Protocol of the Session on January 30, 2002

Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, darf ich unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne besonders herzlich den Befehlshaber im Wehrbereich IV, Herrn Generalmajor Kersten Lahl, begrüßen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr General Lahl stattet dem Landtag von Baden-Württemberg heute seinen ersten offiziellen Besuch ab.

Der Wehrbereich IV umfasst die Bundesländer BadenWürttemberg und Bayern. Sitz des Befehlshabers ist München. Nach der Auflösung des Wehrbereichskommandos V, das seinen Sitz in Sigmaringen hatte, ist seit dem letzten Jahr das Wehrbereichskommando IV auch für unser Land zuständig.

Herr General Lahl, ich darf Sie hier im Plenum des Landtags von Baden-Württemberg herzlich willkommen heißen und wünsche Ihnen weiterhin interessante Gespräche und einen erfolgreichen Aufenthalt in unserer Landeshauptstadt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Einzelplan des Innenministeriums steht jetzt ein Bereich der Landespolitik auf der Tagesordnung, der in der Tat in den vergangenen Wochen und Monaten auch die landespolitische Szenerie beherrscht hat. Grund dafür war das wissen wir der 11. September des vergangenen Jahres, und dieser Tag hat meines Erachtens auch tatsächlich eine Zäsur verursacht bei der Frage, wie wir in den zivilisierten Gesellschaften der westlichen Welt mit solchen Bedrohungen umgehen. Dazu zählt bei uns natürlich auch

(Zuruf des Abg. Hillebrand CDU)

Herr Kollege, Sie sollten vielleicht auch zur Kenntnis nehmen, wenn sich jemand ernsthaft um ein Thema bemüht und hier nicht versucht, eine Büttenrede zu halten.

Eine Frage, die bei der Bekämpfung des Terrorismus in unserer offenen Gesellschaft meines Erachtens immer von großer Bedeutung ist, lautet: Wie viel Einschränkungen unserer Freiheitsrechte, die wir uns in Europa über Jahrhunderte erkämpft und in Verfassungen abgesichert haben, können wir in unserem demokratischen Rechtsstaat hinnehmen? Wie viel Einschränkungen wollen wir hinnehmen, um die Sicherheit in unserem Staat zu gewährleisten? Gemessen an diesem Maßstab haben wir das, was auf der Bundesebene diskutiert und beschlossen worden ist, abgecheckt. Wir haben uns aber auch angeschaut, was die Landesregierung in Baden-Württemberg hierzu vorgelegt hat und was sie zu tun beabsichtigt. Wir haben anlässlich der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu diesem Themenbereich Stellung genommen, und unser Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Salomon, hat das Programm der Landesregierung dazu stehen wir nach wie vor als im Kern maßvoll und als geeignet bezeichnet, die Bedrohungen des Terrorismus anzugehen.

(Abg. Hillebrand CDU: Gut!)

Aber eines noch, meine Damen und Herren und deshalb sind wir an der einen oder anderen Stelle anderer Meinung als die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses : Wir sind der Meinung, dass diese Regelungen und die Stellen und Instrumentarien, die neu geschaffen werden sollen Abhörmaßnahmen etc. , von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand eines demokratischen Systems gehören, um zu prüfen, ob sie überhaupt Wirkung gezeigt haben und ihr Ziel erreichen können.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Fischer SPD)

Deswegen sind wir der Meinung bei grundsätzlicher Anerkennung des Landesamts für Verfassungsschutz, Herr Kollege,

(Abg. Hillebrand CDU: Hört, hört!)

was gerade in den vergangenen Tagen gewiss kein einfaches Zugeständnis war; hört, hört! , dass ein Amt, das mit 300 Beamtinnen und Beamten ausgestattet ist, zunächst einmal dartun muss, weshalb es denn jetzt zusätzlicher Stellen bedarf. Natürlich wissen wir mit der Landesregierung und auch mit der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses, dass es Islamexperten, Dolmetscher für arabische Sprachen etc. bei diesem Amt bisher offensichtlich nicht gibt. Es muss dem Parlament aber erklärt werden, warum nicht systemintern, das heißt innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz, Luft und Raum für diese neuen Aufgaben geschaffen werden können, um im Rahmen der finanziellen Ressourcen des Verfassungsschutzes auch diesen Bereich entsprechend auszustatten.

