Protocol of the Session on February 1, 2006

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber schwä- bisch wird dort auch gesprochen!)

Die Regierung stellt sich ihrer Verantwortung für das Gelingen von Integration. Als erstes Land haben wir vor fünf Jahren Integrationskurse für bleibeberechtigte Ausländer eingeführt. Wir haben in langwierigen Verhandlungen ein Modell für den islamischen Religionsunterricht an unseren Schulen entwickelt. Damit bieten wir den muslimischen Familien in unserem Land bei der religiösen Unterweisung ihrer Kinder eine Alternative zu den oft obskuren Angeboten mancher Koranschulen.

(Abg. Inge Utzt SPD: Das hat lange gedauert!)

Das Land unterstützt die Bestrebungen der islamischen Verbände, zukünftig auch Imame in Deutschland auszubilden. Gerade die Prediger sind wichtige Multiplikatoren. Wenn es gelingt, sie mit der deutschen Sprache und Kultur vertraut zu machen, können sie eine zentrale Vermittlerfunktion im Integrationsprozess wahrnehmen. Auch dies zeigt, dass Baden-Württemberg hier vorbildlich ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Eine wichtige Integrationsinstanz ist neben der Schule die Arbeitswelt. Wir alle wissen, dass Migranten sehr stark von Arbeitslosigkeit mit all ihren Folgen für ihre Familien betroffen sind. Deshalb ist eine Politik für mehr Arbeit auch eine Politik für gute Integration. Baden-Württemberg hat auf dem Arbeitsmarkt die beste Ausgangslage. Mit unserer

(Ministerpräsident Oettinger)

niedrigen Arbeitslosigkeit und unserer hohen Zahl von Ausbildungsplätzen leisten wir einen entscheidenden Beitrag dafür, dass auch über Ausbildung und Arbeit die Integration von ausländischen Mitbürgern in unsere Gesellschaft erfolgreich gelingen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Verehrte Kolleginnen und liebe Kollegen, diese Aufzählung unserer Maßnahmen könnte noch fortgesetzt werden. Ich denke aber, dass die genannten Schwerpunktprojekte genügen, um zu zeigen, dass wir unsere Aufgaben im Bereich der Integrationspolitik sehr ernst nehmen.

(Zuruf der Abg. Inge Utzt SPD)

Bei der Förderung der Integration steht die Regierung aber nicht allein. Integration geht uns alle an. Sie vollzieht sich in der Nachbarschaft, in der Schule, am Arbeitsplatz, in den Kirchengemeinden und in den Vereinen. Sie vollzieht sich im gesamten sozialen Bereich. Gerade der Sport leistet hier Vorbildliches. Ihm gilt mein Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich danke allen, die einen Beitrag dazu leisten, dass in unserem Land aus Fremden Freunde werden. Allen, die sich für eine „Willkommenskultur“ einsetzen, möchte ich hiermit Respekt und Dank zollen. Ich danke auch den Zuwanderern, die bereit sind, sich mit den Werten und der Kultur unseres Landes auseinander zu setzen und sie im Grunde genommen zu verinnerlichen, was ja der Auftrag der Einbürgerung ist.

Im Sinne einer solchen „Willkommenskultur“ stehe ich auch dem Gedanken, die Einbürgerung als einen feierlichen Akt zu gestalten, offen gegenüber. Derzeit findet Einbürgerung eher lieblos statt. Die Urkunde wird unterschrieben und überreicht. Ein Gelöbnis, ein Bekenntnis zu unserer Grundordnung, ein feierlicher Akt, wie er auch vom Kollegen Goll vorgeschlagen worden ist, wäre sowohl eine Aufwertung –

(Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

damit derjenige, der Deutscher wird, die Bedeutung dessen erkennt – als auch eine Möglichkeit, auch bei uns in allen Kreisen der Gesellschaft das Bewusstsein für die Einbürgerung entsprechend zu stärken.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Aber nochmals: Neben all diesen guten Beispielen dürfen wir nicht übersehen, dass es Fälle gibt, in denen Integration nicht gelingt: wegen bestehender Parallelgesellschaften und der damit verbundenen Abschottung, mangels deutscher Sprachkenntnisse oder mangels Akzeptanz der Grundwerte unserer Rechtsordnung. Diese Fälle wollen wir so früh wie möglich erkennen, und dafür brauchen wir den Gesprächsleitfaden.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Wo es zu Gesetzesverstößen kommt, wo die Entstehung rechtsfreier Räume droht, da werden wir auch in Zukunft mit polizeilichen Mitteln hart durchgreifen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn es erforderlich ist, werden wir handeln. Wir sind zur Anwendung von Recht und Gesetz in Baden-Württemberg ohne Einschränkung bereit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Integration ist nichts, was einmal erreicht und dann ein für allemal fertig ist. Integration will und muss immer neu erarbeitet werden,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

von Generation zu Generation, mit jeder Zuwanderung, mit jeder Frau, mit jedem Mann, mit jedem Kind.

Die klassische Umschreibung für das, was wir heute Patriotismus nennen, stammt von dem Historiker Ernest Renan. Auf die Frage, was eine Nation ist, hat er vor über 100 Jahren sinngemäß definiert: „Die Nation ist eine Angelegenheit, der man jeden Tag neu zustimmen muss.“

Dieser Auftrag gilt für jeden von uns. Wir alle – Einheimische wie Zuwanderer – müssen uns immer wieder aufs Neue auf die Grundwerte unserer Gesellschaft und die Grundlagen unseres gemeinsamen Lebens besinnen. Nur so kann Integration gelingen.

Deswegen sage ich: Die Regierung handelt richtig.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Jeden Tag einen Ge- sinnungstest! Dann stimmt das Zitat!)

Ich bin dankbar, dass die Mehrheit im Landtag dies genauso sieht.

(Anhaltender starker Beifall bei der CDU – Anhal- tender Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungserklärung hat das Präsidium eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Birzele das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer bei dem anspruchsvollen Titel der Regierungserklärung – „Integration fördern, Zusammenhalt stärken“ – die Vorstellung einer neuen Gesamtkonzeption für die Integration und die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft erwartete, der wurde bitter enttäuscht.

(Beifall bei der SPD)

Trotz einiger richtiger Ausführungen zu Anfang der Regierungserklärung soll die Regierungserklärung offensichtlich nur dazu dienen, den unseligen Einbürgerungsfragenkatalog zu rechtfertigen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Beispiele!)

Auch hier zeigt sich: Der Ministerpräsident erkennt viel zu spät Fehler seiner Regierung, nimmt Hinweise – auch von kirchlicher Seite – nicht ernst und handelt nicht zügig und nicht entschlossen.

(Beifall bei der SPD)

Richtigerweise hätte ein Satz von ihm genügt: „Der Erlass und der Gesprächsleitfaden des Innenministers werden aufgehoben.“

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Weil dieser teils dümmliche, teils diskriminierende, teils unverständliche Fragenkatalog,

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist kein Fragenkata- log!)

angeblich eine Hilfestellung für die Verwaltung, offensichtlich weiter angewandt werden soll – der Ministerpräsident hält ja alle Fragen für richtig –, muss ich mich zunächst leider damit beschäftigen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist kein Fragenkata- log!)

Vorab die Frage: Warum wurde dieser Katalog von Innenminister Rech überhaupt entwickelt und der Verwaltung vorgegeben? Der baden-württembergische FDP-Bundestagsabgeordnete Wolff hat dazu in der Debatte vom 19. Januar 2006 im Deutschen Bundestag die eindeutige Antwort gegeben, die CDU wolle sich im Vorfeld der Landtagswahlen damit profilieren. Also: Rubrik Wahlkampf.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Na also! – Abg. Teßmer SPD: Aha!)

Auch die polemischen Ausfälle des Ministerpräsidenten gegen die frühere Bundesregierung und die SPD weisen in diese Richtung. Offensichtlich will die CDU mit diesen demagogischen und zweifelhaften Methoden Wähler vom rechten Rand für sich mobilisieren.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU – Abg. Herrmann CDU: Das waren sachliche Fest- stellungen, keine unsachlichen! Falscher Redetext!)