ist unsere politische Aufgabe.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Berroth, ich wollte mit den von mir genannten Bedenken einfach nur darlegen, dass es sich hierbei um eine schwierige Rechtsgüterabwägung handelt. Es sind schließlich sehr angesehene Organisationen wie zum Beispiel „terre des hommes“, die diese Bedenken vorbringen. Ich lese Ihnen einmal die Überschriften eines entsprechenden Papiers von „terre des hommes“ vor:

Erstens: Anonymität widerspricht dem Recht auf Kenntnis der Abstammung.

Zweitens: Anonymität rettet kein Leben.

Drittens: Die anonyme Geburt entmündigt die Mutter.

Viertens: Anonymität begünstigt Missbrauch.

Fünftens: Die bestehenden Alternativen bekannt machen und verbessern.

Ich teile nicht alle diese Einwände. Aber in einer solchen Debatte ist es doch wichtig, nach außen hin klar zu machen, dass es dagegen schwere Bedenken gibt. Wir haben uns diese Bedenken hier nicht alle zu Eigen gemacht, aber wir haben sie aufgenommen und nehmen sie ernst. Mehr habe ich gar nicht gemacht. Trotzdem sagen wir letztlich in einer Rechtsgüterabwägung auch wenn sie in diesem Fall sehr schwierig ist , dass wir diese Bedenken aus übergeordneten Gesichtspunkten zurückstellen und uns für das grundlegende Recht auf Leben entscheiden und deswegen der anonymen Geburt zustimmen. Allein dies wollte ich sagen.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Herr Kretschmann, danke für die Klarstellung. Mich hatte das Wort Missbrauch schon gewaltig gestört. Sie haben jetzt aber deutlich gemacht, was Sie gemeint haben.

Herr Kollege Bebber hat klargelegt, dass einiges von dem, was Sie, Herr Kretschmann, als Bedenken vorgetragen haben, ja in dem, was in Berlin vorgesehen ist, berücksichtigt ist. Aber, Herr Bebber, ich habe mich dabei schon gewundert. Mein Deutschlehrer hätte unter Ihren Beitrag geschrieben: „Thema verfehlt! 5“.

(Unruhe bei der SPD)

Uns war klar, dass diese personenstandsrechtlichen Dinge in Berlin abschließend schon gut geklärt sind. Natürlich kenne ich den Berliner Entwurf, weil meine dortige Kollegin Ina Lenke seit langer, langer Zeit mit daran arbeitet und mit zu den Initiatorinnen gehört.

Ich finde es gut, dass sie in Berlin einen interfraktionellen Entwurf machen, wobei man sich schon fragen muss: War denn die Bundesregierung nicht in der Lage, so etwas auf den Weg zu bringen? Brauchte es diesen gemeinsamen Anstoß?

(Abg. Fischer SPD: Also so was! Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Das ist das andere Thema.

Aber was uns jetzt hier wichtig ist und das ist in Berlin bisher nun wirklich nicht enthalten

(Abg. Fischer SPD: Ein Blödsinn ist das! Ein abso- luter Blödsinn! Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Wenn Sie sich so aufregen, habe ich offensichtlich Recht.

(Unruhe bei der SPD)

Was in Berlin bisher viel zu wenig berücksichtigt ist, sind eben dieses bürgerliche Recht und das Verankern im Familienrecht, das Normalisieren der Situation.

(Abg. Bebber SPD: Und dazu war Ihre eigene Fraktion in Berlin nicht fähig?)

Darum geht es uns, und deshalb haben wir heute diese Aktuelle Debatte. Denn etwas Aktuelleres als ein totes Baby

in einer Plastiktüte und als ein verhungertes Baby in einer verlassenen Wohnung kann es wohl nicht geben. Wir müssen uns dringend um Lösungen kümmern, die adäquat sind.

Ich denke aber, wir haben einen guten Konsens gefunden, und wenn die Landesregierung das so vorantreibt und diesen bürgerlichen Teil noch einmal verstärkt, dann wird zusammen mit dem, was im Bundestag gerade von allen Fraktionen gemeinsam debattiert und, denke ich doch, auch von uns allen unterstützt wird, etwas Gutes daraus werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hillebrand CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haußmann.

Liebe Kollegin Stolz, Sie haben mich einfach provoziert. Wenn Sie den Bericht über die Beratungen des Sozialausschusses nachlesen, können Sie lesen, dass wir im Sozialausschuss sehr einmütig diskutiert haben und einer Meinung waren. Sie können im Bericht auch nachlesen, dass sich meine Fraktion der Stimme enthalten hat. Das haben wir deshalb getan, weil wir auch vor dem Hintergrund der Diskussion in Frankreich die rechtliche Situation noch nicht ausreichend abgeklärt sahen. Das war der Grund.

Ich freue mich, dass wir hier im Landtag ein genauso breites Parteienbündnis hinbekommen wie auf Bundesebene. Das ist auch das, worauf unsere Arbeit hier in diesem Bereich basieren sollte.

Wenn Sie meinen, Sie müssten jetzt hier noch Ihr schwarzes parteipolitisches Schäfchen ins Trockene bringen, dann dürfen Sie das tun, wenn Sie das glücklich macht. Aber ich betone ausdrücklich: Es ist ein breites Parteienbündnis, und das ist sicherlich auch das, was die Bürgerinnen und Bürger bei diesem Thema von uns erwarten.