Protocol of the Session on October 25, 2001

Die Gründe hierfür sind bekannt und mittlerweile hier auch im ganzen Haus anerkannt. Ich erinnere nur daran: Es gibt Veränderungen innerhalb der Gesellschaft – auch Kollege Seimetz hat schon darauf hingewiesen –, Veränderungen vor allem auch in der Struktur der Familien, Veränderungen auch im beruflichen Leben, die mittelbar oder unmittelbar auf unsere Kinder zurückwirken. Unabhängig davon, ob diese Entwicklungen im Einzelnen zu begrüßen sind oder nicht – ich begrüße sie nicht; das sage ich hier ausdrücklich –, machen sie eine Ausweitung der bereits vorhandenen Betreuungsangebote erforderlich.

Ich unterstreiche, dass dies für uns Liberale ausdrücklich heißt: nicht nur die Angebote schulischer Betreuung quantitativ ausweiten, sondern auch mehr Angebote im Bereich von Ganztagsschulen schaffen. Ich kann mich hierzu auf die Koalitionsvereinbarung beziehen, in der dies als gemeinsames Ziel der Koalition, Frau Kollegin Rastätter, eindeutig formuliert ist. Die Behauptung der Fraktion GRÜNE, die Koalitionsvereinbarung sei in diesem Punkt schwammig, weise ich ausdrücklich zurück.

(Zurufe von der CDU: Jawohl!)

Das Gegenteil ist richtig. Lesen Sie es nach, Herr Palmer. Ich kann Ihnen die Koalitionsvereinbarung gern auszugsweise geben, und da steht es ganz eindeutig drin.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Papier ist gedul- dig!)

Ja, Papier ist geduldig. Aber Koalitionsvereinbarungen sind nun mal Verträge, die auf das Papier gehören. Wo wollen Sie sie sonst hinschreiben?

(Beifall bei der FDP/DVP – Heiterkeit – Abg. Pfis- ter FDP/DVP: Auch wieder wahr! – Weitere Zuru- fe)

Das sind immer so kluge Hinweise der Roten und der Grünen.

Ebenso eindeutig weise ich alle Forderungen zurück, die aus dem Konzept der verlässlichen Grundschule, meine Damen und Herren, das die FDP/DVP gewollt und auch mit initiiert hat, eine obligatorische Halbtags- – Kollege Seimetz – oder gar Ganztagsgrundschule machen wollen. Wir haben darüber an dieser Stelle wiederholt und ausführlich debattiert, und zwar mit eindeutigem Ergebnis: Die

Vorstellung von einer für alle verpflichtenden Halbtagsgrundschule hat hier im Haus keine Mehrheit!

Die verlässliche Grundschule wird mit uns ein Angebot bleiben, das flächendeckend vorhanden ist – und wir sind, um dies durchzusetzen, auf dem besten Weg; noch nicht ganz angekommen, Herr Zeller, das ist richtig –, ein Angebot jedoch, das eben ein Angebot ist, also niemanden dazu zwingt, sein Kind einer über den Unterricht hinausreichenden Betreuung zu überantworten.

Ich bekräftige noch einmal unser Ziel, mehr Ganztagsschulen einzurichten, und zwar in allen Schularten. Wir halten hieran fest, aber wir sind – das sage ich als finanzpolitischer Sprecher meiner Fraktion – keine finanzpolitischen Traumtänzer.

Ebenso betone ich deshalb: Das in der Koalitionsvereinbarung hierzu festgehaltene Ziel ist in beiden Teilen richtig. Es ist richtig, das Angebot an Ganztagsschulen vorrangig im Bereich der Hauptschulen, die ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag unter erschwerten Bedingungen erfüllen, auszubauen. Dieser Ausbau ist auch bereits im Gange. Wir haben derzeit – ohne Sonderschulen und ohne Privatschulen; Herr Zeller hat diese Zahl schon genannt – 118 allgemein bildende Ganztagsschulen, davon 82 Hauptschulen, und unter diesen wiederum befinden sich 60 Hauptschulen, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten: brennpunktorientiert. Seit dem Jahr 2000 wurden 40 Hauptschulen neu als Ganztagsschulen eingerichtet. Das ist gegenüber den früheren Jahren eine, wie ich meine, enorme Steigerung, Herr Zeller, und weitere werden hinzukommen.

(Abg. Wintruff SPD: Wo nichts ist, kann man gut steigern! – Heiterkeit)

Herr Kollege Wintruff, wenn Sie mir erklären können, wie die Zahl 118 weniger 40 als „nichts“ zu bezeichnen ist, möchte ich einmal sehen, welche Philosophie dahinter steckt.

(Abg. Zeller SPD: Aber Sie wissen, Herr Klein- mann, dass es zum Teil nur einzelne Klassen sind! – Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Dennoch ist „nichts“ bei mir eher null als 118 weniger 40.

Meine Damen und Herren, wir halten daran fest, dass dieser Ausbau – –

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Entschuldigung, Sie waren doch vier Jahre mit an der Regierung.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja!)

Was war denn damals los? Wo waren da die Ganztagsschulen? Von 1992 bis 1996 haben Sie mitregiert.

