Protocol of the Session on February 1, 2006

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Das Wort erhält Frau Abg. Weckenmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen uns ja heute noch darüber auseinander setzen, was wir für eine bessere Erwerbsbeteiligung tun müssen; aber was die Kollegin Berroth gesagt hat, ist an Ignoranz nicht zu überbieten. Sie müssen einfach wissen, dass Sie heute einen Arbeitnehmer ab 50 Jahren ohne sachlichen Grund uneingeschränkt befristet beschäftigen können.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Mit einer be- fristeten Beschäftigung ist dem doch nicht gehol- fen!)

Da ist überhaupt keine Alterssicherung da. Eine Alterssicherung gibt es lediglich in der Metallindustrie. Sie werden es wirklich nie lernen.

Wir müssen als Politiker zwei Dinge machen. Das wissen wir auch. Wir müssen die Anreize, frühzeitig aus dem Erwerbsleben auszusteigen, beseitigen. Da kann man jetzt schon Fragen stellen. Frau Berroth, 1987 hat die FDP zusammen mit der CDU die Anreize ausgebaut. Nur Sie waren das und niemand sonst. 1998 hat die damalige SPD-geführte rot-grüne Bundesregierung gehandelt. Das Renteneintrittsalter ist in der Zeit von 1998 bis 2004 auf 63,1 Jahre, also um ein Jahr gestiegen. Die Erwerbstätigenquote bei den 55-Jährigen und Älteren ist von 1998 bis 2004 auf 42 % gestiegen. Da hat es eindeutige Veränderungen gegeben. Auch beim Bezug des Arbeitslosengelds wurde alles

verändert. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Dennoch ist unsere Erwerbstätigenquote nach wie vor zu niedrig.

Jetzt will ich noch einmal sagen – ich habe es schon vorhin gesagt –: Es gibt zwei Bereiche, in denen wir etwas tun müssen. Dem öffentlichen Bewusstsein hat Ministerpräsident Oettinger einen Bärendienst erwiesen.

(Große Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Einen Moment, bitte, Frau Weckenmann. – Meine Damen und Herren, ich bitte um mehr Ruhe, damit die Rednerin verstanden werden kann. Ist der Lautsprecher nicht eingeschaltet?

(Zurufe: Doch!)

Also: Oettinger, öffentliches Bewusstsein: Bärendienst.

Jetzt schauen wir den zweiten Bereich an – mein Kollege Schmiedel hat es vorhin gesagt –: Daimler entlässt 6 000 Beschäftigte und nimmt dazu noch 2 Milliarden € in die Hand. Was glauben Sie, wer da in erster Linie gehen wird? Das sind doch natürlich die Älteren.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es stimmt, dass Sie „natürlich“ sagen!)

Da hätte ich schon auch gerne vom Ministerpräsidenten einmal nicht nur ein Wort des Verständnisses gehört,

(Abg. Fleischer CDU: Gestern hat Oettinger das Thema als Erster promoviert! Das war die richtige Richtung!)

sondern auch gern ein Wort dazu, dass es Probleme bei unserer anderen Strategie gibt, Ältere im Erwerbsleben zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Professor Schmid aus Tübingen hat noch einmal gefragt, Herr Pfister, was wir tun müssen. Er hat gesagt: Qualifizierungssysteme einrichten und fördern, und der öffentliche Sektor müsse als Vorbild vorangehen. Das tut er nicht, und eingerichtet wird auch nichts. 3,5 % der Arbeitskräfte über 50 Jahre nehmen in Deutschland an Fortbildungen teil, in Schweden sind es 35 %. Damit – jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Schuhmacher – lässt sich der Strukturwandel natürlich nicht bewältigen. Was wir brauchen, ist ein Bündnis für Weiterbildung in den Betrieben. Da kann ich nur sagen: à la bonne heure an die Metallindustrie und die IG Metall, die einen Qualifizierungsvertrag vereinbart haben. Aber sonst passiert nichts.