Wir sind der Meinung, dass schon allein deshalb die Entscheidung der Landesregierung, die 15 Personalstellen mit k.w.-Vermerken zu versehen, richtig ist. Wer sich mit Arbeitsrecht befasst, weiß ganz genau das haben wir bei den Finanzausschussberatungen auch seitens des Finanzministers gehört , dass diese Arbeitsverträge natürlich nicht mit befristeter Dauer abgeschlossen werden, sondern so habe ich es jedenfalls vernommen mit unbefristeter Dauer, wenn man überhaupt geeignete Menschen findet. Wir sind

deshalb auch der Meinung, dass die k.w.-Vermerke bestehen bleiben sollen.

Ein weiterer Punkt, der zum Bereich des Antiterrorpakets gehört, ist der Komplex der Polizei, den ich an dieser Stelle insgesamt ansprechen möchte. Wir teilen nicht die Meinung der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses, dass in diesem Landeshaushalt zusätzlich 1 600 Stellen bei der Polizei finanzierbar seien; denn wir wissen nicht, wie Sie, mit Ausnahme der Erlöse aus den Veräußerungen von Anteilen an der Landesbank

(Abg. Hauk CDU: Das Geld ist verbraucht!)

und ähnlichen Finanzierungsmöglichkeiten, die Sie dargetan haben, diese Stellen tatsächlich finanzieren wollen. Wir sind aber auch der Meinung, dass jedenfalls diese Stellen worunter zum Beispiel die 200 Stellen bei der Landesregierung laufen, die wir im Kern mittragen mit zielgerichteter Terrorismusbekämpfung nichts zu tun haben. Wir glauben aber auch, dass es im sichersten Land der Bundesrepublik Deutschland

(Zurufe von der CDU: Aha! Lernfähig!)

das haben wir jetzt oft genug gehört mit der höchsten Verbrechensaufklärungsquote und der geringsten Kriminalitätsrate nicht angezeigt ist, für die innere Sicherheit, auch was die personelle Ausstattung der Polizei anbelangt, über die im Etat schon bezifferten großen Beträge hinaus tätig zu werden. In Abwägung mit anderen Bereichen des Landesetats sind wir der Auffassung, dass das nicht tragbar wäre.

(Abg. Rech CDU: Der Mann ist gut!)

Ein weiterer Punkt zum Thema Polizei. Wir haben auch versucht, das per Antrag durchzusetzen, wobei wir heute vom Herrn Ministerpräsidenten gehört haben, dass Anträge der Opposition eigentlich grundsätzlich unerwünscht sind. Eigentlich ist demnach Opposition grundsätzlich sowieso unerwünscht, weil sie offensichtlich bei Büttenreden nur aufhält. Trotzdem haben wir versucht, mit wenigen Anträgen, Herr Kollege Rech, zentrale Stellen zu problematisieren.

Dazu zählt im Bereich der Polizei die Abschaffung des freiwilligen Polizeidienstes. Das haben wir nicht aus Jux und Tollerei beantragt, sondern weil wir der Auffassung sind, dass die verantwortungsvolle Aufgabe des Polizeivollzugsdienstes nicht lediglich sechs Wochen lang ausgebildeten Menschen übertragen werden kann. Wir meinen auch, dass die Verantwortung für diesen unter Umständen persönlich sehr in Anspruch nehmenden Job nicht Menschen sozusagen als ehrenamtliche Tätigkeit übertragen werden darf. Mit unserem Antrag auf Abschaffung des freiwilligen Polizeidienstes sind wir leider gescheitert. Wir haben ihn hier auch nicht neu eingebracht, um das Verfahren nicht zu verzögern.

Aber einen weiteren Antrag, den wir gestellt hatten, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir wieder eingebracht. Auf diesen möchte ich doch noch etwas genauer und dezidierter eingehen. Von Ihnen hört man jetzt Forderungen

nach Antiterrorprogramm, Eingriffen in Freiheitsrechte, Überwachungen, Abhörmaßnahmen vom Innenminister hört man schon, das Polizeigesetz müsse verschärft werden, damit man noch mehr und schneller abhören kann , Videoüberwachung allenthalben. Gerade wurde hier in Stuttgart damit begonnen. Ich gehe jetzt immer schon um den Bahnhof außen herum,

(Abg. Rech CDU: Damit haben wir gerechnet!)

um nicht aus Versehen in die Überwachungsanlage zu geraten. Ich möchte nicht, dass es mir so geht wie dem CDUKollegen ich will keinen Namen nennen , der als Allererster in die Falle der Videoüberwachungsanlage des Landtags gelaufen ist. Das ist kein kalter Kaffee.

