Protocol of the Session on December 13, 2001

(Abg. Teßmer SPD: Nebelwerfer!)

Jetzt werden Höchststrafen gefordert. Ich denke, dass das ein Beweis dafür ist, dass in dieser Frage der Rechtsstaat funktioniert, meine Damen und Herren.

Mit Ihrem Vorwurf der Versäumnisse an die baden-württembergischen Behörden befinden Sie sich auch in guter Gesellschaft. Herr Gauweiler stellt als Verteidiger von Herrn Dogmoch ähnliche Vorwürfe in den Raum. Möglicherweise hat Herr Gauweiler vom Staatsaufbau andere Vorstellungen als wir, auch vor dem Hintergrund seiner bayerischen Erfahrungen, meine Damen und Herren. Aber mit seinen Vorstellungen kam er ja auch bei der bayerischen Staatsregierung nicht durch. Ich glaube, Ihre Argumentation ist hanebüchen. Nicht diejenigen, die betrogen, geschoben und geschädigt haben, kommen hier in den Blickpunkt, sondern diejenigen, die versucht haben, diesen Leuten das Handwerk zu legen, die es aber in einem Rechtsstaat beweisen müssen, meine Damen und Herren.

Noch einen Satz zum Weisungsrecht: Sie, Herr Maurer, stellen sich hier so hin, als ob ein Justizminister da so einfach Einfluss nehmen könnte. Sie als Jurist, Herr Maurer, wissen aber doch, dass das Weisungsrecht klar begrenzt ist, dass die Ausübung des Weisungsrechts begründet werden muss, dass das Weisungsrecht dokumentiert wird und dass Einflussnahmen herauskommen. Wenn Sie Beweise haben, dass Einfluss genommen worden ist – hier wurde von Frau Dederer der Name Morlok in den Raum gebracht –, dann legen Sie diese doch vor. Einerseits werfen Sie dem Justizminister vor, er habe nicht genug getan, andererseits werfen Sie ihm vor, er habe etwas getan.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Er soll sich einmal dazu äußern! Er schweigt doch bisher nur! Das ist doch das Ärgerliche!)

Wenn Sie Beweise haben, dann beantragen Sie doch einen Untersuchungsausschuss. Aber das werden Sie nicht tun, weil Sie selber nicht daran glauben, dass etwas herauskommt. Und das zeigt ganz deutlich, dass Sie unhaltbare Vorwürfe in den Raum stellen. Ich fordere von Ihnen, dass Sie die Beweise auf den Tisch legen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dederer.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wieso nicht Oelmayer? – Abg. Birzele SPD: Man merkt, dass in der FDP/ DVP-Fraktion kein Jurist ist!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es erstaunt mich schon etwas, Herr Kollege Reinhart, dass Sie der SPD und uns Vorwürfe machen, weil wir dieses Thema heute auf die Tagesordnung bringen. Denn schließlich geht es hier ja nicht um Peanuts, obwohl wir wissen, dass dieses Wort seit dem Fall Schneider eine andere Bedeutung hat, sondern um den größten Betrugsfall in der Geschichte Deutschlands.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das bestreitet doch nie- mand! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: So ist es!)

Man muss einfach wissen, worum es hier geht, und da darf sich die Politik schon für die eine oder andere Frage interessieren. Wir wissen, es gibt 40 Ermittlungsverfahren, davon allein sechs gegen Betriebsprüfer und Steuerfahnder. Sie als Jurist wissen sehr gut, dass nicht einfach aus der Luft gegriffen ermittelt wird, sondern dass es einen Anfangsverdacht geben muss. Und in diesem Fall wissen wir auch etwas mehr. Nicht nur die Justizbehörden, sondern auch die Finanz- und Steuerverwaltung hat ja in diesem Fall seit 1996 eine mehr als unrühmliche Rolle gespielt.

Herr Kollege Reinhart, Sie haben die Testate angesprochen, die eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ausgestellt hat. Wenn Sie genau hinschauen, dann müssen Sie das schon sehr genau tun. Die Betriebsprüfer hätten beispielsweise die Möglichkeit gehabt, dieser Wirtschaftsprüfungsgesellschaft genaue Vorgaben zu machen, zum Beispiel wann eine Maschine im Ausland geprüft wird. Aber das hat

sie nicht gemacht. Deswegen konnte FlowTex überhaupt diesen Tourismus betreiben, und das ist doch hier das Problem. Das sind die Versäumnisse, von denen ich rede.

(Lebhafte Zurufe)

Das Finanzamt Karlsruhe-Durlach – –

(Weitere Zurufe und anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Zimmermann, Sie wollen eine Zwischenfrage stellen? – Frau Dederer, Sie erlauben das?

Ja, ich erlaube das.

Bitte schön, Herr Abg. Zimmermann.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Frau Dederer, wie erklären Sie sich – Sie sagen ja selbst, dass es das größte Wirtschaftsverfahren in Deutschland ist –, dass dieses größte Wirtschaftsverfahren in Baden-Württemberg in kürzester Zeit mit Erfolg bearbeitet wurde, wenn hier Nachlässigkeiten stattgefunden haben? Wie erklären Sie sich das?

