(Abg. Wacker CDU: Die Rede war exzellent! Das hat sich gelohnt! – Abg. Pfister FDP/DVP: Herr Kollege Kleinmann wird um 90 % überziehen! – Gegenruf von der CDU: Kleinmann wird entspre- chend kürzen! – Unruhe)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg bildet im Bereich der Ganztagsschulen ein trauriges Schlusslicht. Von rund 4 500 allgemein bildenden Schulen sind, wie wir erst kürzlich gehört haben, nicht 112, sondern 118 Ganztagsschulen. Dazu sage ich: Das ist ein Armutszeugnis.
Wenn wir Baden-Württemberg mit anderen Bundesländern vergleichen – ich will gar nicht europäische Vergleichsmaßstäbe anlegen –, müssen wir erkennen, dass wir wirklich an letzter Stelle stehen.
er hat ja hier einen gewissen Eiertanz aufgeführt. Im Grunde genommen ist aber eigentlich unbestritten, dass wir mehr Ganztagsschulen und mehr Ganztagsangebote brauchen. Das ist unter Fachleuten eigentlich unbestritten – aber nicht nur unter Fachleuten, sondern auch von kommunaler Seite wird ein deutlicher Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten gefordert.
Herr Seimetz, insofern ist immerhin korrekt: Ganztagsschulen bieten verbesserte Bildungschancen, sie bieten mehr Chancengleichheit. Im Übrigen gibt es auch interessante Untersuchungen, wonach im Ergebnis zum Beispiel die Abbrecherquote und die Sitzenbleiberquote in Ganztagsschulen wesentlich geringer als in Halbtagsschulen sind. Die Ganztagsschulen haben unbestritten enorme Vorteile. Insofern verstehe ich gar nicht, dass Sie von Gleichmacherei und solchem Zeug reden. Das, was Sie ausgeführt haben, war ein bisschen wirr.
Wir wissen auch, dass Ganztagsschulen einen wesentlichen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten. Im Übrigen geht es dabei auch um freiwillige Angebote und nicht um Pflichtvorschriften. Es sind freiwillige Angebote. Wenn allerdings Kinder dieses Angebot annehmen, ist es natürlich für ein Schuljahr verpflichtend.
Wir wissen inzwischen auch, dass Ganztagsangebote einen Standortvorteil bilden. Wirtschaft und Gewerkschaften sind sich deshalb darin einig, dass solche Angebote an einem Ort einen wirtschaftlichen Vorteil darstellen. Es gibt eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, die besagt, dass jede zweite berufstätige Mutter – in der Regel geht es hierbei ja um Mütter und seltener um Väter – mit schulpflichtigen Kindern solche Ganztagsbetreuungsangebote für dringend notwendig hält. Deshalb verstehe ich den Popanz, den Sie hier aufgebaut haben, überhaupt nicht.
Es ist dringend notwendig, hier in Baden-Württemberg mehr Ganztagsschulen einzurichten. Das ist der zentrale Punkt.
Dann wird behauptet, es gebe gar keine Anträge auf Einrichtung von Ganztagsschulen. Wissen Sie, wie das in der Praxis läuft? Wenn ein Schulträger eine Ganztagsschule einrichten möchte, erkundigt er sich natürlich vorher danach, ob dafür überhaupt eine Chance bestehe. Sie sagen – und das haben Sie gerade bestätigt –, Sie ließen nur Ganztagsschulen in so genannten Brennpunktschulen zu.
Deswegen werden gar keine Anträge mehr gestellt. Wir brauchen aber Ganztagsschulen nicht nur bei den so genannten Brennpunktschulen, sondern in allen Schularten und in allen Schulformen, und das fehlt hier in BadenWürttemberg.