Und im Land, Herr Minister, wird es natürlich schon sehr eng. Im Land machen Sie genau das Gleiche. Seit 1996 haben Sie die Mittel für die öffentliche Weiterbildung halbiert. Wir haben hier über die Kürzung bei den Abendgymnasien – das betrifft die berufliche Weiterbildung – gestritten.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Mehr Schüler als vorher!)

Nein, es ist bei den Kürzungen geblieben. Bei der Volkshochschule liegt der Anteil der öffentlichen Mittel in Ba

den-Württemberg bei 6,6 %, bundesweit bei 15 %. Herr Minister, wo sind Sie denn da? Ich höre da nie etwas von Ihnen.

Wir schlagen vor, von den Mehreinnahmen des Landes aufgrund der steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung 90 % zur Reduzierung der Schuldenaufnahme zu verwenden, aber von den restlichen 10 % fünf Jahre lang 25 Millionen € in die „Weiterbildung on the job“ zu investieren. Wir müssen da etwas machen. Wir können die Älteren nicht allein auf die Betriebe verweisen, die das nicht allein stemmen, wie gerade die kleinen und mittleren Betriebe. Wir brauchen natürlich Beschäftigungsangebote für Ältere. Dazu frage ich das Land als Vorreiter im öffentlichen Dienst: Wie ist es denn mit der Altersteilzeit – nicht als Blockfreizeit, sondern wirklich als Teilzeit –, um für Jüngere einen Einstellungskorridor zu erhalten? Da könnten wir doch einmal Vorreiter sein. Da müssten wir etwas machen.

Herr Pfister, ich habe von Ihnen auch kein Wort zu einem Beschäftigungspakt gehört. Der Bund hat 250 Millionen € für einen Beschäftigungspakt für Ältere zur Verfügung gestellt. Von 62 ausgewählten Vorschlägen kommen drei aus Baden-Württemberg. Wieso sind wir da so knapp dabei? Das ist doch Geld, das wir brauchen könnten.

Vielleicht müssten wir uns in diesem Haus zusammen auch darüber verständigen, dass es für einen Teil der älteren Arbeitslosen – für einen kleinen, aber wichtigen Teil – auch zur Ehrlichkeit gehört, dass wir uns für eine dauerhaft geförderte Beschäftigung für diesen Bereich aussprechen müssen. Auch hierzu habe ich von Ihnen, Herr Ministerpräsident, nichts gehört. Diese Personen werden mit der betrieblichen Weiterbildung nicht weiterkommen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Sie müssen hören wollen!)

Bevor ich weiter das Wort erteile, will ich Ihnen, meine Damen und Herren, mitteilen, dass auf der Zuhörertribüne inzwischen der neue italienische Generalkonsul in Stuttgart, Herr Dr. Faiti Salvadori, Platz genommen hat.

(Beifall im ganzen Haus)

Herr Dr. Salvadori, der schon in den Achtzigerjahren als Konsul in Freiburg tätig war, hat am 9. Dezember 2005 die Nachfolge von Herrn Dr. Musella als Leiter des italienischen Generalkonsulats angetreten.

Herr Generalkonsul, ich darf Sie hier im Plenum des Landtags von Baden-Württemberg sehr herzlich willkommen heißen und Ihnen eine erfolgreiche Amtszeit in unserem Land wünschen.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte, die wir gerade mitverfolgen durften, hat eindeutig gezeigt, was ich eingangs gesagt habe: dass die Weiterbildung diese Landesregierung und auch die CDU- und die FDP/DVP-Fraktion überhaupt nicht interessiert.

(Lachen des Abg. Fleischer CDU – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Das stimmt doch nicht! – Zuruf des Abg. Dr. Scheffold CDU)

Es wird zwar konstatiert, dass man Fachkräfte mit der Lupe suchen muss, dass wir uns diese Entwicklung nicht leisten können, dass die Wirtschaft mehr Verantwortung übernehmen muss, aber darüber, was die Landesregierung hier tun soll, sind nur ganz wenige Worte gefallen,

(Abg. Fleischer CDU: Wer hat Ihnen den Unfug aufgeschrieben? – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Freie Rede!)

und die waren doch sehr allgemein. Von Taten haben wir überhaupt nichts gehört.

