Protocol of the Session on January 30, 2002

Als den absoluten Gipfel empfand ich, dass Sie, die CDU, sich über den inneren Zustand der SPD auslassen. Das ist unglaublich. Dann haben Sie das Parteiprogramm der SPD vorgelesen und gesagt, wie Sie das bewerten und wie interessant das sei.

Herr Ministerpräsident, ich könnte Ihnen eine halbe Stunde lang etwas über den inneren Zustand der Grünen erzählen. Das wäre sicher nicht sehr erfreulich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich könnte Ihnen aber eine Stunde lang ohne Manuskript, ohne Konzept etwas über den inneren Zustand der CDU vor und nach der Spendenaffäre erzählen. Ich weiß nur nicht, ob uns das in diesem Haus weiterbringen würde.

(Beifall bei den Grünen und der SPD Abg. Beb- ber SPD: Oettinger wird gleich aus dem Nähkäst- chen plaudern!)

Noch etwas: Herr Ministerpräsident, wenn ich es richtig im Kopf habe, sind Sie dieses Jahr 30 Jahre Mitglied dieses Hauses. Sie waren über zwölf Jahre lang Fraktionsvorsitzender und sind seit elf Jahren Ministerpräsident dieses Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Und dann muss ich mir von Ihnen Nachhilfe in Gemeinschaftskunde geben lassen, die auch noch falsch ist und lautet: „Was habt ihr, die Opposition, eigentlich? Ihr habt die Wahlen verloren. Ihr habt hier gar nichts zu kritisieren.“

Da muss ich fragen: Wo sind wir denn eigentlich? Wenn das Ihr Politikverständnis ist, können wir den Laden hier dichtmachen. Der Kollege Drexler hat es auf den Punkt gebracht: Es ist Hybris, wenn man sich als Ministerpräsident und als große Regierungsfraktion mit dem Land gleichsetzt. Das funktioniert so nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn man Missstände in diesem Land anspricht und da gibt es viele anzusprechen , dann hat das nichts damit zu tun, dass man nicht gern in diesem Land lebt und dass man dieses Land schlecht machen will, sondern dann tut man das, weil man gern in diesem Land lebt und weil man will, dass es in diesem Land besser wird. Das ist der Grund dafür, dass Kritik in diesem Haus gefragt ist. Wenn Sie das nicht verstehen, haben Sie hier 30 Jahre lang einen falschen Job gemacht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD Abg. Blen- ke CDU: Wir sind völlig getroffen!)

Einerseits habe ich das Gefühl, Sie lassen sich vorlesen, und andererseits das meine ich jetzt nicht ironisch habe ich das Gefühl, Sie hören nicht richtig zu. Sie erzählen uns, wie es eigentlich mit der Verantwortung ist, die die Kommunen für die Kinderbetreuung haben. Das hat ja überhaupt niemand bestritten. Ich habe eingeklagt Sie hätten richtig zuhören sollen , dass sich in den letzten 20 Jahren

die Familien wenn wir uns jetzt darüber einig sind, was Familien sind, ist das ein Fortschritt dermaßen verändert haben, dass sich auch die Aufgaben der Kommunen rapid verändert haben.

Aber wenn sich die Aufgaben aufgrund einer veränderten Sozialstruktur und aufgrund veränderter Familienverhältnisse so dramatisch verändert haben, dass ein ganz neuer Zweig entstanden ist, den man vor 20 Jahren noch gar nicht gesehen hat, nämlich die Kinderbetreuung von null bis sechs Jahren nicht nur mit Regelkindergärten, sondern beginnend bei null Jahren , dazu Ganztagsangebote und altersgemischte Gruppen, ist, so habe ich gesagt, der Zeitpunkt gekommen er wäre eigentlich schon längst gekommen , sich einmal grundsätzlich darüber zu verständigen, wie man die Aufteilung der Lasten zwischen den Kommunen und dem Land neu regelt.

(Abg. Mack CDU: Wer regiert denn in Berlin? Ihr könnt doch das Gesetz ändern!)

Das und nichts anderes war mein Argument, weil niemand bestritten hat, dass es die Kommunen und sonst niemand waren, die in den Neunzigerjahren das habe ich sogar ausdrücklich gesagt die Kindergärten ausgebaut haben. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, und das fordere ich ein. Dem kann ein vernünftiger Mensch auch überhaupt nicht widersprechen. Bauen Sie hier doch keinen Popanz auf!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich komme zum Thema Landesstiftung, auch wenn es Sie langweilt. Es ist kein Widerspruch, wenn man gegen die Konstruktion der Stiftung ist, aber dann, wenn man in der Stiftung Aufsichtsrat ist, dort konstruktiv mitarbeitet.