(Abg. Wintruff SPD: Auch da hat es die CDU ver- hindert!)

Jetzt sind wir mit in der Regierung, und seit 2000 sind 40 neue Ganztagsschulen geschaffen worden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Herren, gehen Sie einmal zur Nachhilfe in Mathematik.

(Abg. Wintruff SPD: Auch damals hat es die CDU verhindert! – Abg. Dr. Birk CDU: Kollege Klein- mann, mäßigen Sie sich!)

Herr Wintruff, wenn dem so ist – das glaube ich Ihnen ja gerne –,

(Heiterkeit – Abg. Carla Bregenzer SPD: Aus eige- ner Erfahrung!)

dann haben wir es jetzt erreicht, dass 40 Ganztagsschulen geschaffen wurden – was Sie nicht hinbekommen haben. Sehen Sie: Das ist der Unterschied zwischen Liberalen und SPD.

(Beifall bei der FDP/DVP – Oh-Rufe von der SPD)

Wir hatten Erfolg.

Meine Damen und Herren, wir halten daran fest, dass dieser Ausbau in enger Abstimmung mit dem Schulträger erfolgen muss, denn dieser muss sich auch finanziell beteiligen. Es versteht sich von selbst, dass dies auch im Zusammenhang steht mit der – noch nicht abgeschlossenen – grundsätzlichen Abstimmung mit der kommunalen Seite über die generelle Ausweitung von Betreuungsangeboten.

Das Land wird den hierzu erforderlichen Beitrag leisten. Die FDP/DVP legt allerdings größten Wert darauf, dass die vorgesehene Ausweitung schulischer Betreuungsangebote einschließlich solcher der Schulsozialarbeit in die verschiedenen Hortangebote und deren Förderung durch das Land eingepasst ist. Ich stehe aber ohne Wenn und Aber auch dazu, dass die Koalitionsvereinbarung über die Ausweitung des Angebots von Ganztagsschulen in anderen Schularten ausdrücklich – wie von Ihnen erwähnt, Herr Kollege Seimetz – die Bedingung nennt: „im Rahmen des finanziell Möglichen“. Wer den Eindruck erwecken will, die Debatte über mehr Ganztagsschulen außerhalb der Frage des gegenwärtig finanziell Möglichen führen zu können, wie Sie von der SPD und von den Grünen das gerade tun, macht nicht zuletzt sich selbst etwas vor.

Meine Damen und Herren, wer sich die in Baden-Württemberg und natürlich auch anderswo vorhandene Ganztagsschullandschaft konkret anschaut, muss sagen: Machen wir weiter so, schaffen wir noch einige neue Angebote. Ich glaube, mit diesem Konzept können wir gut leben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Ministerin Dr. Schavan.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um die Quintessenz vorwegzunehmen und den Konsens in diesem Haus zu erhöhen, bekenne auch ich mich gerne dazu, dass wir konsequent und über alle Bereiche hinweg unser Schulwesen im Rahmen der finanziellen

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Möglichkeiten weiterentwickeln und ausbauen müssen, auch wenn es um Betreuung und Ganztagsangebote geht. Darüber streitet in Wirklichkeit niemand mehr, weder in Baden-Württemberg noch sonst irgendwo.

(Abg. Zeller SPD: Herr Seimetz schon!)

Nein, auch Herr Seimetz nicht.

(Abg. Zeller SPD: Doch, doch!)

Da haben Sie nicht zugehört.

Der Konsens hört erstens auf bei der Bewertung dessen, was wir in Baden-Württemberg haben, zweitens bei der Bewertung dessen, wie Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern dasteht – ein beliebtes Spiel, das man gerne macht, auch heute –, und drittens möglicherweise auch – das wird sich im Laufe der Zeit dann zeigen – bei der Frage, wie wir weiterentwickeln. Zu allen drei Punkten will ich einige Informationen geben.

Erstens: Stand in Baden-Württemberg. Wir haben nicht nur – den Oktober 2001 nehme ich jetzt als Zeitpunkt – 118 Ganztagsschulen im Bereich der Hauptschulen. Wir haben darüber hinaus über 200 Ganztagsschulen im Sonderschulbereich, und wir haben neben den Horten Betreuung am Nachmittag – Stand Schuljahr 2000 – bereits an 239 Hauptschulen und an 108 Förderschulen. Wenn Sie nun das freiwillige Angebot an 239 Hauptschulen, 108 Förderschulen und 118 Ganztagsschulen zusammenzählen, stellen Sie fest, dass es bereits heute 465 Schulen im Land gibt, die ein Angebot am Nachmittag und auch pädagogische Angebote machen. Von „Schlusslicht“ kann also überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Zeller SPD: Natürlich!)

Daneben wurden quer durch alle Schularten hindurch, also nicht konzentriert auf Brennpunkt- oder Hauptschule, bereits im Schuljahr 2000 64 767 Lehrerwochenstunden für Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag investiert – übrigens neben dem schlichten Wort Betreuung die für Schülerinnen und Schüler attraktivere Variante, weil Sie Jugendliche nicht am Nachmittag betreuen können, sondern diese wollen ein vernünftiges Angebot haben.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Die wollen etwas tun, die wollen ihre Kompetenzen einsetzen.