Herr Kollege Zeller, geben Sie zu, dass in der vergangenen Legislaturperiode allen Anträgen auf Einrichtung von Ganztagsschulen, die ernsthaft gestellt wurden, entsprochen wurde? Das war die Aussage des Kultusministeriums, die von Ihnen im Schulausschuss nicht widerlegt wurde. Ich bitte im Grunde hier nur um die gebotene Ehrlichkeit.
Herr Wacker, ich sage Ihnen: Ihre Äußerungen und die Äußerungen von Frau Schavan – wir werden sie ja nachher wahrscheinlich wieder hören – waren stets, dass Sie Ganztagsschulen bei den Hauptschulen und so genannten Brennpunktschulen zulassen wollen. Die Schulträger kommen doch gar nicht auf die Idee, zum Beispiel für eine Grundschule einen Antrag zu stellen, weil von vornherein keine Aussicht auf Erfolg besteht – das ist die Tatsache –, und deswegen müssen Sie Ihre Politik ändern, damit die Schulträger aufgefordert werden, mehr Anträge zu stellen. Ich bin gespannt, ob Sie den Anträgen dann entsprechen werden.
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass jährlich 100 Ganztagsschulen in Baden-Württemberg eingerichtet werden.
Dazu brauchen wir mehr Personal; wir brauchen 300 zusätzliche Stellen. Wir wollen diese Ganztagsschulen regional ausgewogen einrichten, das heißt, jeder Landkreis und jeder Stadtkreis sollte mindestens zwei solcher Schulen pro Jahr bekommen, und wir wollen das Stück für Stück dem Bedarf entsprechend anpassen.
Klar ist, dass der Nachmittagsunterricht an vier Wochentagen stattfinden soll. Im Übrigen ist eine Ganztagsschule konzeptionell ja etwas anderes als eine Halbtagsschule mal zwei.
Für die Eltern soll dies kostenlos sein; das ist ganz wichtig. Wir wollen nicht, dass die Eltern für ein solches Angebot bezahlen müssen.
Weil dies nicht ausreichen wird, Frau Fauser, brauchen wir darüber hinaus weitere Betreuungsangebote an unseren Schulen, und zwar – das sage ich auch wieder dazu – nicht nur an den Hauptschulen, sondern auch an den anderen Schularten. Deswegen – das werden Sie dann sehen – werden wir bei den kommenden Haushaltsberatungen dazu entsprechende Anträge stellen
und jährlich 20 Millionen DM dafür beantragen, damit wir mehr Möglichkeiten und mehr Angebote im Ganztagsbereich bekommen, was letztendlich unseren Kindern, unseren jungen Menschen und uns allen nur gut tun wird.
Dann wird sich zeigen, wie ernst Ihre familienpolitische Aussage ist, wenn es darum geht, Geld für unsere jungen Menschen einzustellen und ihnen bessere Chancen zu geben.
(Abg. Wacker CDU: Jetzt, Dieter, räum ab! – Ge- genruf des Abg. Fischer SPD: Da gibt es nichts ab- zuräumen!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig: Der Ausbau schulischer Ganztagsangebote ist erforderlich, und zwar grundsätzlich in der ganzen Bandbreite solcher Angebote, also von der Kombination des schulischen Angebots mit den verschiedenen Formen von Betreuung bis hin zum Angebot von eigentlichen Ganztagsschulen.
Die Gründe hierfür sind bekannt und mittlerweile hier auch im ganzen Haus anerkannt. Ich erinnere nur daran: Es gibt Veränderungen innerhalb der Gesellschaft – auch Kollege Seimetz hat schon darauf hingewiesen –, Veränderungen vor allem auch in der Struktur der Familien, Veränderungen auch im beruflichen Leben, die mittelbar oder unmittelbar auf unsere Kinder zurückwirken. Unabhängig davon, ob diese Entwicklungen im Einzelnen zu begrüßen sind oder nicht – ich begrüße sie nicht; das sage ich hier ausdrücklich –, machen sie eine Ausweitung der bereits vorhandenen Betreuungsangebote erforderlich.