Ich habe vorhin schon versucht, deutlich zu machen, dass man schon 1996 und 1997 Erkenntnisse hatte, die dazu hätten führen können, diesen Betrug zu verhindern.

(Abg. Zimmermann CDU: Erkenntnisse, aber kei- ne Beweise! – Anhaltende Unruhe)

Wir warten jetzt einmal ab, was bei den Ermittlungsverfahren gegen Betriebsprüfer herauskommt. Dann werden wir ja sehen, ob tatsächlich keine Möglichkeit bestand, diesen Betrug zu verhindern.

Meine Damen und Herren, es gab ja weitere Versäumnisse. Beispielsweise rät das Finanzamt Karlsruhe-Durlach – –

(Abg. Alfred Haas CDU: Waren Sie auch beteiligt, Frau Dederer? – Weitere Zu- und Gegenrufe)

Wir sollten alle ein Interesse daran haben. – Das Finanzamt Karlsruhe-Durlach rät beispielsweise von Durchsuchungen bei FlowTex mit der Begründung ab, das Gelände sei zu groß.

Auch wird eine anonyme Anzeige nicht weitergegeben. Die Betriebsprüfer hatten schon 1996 und 1997 Unterlagen, aus denen der Betrug ersichtlich wurde. Und dann hat natürlich auch dieses ungeklärte Treuhandverhältnis zwischen KSK und FlowTex dazu geführt, dass die Zuständigkeiten hin- und hergeschoben wurden.

(Abg. Alfred Haas CDU: Woher wissen Sie denn so viel, Frau Dederer? – Gegenruf des Abg. Mau- rer SPD: Zeitung lesen! – Abg. Fischer SPD: Und zwar richtig! – Abg. Birzele SPD: Der Haas sollte mehr Zeitung lesen!)

Ich lese im Gegensatz zu Ihnen offensichtlich Zeitung.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Hätten Sie beispielsweise heute Morgen die „Stuttgarter Zeitung“ gelesen, wüssten Sie, dass sich die Verdachtsmomente wegen Bestechung gegen einen Betriebsprüfer erhärten. Es geht jetzt nicht nur um einen Karibikaufenthalt, sondern es geht jetzt offensichtlich auch um ein Auto.

Herr Minister Stratthaus, es nutzt doch niemandem, wenn Sie und der Kollege Reinhart Finanzbeamten Persilscheine ausstellen. Ganz im Gegenteil, es schadet dem Ansehen der Steuerverwaltung,

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

wenn Sie den Schmider noch vor sechs Wochen als Kronzeugen aufführen mit dem Hinweis, er hätte niemanden bestochen, wenn jetzt aktuell Ermittlungen laufen, die vielleicht das Gegenteil offenbaren.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ganz schön pein- lich! Skandal!)

Das schadet der Finanzverwaltung. Es ist auch mein Interesse als ehemalige Finanzbeamtin,

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Patronin! Finanzpatro- nin!)

dass hier auch im Sinne all derjenigen, die in der Finanzverwaltung ordentlich ihren Dienst tun, ermittelt wird.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hauk CDU: „Patrona finantiae“!)

Herr Minister, ich möchte Sie noch einmal eindringlich daran erinnern, dass es Ihre Aufgabe ist, auch dafür zu sorgen, dass das Vertrauen in die baden-württembergische Steuerverwaltung wiederhergestellt wird.

(Abg. Alfred Haas CDU: Schämen Sie sich nicht? – Abg. Hauk CDU: Die Einzige, die es beschädigt, sind Sie! – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Seien Sie einmal ruhig, Herr Hauk! Das ist ja unglaublich!)

Eine Voraussetzung dafür ist, dass Ursachenforschung betrieben wird. Wir müssen doch klären, wie dieser größte Betrug in der Geschichte Deutschlands zustande gekommen ist. Da müssen wir auch klären, ob die Verwaltung, und zwar sowohl die Justiz- als auch die Steuerverwaltung, in diesem Betrug eine Rolle gespielt hat.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Gerichtsverfahren!)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen eines sagen: Wir stellen diese Fragen, weil Sie diese Fragen nicht stellen. Wenn wir diese Fragen aber nicht stellen und wenn wir auf diese Fragen keine Antworten finden, dann haben wir doch keine Gewähr, dass sich ein Fall FlowTex nicht morgen oder vielleicht schon heute wiederholt. Das kann weder im Interesse der Justizbehörden noch der Steuerverwaltung, noch der gesamten Politik sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Hofer FDP/DVP: Dann brauchen wir keine Gerichte! Das machen wir hier selber! – Zuruf des Abg. Dr. La- sotta CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Justizminister Dr. Goll.

(Abg. Schmiedel SPD: Jetzt kommt die freie Re- de!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!