Protocol of the Session on February 1, 2006

Von einer Stigmatisierung von Muslimen kann keine Rede sein.

(Zurufe der Abg. Drexler SPD und Theresia Bauer GRÜNE)

Allerdings müssen wir auch sehen, dass ein beträchtlicher Teil der Einbürgerungswilligen aus islamisch geprägten Ländern stammt. Etwa 60 % stammen aus Ländern, die islamisch geprägt sind.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Nach einer Umfrage des Islam-Archivs, also einer völlig unverdächtigen Quelle, vertreten über 20 % der in Deutschland lebenden Muslime die Auffassung, dass unser Grundgesetz mit dem Koran nicht vereinbar sei.

(Abg. Fleischer CDU: Hört, hört!)

Das Zentrum für Türkeistudien hat ermittelt, dass 47 % der türkischstämmigen Migranten die Sorge haben, sie würden sich zu stark an Deutschland und die Deutschen anpassen.

Diese Zahlen machen doch deutlich, dass hier ein Prüfungsauftrag vor der Einbürgerung berechtigt und notwendig ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Vor diesen Ergebnissen kann man nicht einfach die Augen verschließen, nur weil sie nicht in das eigene multikulturelle Weltbild passen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das hat doch damit nichts zu tun! Gleichbehandlung!)

Wir wollen und werden nicht dulden, dass mitten in Deutschland Zwangsheiraten stattfinden. Wir nehmen nicht hin, dass „Ehrenmorde“ verübt werden,

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

dass Frauen und Mädchen entmündigt und ihrer Zukunftschancen beraubt werden. Genau dort, wo dies Praxis ist, hat dies eine strafrechtliche Relevanz, und genau in solchen Fällen wird eine beantragte Einbürgerung in Baden-Württemberg nach einem Gespräch versagt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Einzelne Fragestellungen und Formulierungen aus dem Gesprächsleitfaden haben in den letzten Tagen zu Debatten geführt. Die Regierung geht dieser Debatte nicht aus dem Weg. Wir sind offen für Vorschläge, die zu einer Weiterentwicklung des Leitfadens beitragen können.

(Abg. Inge Utzt SPD: Warum haben Sie denn nicht auf die Fachleute gehört?)

Allerdings sollte für alle demokratischen Kräfte in unserem Land klar sein, dass wir auf das Einbürgerungsgespräch,

eine Handreichung, den Leitfaden, nicht verzichten. Er wird bei allen Ausländerbehörden in Baden-Württemberg, nachdem er mit ihnen abgestimmt ist, auch angewandt.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Warum nicht in Hes- sen und nicht in Bayern? – Gegenruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP: Da ist er nicht zuständig! – Abg. Fleischer CDU: Ein Blick ins Gesetz erhöht die Rechtskenntnis!)

Die Anwendung dieses Gesprächsleitfadens gilt auch für die Stadt Heidelberg. Wir werden es nicht hinnehmen, wenn die Stadt meint, einen Sonderweg gehen zu können.

(Abg. Dr. Birk CDU: Sehr gut!)

Die Einbürgerung von Ausländern ist keine Selbstverwaltungsangelegenheit der Stadt. Sie ist eine staatliche Pflichtaufgabe mit Weisungsrecht, und dieses Weisungsrecht wenden wir im konkreten Einzelfall auch an.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kretschmann GRÜNE: Sie ha- ben doch gerade gesagt, es sei nur eine Handrei- chung!)

Dass der Gesprächsleitfaden angewandt wird und dass die Gespräche geführt werden, gilt auch in Ulm und Freiburg. Wir sind ausdrücklich dankbar dafür, dass die große Mehrzahl der gewählten kommunalen Mandatsträger mit diesem Gesprächsleitfaden die entsprechenden Einbürgerungsgespräche führen und damit die Regierung und die Partnerschaft mit der Regierung ausdrücklich akzeptieren.

(Beifall bei der CDU)

Erlauben Sie mir dabei auch den Hinweis, dass ein Verfahren vergleichbarer Art auch in anderen Ländern praktiziert wird. Kanada, ein Einwanderungsland, verlangt als Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft unter anderem den Nachweis von Sprachkenntnissen und einen obligatorischen „Citizenship Test“. Es kommt auch zur mündlichen Befragung durch entsprechende Einbürgerungsgerichte. Kurzum: Wir machen in Baden-Württemberg nicht mehr und nicht weniger, als auch in anderen demokratischen Ländern beim Antrag auf Einwanderungsgenehmigung und Einbürgerung seit vielen Jahren erfolgreich praktiziert wird.

