Herr Kollege Dr. Noll, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Begriff „nachlaufende Studiengebühren“ faktisch falsch ist, weil es keine nachlaufenden Studiengebühren, sondern allgemeine Studiengebühren sind? Die Studierenden müssen die Gebühren sofort bezahlen und bekommen gnädigerweise das Angebot eines Kredits. Nachlaufende Studiengebühren sind international immer so gestaltet, dass sie nach dem Studium zu zahlen sind, und zwar nicht über einen Kredit.
weil jeder tatsächlich das Recht hat, ohne Bonitätsprüfung und ohne irgendwelche sonstigen Voraussetzungen diesen Kredit zu erhalten, und weil die Rückzahlpflicht erst dann beginnt – das bitte ich jetzt auch noch einmal zu sehen –, wenn ein entsprechendes Einkommen erzielt wird. Das ist überhaupt keine Frage. Sie können mit dafür sorgen, dass das Nettoeinkommen, wenn nicht laufend noch höhere Steuern von den Leuten verlangt werden, nicht zu sehr absinkt. Das ist überhaupt keine Frage.
Herr Kollege Noll, es liegt eine weitere Zwischenfrage vor, und zwar des Herrn Abg. Gustav-Adolf Haas.
An einem Punkt haben wir insbesondere auf das Thema Familienfreundlichkeit Rücksicht genommen. Noch einmal: Wenn der Studierende Familie mit Kindern hat, wird das ja auch im Steuerrecht berücksichtigt. Dann fängt eben die Rückzahlpflicht entsprechend sehr viel später an. Aber was
uns wichtig war – darum sage ich es hier noch einmal – und worauf wir schon gedrängt haben, ist, dass das Recht auf den Kredit ohne Bonitätsprüfung nicht auf das Höchstalter von 35 Jahren begrenzt worden ist. Wir haben gesagt, dass möglicherweise, egal ob Mann oder Frau – wahrscheinlich wird es eher Frauen betreffen –, durch die Familienphase der Studienabschluss erst später erfolgt. Deswegen waren wir gemeinsam bereit, diese Grenze auf 40 Jahre heraufzusetzen, sodass also nicht bei 35 Jahren Schluss ist.
Herr Kollege Dr. Noll, ist Ihnen wirklich unbekannt, dass eine große Zahl von Universitätsabsolventen, die zum Beispiel Forstwissenschaft oder Soziologie studiert haben, häufig auch mit einem Prädikatsexamen nach dem Studium in die Arbeitslosigkeit entlassen werden? Wie gehen Sie mit diesem Zustand um?
Derjenige, der arbeitslos ist, zahlt dann keine Studiengebühren zurück. Herr Minister Frankenberg hat doch ganz deutlich klar gemacht, dass statistisch gesehen Akademiker einen deutlichen Vorsprung beim zu erwartenden Einkommen und ein deutlich geringeres Risiko der Arbeitslosigkeit haben. Wenn sie arbeitslos sind, müssen sie ja nicht zurückbezahlen. Das beinhaltet doch der Begriff „nachlaufend“. Erst dann, wenn ein entsprechendes Einkommen vorhanden ist, wird bezahlt. So schwer kann das doch im Grunde genommen nicht zu verstehen sein.
Jetzt noch zu dem Thema der Differenzierung. Da ist vielleicht etwas missverständlich rübergekommen.
Wir haben in der Tat bei der Beratung des Gesetzentwurfs darauf Wert gelegt, dass wir im Sinne von mehr Kundenorientierung, mehr Wettbewerb differenzierte Gebühren zwischen den Universitäten, aber auch zwischen den einzelnen Fakultäten zulassen wollen. Da braucht man sich jetzt nicht so furchtbar aufzuregen. Es steht nämlich in der Gesetzesbegründung,
dass wir prüfen werden, inwiefern Differenzierungen möglich sind. Da greifen Sie immer wieder den Höchstbetrag heraus. Differenzierung heißt für uns natürlich auch: Differenzierung nach unten. Nach unseren Vorstellungen wäre es denkbar, dass man eine Bandbreite vorgibt zwischen Mindestgebühr und Höchstgebühr, um Überforderungen zu vermeiden. Das haben Sie also bewusst missverstanden. Es ist keine Forderung nach Erhöhung dieser 500 €, sondern Differenzierung, um damit mehr Wettbewerb zuzulassen. Damit möchte ich das Thema abschließen.