(Ministerpräsident Teufel: Das ist vernünftig!)

Das ist vernünftig, ganz genau!

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Na also!)

Wir haben da konstruktiv mitgearbeitet, sind aber nach wie vor gegen die Konstruktion der Stiftung. Sie sind so stolz auf das, was Sie in der Stiftung alles anstoßen. Es wird aber deutlich, dass damit nur wenige Kollegen von hier befasst sind, dass alles am Haushalt vorbeigeht und dass die Konstruktion der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit völlig widerspricht. Das war unser Argument, und das ist überhaupt nicht falsch. Das bitte ich einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn man hier eine Stunde sprechen und nur Statistiken herunterbeten kann, dann muss man dafür ein Faible haben.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Oder unter die Gür- tellinie!)

Ich hätte da noch einen Vorschlag. Ich meine, bevor Sie Frau Meister-Scheufelen bemühen, sollten Sie sich selber als neuer Leiter des Landesamtes für Statistik bewerben. Das wäre doch ein Hinweis.

(Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der SPD Abg. Alfred Haas CDU: Sie wollen Ober- bürgermeister werden? Schämen Sie sich!)

Herr Haas, sind Sie schon wieder zurück, oder waren Sie noch gar nicht?

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Unverschämt- heit!)

Jetzt zu dem Thema Steuerausfälle. Herr Drexler hat dazu schon vieles gesagt, und ich will Ihnen einmal etwas zu den UMTS-Milliarden sagen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wo sind sie denn?)

Ich will Ihnen einmal eine Analogie geben. Bei der EnBW haben Sie die hanebüchene Konstruktion der Landesstiftung gewählt, um Steuern zu vermeiden. Sie haben gesagt: Wir zahlen so viel in den Länderfinanzausgleich, dass wir dem Bund doch nicht noch mehr Geld geben.

(Abg. Alfred Haas CDU: So ist es!)

Jetzt macht der Bund seinerseits etwas bei den UMTS-Lizenzen. Er nimmt Geld ein, zahlt Schulden zurück und macht Sinnvolles mit den Zinsersparnissen. Da aber schreien Sie: Feuer, Feuer, haltet den Dieb! Sie wollen dann Geld von den UMTS-Milliarden zurück. Im Umkehrschluss verhalten Sie sich wie jemand, der zum Steuerberater geht und sagt: Mach mir eine Konstruktion, mit der ich keine Steuer an den Bund zahle. So kann man zwischen Land und Bund nicht miteinander umgehen. Das ist eine Logik, die einseitig zu Ihren Gunsten rechnet. So funktioniert das einfach nicht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD Abg. Ca- pezzuto SPD: Unredlich!)

Zum Punkt Steuerausfälle noch etwas, was die Gewerbesteuer angeht. Die ganzen Steuerausfälle der Gemeinden das haben Sie nicht gesagt, aber es wird immer wieder als Argument genannt kommen natürlich nicht allein von der Gewerbesteuer. Aber das ist ein gewichtiger Punkt. Die Gewerbesteuerausfälle treffen aufgrund der Beschaffenheit der Gewerbesteuer nicht alle Gemeinden gleichmäßig, sondern sogar sehr ungleichmäßig. Ich denke da an Schwäbisch Hall und ähnliche Gemeinden.

Schon vor 20 Jahren, als ich Finanzwissenschaft studiert habe, hat der Wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium gesagt, dass die Gewerbesteuer in der damaligen und im Prinzip auch noch heutigen Form abzuschaffen sei, weil die Bemessungsgrundlage zu gering sei, weil im Prinzip viel zu wenige einzahlten und im Prinzip auch andere Freiberufler einbezogen werden müssten. Eine entsprechende Änderung ist bis heute nicht vorgenommen worden. Bis heute ist keine so genannte Wertschöpfungsabgabe oder Wertschöpfungssteuer gemacht worden. Das ist bis heute nicht geschehen, weil es auch mit Schwierigkeiten behaftet ist. Wir haben ja die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft das war richtig und den Gemeinden umgekehrt einen Ausgleich durch Punkte bei der Umsatzsteuer gegeben. Das ist richtig.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sie haben noch mehr gekriegt!)

Ja, sie haben mehr bekommen. Die Maßgabe war ja, dass sich keine Gemeinde schlechter stellt. Das ist richtig.