Mit Ihrer Aussage, für die Weiterbildung sei der Staat nicht zuständig, machen Sie es sich wirklich zu einfach, Herr Minister Pfister. Denn im Bereich der Weiterbildung gibt es durchaus Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten dieser Landesregierung. Ein erster Vorschlag unsererseits, den wir schon vor längerem gemacht haben, ist, das Kompetenzgerangel, das es bei den unterschiedlichen Zuständigkeiten gibt – nämlich Kultusministerium, Wirtschaftsministerium und Sozialministerium; Letzteres ist ja auch für Arbeit zuständig –, zu beenden und die Zuständigkeit für Weiterbildung in e i n e m Ministerium zu bündeln. Das ist bis heute leider nicht geschehen. Das Resultat sehen wir an der mageren Bilanz, die Sie in diesem Bereich vorzuweisen haben.

Zweiter Punkt: Qualitätssicherung und Transparenz. Auch hier ist nichts passiert, außer dass es jetzt eine Homepage zum Thema Weiterbildung gibt.

Der dritte Punkt – er hat auch in der Enquetekommission eine große Rolle gespielt – ist das Thema Bildungsberatung. Es ist völlig klar, dass es auf dem Bildungssektor mehr Beratungsbedarf gibt: Wie kann ich meine beruflichen Perspektiven weiterentwickeln? Wie muss ich meine Bildungsbiografie gestalten? Entsprechende Initiativen sowie ein Antrag unserer Fraktion, den es dazu gab, sind von Ihnen abgelehnt worden.

Klar ist, dass wir ein Netzwerk „Zweite Chance“ brauchen. Wenn gering qualifizierte Leute ohne Schul- oder Ausbildungsabschluss keine Chancen mehr haben, dann müssen wir Chancen schaffen. Ihr Beschluss, die Mittel für den zweiten Bildungsweg zu kürzen, der zu einer Erhöhung der Teilnehmerbeiträge führt, ist genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Wir brauchen ein Netzwerk „Zweite Chance“.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Ein weiterer Punkt: Es ist nachgewiesen, dass diejenigen, die ein schlechtes Bildungsfundament haben, die also keinen Schulabschluss haben – immerhin 10 % eines Jahrgangs verlassen die Schule ohne Abschluss –, die Defizite haben, es auf dem Arbeitsmarkt sehr schwer haben. Die Arbeitslosigkeit ist bei dieser Gruppe überdurchschnittlich hoch – nämlich um 20 % –, und es ist sehr schwer, diese Gruppe zu erreichen. Es geht mir nicht darum, dass die Landesregierung jetzt die betriebliche Weiterbildung über

nehmen solle. Vielmehr ist die Landesregierung in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die bislang zu wenig an Bildung partizipiert haben, das nachholen können und Chancen erhalten, im Arbeitsprozess drinzubleiben und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Da ist leider nichts passiert. Das halte ich für ein Armutszeugnis dieser Landesregierung.

Ich komme zum Schluss. Wir müssen also als Fazit lebenslanges Lernen tatsächlich als Zukunftsaufgabe begreifen. Das heißt aber: Man muss etwas tun und darf nicht nur darüber reden. Ich habe Ihnen aufgeführt, welche Punkte das unseres Erachtens sein müssen. Es beginnt mit der frühkindlichen Bildung und reicht bis in das hohe Alter. Die Bilanz der Landesregierung ist hier denkbar schlecht. Es fehlen Impulse, Anregungen und Konzepte. Es wird höchste Zeit, dass hier ein frischer Wind weht und dass neue Ideen kommen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte ist damit beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Zustimmung des Landtags zur Berufung von Frau Dr. Monika Stolz MdL zur Ministerin für Arbeit und Soziales