(Abg. Birzele SPD: Wird da auch nach Sexualität gefragt? – Lachen der Abg. Theresia Bauer GRÜ- NE)

Oder nehmen Sie Holland, von den Grünen und den Sozialdemokraten immer als Vorbild für Offenheit und Liberalität gepriesen. Dort wird zum 1. März dieses Jahres ein Sprachtest vorbereitet und ein Gesellschaftskundeexamen eingeführt.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das ist doch etwas ganz anderes! – Abg. Drexler SPD: Das kann man machen!)

Die Teilnahme an diesem Examen kostet einen hohen Eurobetrag. Selbst wenn man keine Einbürgerung anstrebt, ist man verpflichtet, Examen und Sprachtest zu absolvieren, wenn man als Ausländer längere Zeit dort leben will.

(Ministerpräsident Oettinger)

Beispiele anderer Länder zeigen: Wir sind mit unserem Gesprächsleitfaden auf dem richtigen Weg. Wir machen genau das, was das Bundesrecht vorgibt.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen wird der Gesprächsleitfaden in Baden-Württemberg auch in Zukunft angewandt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Integration ist für uns aber nicht nur eine Bringschuld der ausländischen Mitbürger, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe für die gesamte Gesellschaft. Es heißt für uns „fördern und fordern“, und dieser Aufgabe stellen wir uns. Das Land gibt im laufenden Jahr über 40 Millionen € für spezielle Integrationsmaßnahmen aus.

Dabei ist die Vermittlung von Sprachkenntnissen besonders bedeutsam. Sprache ist der Schlüssel zu einem Leben in der Gemeinschaft. Sie eröffnet Bildungschancen und Berufschancen, baut Brücken zu Nachbarn und Freunden. Deswegen unterstützen wir Kinder aus Migrantenfamilien bereits im Vorschulalter bei der Spracherlernung. Mit unseren Programmen für den Orientierungsplan für unsere Kindergärten nehmen wir mit der Sprachförderung eine wichtige Entwicklungschance wahr. Sie nimmt für uns einen zentralen Stellenwert bei der Kinder- und Jugendpolitik ein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Bisher macht das die Landesstif- tung!)

Mit dem gleichen Ziel hat die Landesstiftung die Sprachförderung für Fünfjährige aufgenommen. 11 000 Kinder werden dabei jährlich gefördert. Das Konzept „Schulreifes Kind“ erprobt Modelle für die pädagogische Förderung von Kindergartenkindern, deren Schulfähigkeit, auch aufgrund von Sprachproblemen, gefährdet ist. Kurzum: Wir fangen früh an. Für die Kleinen und Kleinsten schaffen wir Angebote, damit jedes Kind, egal welcher Herkunft, die Sprache erlernt und dadurch die Integration in den Schulprozess erleichtert und ermöglicht wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Leider sind viele Migrantenfamilien nicht bereit, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken. Deswegen erreichen wir sie nur schwer. Mein Appell an die Eltern und ihre Verantwortung: Verzichten Sie nicht auf die Integrationschancen, die der Kindergarten jedem Kind, auch Kindern mit Migrationshintergrund, bietet. Wenn man mit der Spracherlernung bis zum Einschulungsalter wartet, wird kostbare Zeit verschenkt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Die Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund zieht sich wie ein roter Faden durch die Bildungspläne für die Grundschule und die Hauptschule.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Machen Sie doch was! Wer regiert denn hier?)

Deswegen werden wir auch alles dafür tun, dass dort, wo die Eltern mitmachen, jedes Kind frühzeitig die deutsche Sprache erlernt und damit die Integration und die Vorbereitung für Schule und Beruf erfolgreich gestaltet werden können.

(Beifall bei der CDU)

Aber Schule ist mehr als Unterricht. Auch die Gespräche zwischen Schülern haben eine wichtige Funktion. Deswegen sehen wir mit Interesse, wie zum Beispiel in Berlin eine Realschule im Bezirk Wedding, nämlich die HerbertHoover-Realschule, eine Hausordnung erlassen hat, wonach auch auf dem Schulhof die deutsche Sprache zu sprechen ist, obwohl in dieser Schule 90 % ausländische Kinder sind. Ich halte dieses Projekt für interessant und lade uns alle zu einem offenen Dialog darüber ein. Ich kann mir vorstellen, dass wir in den nächsten Wochen im Rahmen eines runden Tisches mit Schüler- und Elternvertretern, Lehrerverbänden, den kommunalen Partnern, den Kirchen, mit Migrantenvertretern und den Fraktionen des Landtags die Frage besprechen,

(Abg. Drexler SPD: Schon wieder? – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

ob eine entsprechende Hausordnung, nach der die deutsche Sprache auch außerhalb des Unterrichts in der Pause auf dem Schulhof gesprochen werden soll, auch bei uns richtig wäre. Ich biete dazu allen Fraktionen und auch den Partnern außerhalb des Landtags das Gespräch darüber an.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber schwä- bisch wird dort auch gesprochen!)