Man muss natürlich auch darüber nachdenken darüber wird ja nachgedacht, das wissen Sie so gut wie ich; deshalb sollten wir da ehrlich miteinander umgehen , dass wir dringend eine Gemeindefinanzreform brauchen. Sie ist bereits angedacht, aber jetzt auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Alle wissen aber, dass sie kommen muss. Dabei muss klar sein, dass wir den Kommunen die Selbstständigkeit bewahren müssen. Das heißt, sie müssen natürlich weiterhin die Kraft haben, selbstständig Steuern zu erheben. Das heißt, auch wenn die Gewerbesteuer in der jetzigen Form geändert oder abgeschafft wird, muss ein Ausgleich geschaffen werden, der aber auch beinhaltet, dass die Kommunen nach wie vor ein eigenes Hebesatzrecht haben. Ansonsten nützt die ganze Selbstverantwortung gar nichts. Darüber sind sich im Wesentlichen alle einig.

Darum sage ich: Machen Sie nicht so einen Wind. Bauen Sie keinen Popanz auf, sondern unterhalten Sie sich doch vernünftig darüber, was die vernünftigste Lösung für das Problem ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich habe sowieso den Eindruck, dass der ganze Auftritt, den Sie hier geliefert haben, eigentlich nur von etwas ablenken sollte. Wir reden ja eigentlich über den Doppelhaushalt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wer hat denn angefangen mit anderen Themen?)

Ich sehe eines nicht. Sie haben ja die mittelfristige Finanzplanung mit einer Verspätung von mehreren Wochen abgeliefert. Ob das gesetzeskonform ist oder nicht, weiß ich nicht. Was Sie dann geliefert haben, ist einfach dünn. Sie sagen einfach per Definition: 2006 gibt es keine Nettoneuverschuldung mehr. Dabei sagen Sie mit keinem Wort, wie Sie dahin kommen. Das ist so. Und jetzt brennen Sie hier ein Feuerwerk ab, bei dem Sie sämtliche Sachen, die gegen Ihre Absicht sprechen, 2006 eine schwarze Null zu bekommen, der Bundesregierung in die Schuhe schieben, und zwar in einer solchen Schwarzweißmalerei, dass es schlimmer nicht mehr geht.

Herr Ministerpräsident Teufel, ich bin niemand, der sagt, die Schulden, die bis 1998 aufgelaufen sind, seien alle der Unfähigkeit der Regierung Kohl zuzuschreiben. Das wäre Unsinn. Wir haben die deutsche Einheit gehabt. Wir haben bis heute einen Nettotransfer von West nach Ost ich sage ausdrücklich: er ist notwendig von 100 bis 150 Milliarden DM im Jahr. Deshalb waren wir schon in den Neunzigerjahren Schlusslicht in Europa mit der roten Laterne, und deshalb haben wir auch jetzt Schwierigkeiten, weil dies natürlich weitergeführt werden muss. Darin sind wir uns doch alle einig.

Also kann man nicht sagen: „Deine Schulden, meine Schulden“, sondern es geht darum, dass wir gemeinsam Verantwortung für diese Schulden haben. Ich halte Ihnen die Altlasten nicht mehr vor, und Sie sollten sich auch be

mühen, einmal seriös und ehrlich zu sein und zu sagen: „Wir haben diese Staatsschulden insgesamt aufgehäuft, in erster Linie beim Bund, weniger bei den Ländern und bei den Kommunen. Egal, wer ab September regiert: Da müssen wir gemeinsam wieder raus.“ Dann wird eine sehr viel rationalere Debatte daraus. Und da kann man nicht umhin, festzustellen, dass es der jetzigen Bundesregierung gelungen ist, die Nettoneuverschuldung zu halbieren, und Ihrer Regierung überhaupt nicht gelungen ist, irgendetwas zu reduzieren und einen Pfad aufzuzeigen, wie wir bis 2006 auf die schwarze Null kommen.

Ich glaube damit will ich schließen , dass das eine Diskussion ist, die darüber hinwegtäuschen will, dass wir spätestens nach der Bundestagswahl, wenn Sie es sich politisch leisten können, einfach den Offenbarungseid leisten und sagen müssen: Wir schaffen es nicht. Wir kriegen die Nettoneuverschuldung null 2006 nicht hin Klammer auf: weil wir nicht in der Lage sind, weil wir nicht die politische Kraft haben, weil wir nicht den Willen haben, strukturelle Reformen einzuleiten.

(Zuruf des Ministers Dr. Döring)