(Heiterkeit Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich wollte Ihnen damit dokumentieren, dass solche Videoüberwachungsanlagen natürlich auch das Sozialverhalten ändern. Ich bin ein Mensch, der Freiheitsrechte und Freiheit liebt, dafür auch eintritt und allenthalben und jeden Tag dafür kämpft.

(Abg. Heinz CDU: Wir auch!)

Ich komme mir einfach beobachtet und verdächtigt vor, wenn ich, in Stuttgart aus dem Zug steigend, in Videoüberwachungsanlagen hineinlaufe,

(Abg. Schmid SPD: Da ist doch gar nichts! Da ist doch gar keine Überwachungsanlage!)

auf denen dann mein Konterfei abgebildet wird.

(Beifall des Abg. Dr. Salomon GRÜNE Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Oelmayer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Schmid?

Ja, bitte.

Herr Abg. Oelmayer, darf ich Sie fragen, an welcher Haltestelle Sie in Stuttgart aussteigen? Meines Wissens ist am Hauptbahnhof keine Überwachungskamera installiert.

Aber in der Klettpassage, wo man einkaufen geht.

(Heiterkeit Abg. Blenke CDU: Wenn er nicht rechtzeitig aufwacht, fährt er bis zum Rotebühl- platz! Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Ach, Herr Kollege! Wir brauchen ja jetzt nicht über die Details zu diskutieren. Wir haben solche Anlagen in Mannheim. Wir haben sie jetzt in Stuttgart. Wenn die sozialdemokratische Fraktion, Kollege Schmid, solche Anlagen mitträgt, ist das ihre Sache. Wir haben dieses Gesetzesvorhaben im Landtag abgelehnt, weil wir der Auffassung sind, dass sich der Eingriff in die Freiheitsrechte als zu groß darstellt. Wenn Sie dies nicht mittragen, tut mir das Leid.

(Beifall bei den Grünen)

Ich habe versucht, am Beispiel der Videoüberwachung klar zu machen, was Datenschutz in der Zukunft in BadenWürttemberg zu gewährleisten hat

(Zuruf des Abg. Heinz CDU)

und welche neuen Aufgaben auf den Datenschutz zukommen. Nun gehöre ich diesem hohen Hause nicht erst seit gestern an, sondern habe in den vergangenen Jahren jeweils jährlich einen immer dicker werdenden Datenschutzbericht zur Kenntnis genommen, den uns der Datenschutzbeauftragte vorgelegt hat und den wir beraten haben.

(Abg. Hauk CDU: Quantität ist noch keine Quali- tät!)

Auch nicht den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion und schon gar nicht der doch so liberal für sich selber argumentierenden FDP/DVP-Fraktion dürfte entgangen sein, dass der Datenschutzbericht eine große Masse an Datenschutzverstößen enthält. Deswegen sind wir der Meinung: Wenn die Aufgaben im Bereich des Datenschutzes zunehmen und wenn wir Datenschutz nicht wie im Rahmen der Terrordebatte nur als Täterschutz begreifen wenn Sie das so sehen, müssen Sie das hier so sagen , sondern wenn wir sagen, Datenschutz bedeute auch die Gewährleistung unserer Freiheitsrechte, das Controlling unserer Rechte, in die durch Maßnahmen wie Videoüberwachung etc. eingegriffen wird, dann muss die Datenschutzüberwachung ausgebaut werden. Deswegen haben wir diesen Antrag hier wieder eingebracht, und wir sind gespannt, ob sich die CDU-Fraktion wenigstens an dieser einen Stelle bewegen lässt und vielleicht auch einmal gegen die von ihr geführte Landesregierung die beantragten zwei Stellen beschließt.

(Beifall bei den Grünen Abg. Rech CDU: Oppo- sition, Anarchie!)