Ich fürchte, wir werden Sie nicht überzeugen können, weil Sie schlicht und einfach Argumente nicht wahrnehmen.
Ich behaupte, die nachlaufende Studiengebühr, wie sie in diesem Modell auf den Weg gebracht ist, ist eine soziale Tat insofern, als diejenigen, die etwas mehr Chancen vom Steuerzahler bekommen, aufgefordert sind, einen Teil davon an die Gesellschaft und an nachfolgende Generationen zurückzugeben. Theoretisch nicken immer alle dazu, aber wenn es praktisch wird und es an gewisse Privilegien geht, dann versucht jeder, diese Privilegien für sich zu behalten. Es ist bedauerlich, wenn ausgerechnet die Sozialdemokraten solche Privilegien verteidigen wollen und nicht einsehen, dass derjenige, der bessere Chancen erhalten hat, dafür in einem gewissen Maß in die Pflicht genommen wird, dass er auch für künftige Generationen diese Chancen schafft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde gefragt, wie lange ich studiert habe: elf Semester, davon ein Auslandssemester. Ich bin aber noch unter 40, deswegen auf dem Weg zum Höhepunkt meiner geistigen Leistungskraft
und erlaube mir noch eine Bemerkung, die auf den Kollegen Wichmann zurückgeht. Herr Kollege Wichmann hat gesagt, er habe den Eindruck, die Grünen hätten sich von den Hausbesetzern zu den Hausbesitzern gewandelt.
Ich bekenne, dass ich schon als Student im fünften Semester klar und deutlich – da habe ich kein Haus besessen, ich habe auch keines besetzt, sondern war einfach nur Student in Miete – gesagt habe: Ich bin für nachlaufende Studiengebühren. An dieser Auffassung hat sich bei mir nichts geändert.
Jetzt gestehe ich Ihnen zu: Bei grundsätzlicher Betrachtung im Hinblick auf Gerechtigkeitsfragen kann man für und gegen Studiengebühren sein.
Man kann Ihren Standpunkt einnehmen und sagen: Bildung ist keine Ware. Ich finde, das ist ein sehr ehrenwerter Standpunkt. Ich finde es gut, dass in diesem Haus jemand diesen Standpunkt vertritt. Andererseits kann man, wenn man die Wirklichkeit betrachtet, aber auch sagen: Solange vor allem die materiell Bessergestellten ihren Kindern das
Studium ermöglichen, ist es faktisch eine Robin-Hood-Tat, denen in den Geldbeutel zu greifen und sie dafür, dass ihre Kinder studieren können, in bestimmtem Umfang bezahlen zu lassen. Auch das ist eine Gerechtigkeitsbetrachtung.
Deshalb habe ich als Student gesagt: Unter den derzeit herrschenden sozialen Verhältnissen – die wir gemeinsam zu verändern trachten; da sind wir auf einer Seite – halte ich es für mich selbst für ungerecht – ich fühle mich privilegiert –, dass der Meister bezahlen muss und ich umsonst studieren kann,
dass die Krankenschwester Steuern bezahlt, während ich ein schönes Leben an der Universität habe. Ich habe mich immer über die Kommilitoninnen und Kommilitonen geärgert, die gesagt haben: Die Lebenshaltungskosten im Studium sind so hoch, und ich verzichte währenddessen auf Einkommen. „Wenn das alles so schlimm ist“, habe ich immer gefragt, „wieso seid ihr dann hier?“
Tatsache ist doch: Es ist ein toller Lebensabschnitt, man lernt etwas in dieser Zeit, man lernt oft die Frau oder den Mann kennen. Die Universität ist der größte Heiratsvermittler. Das Studieren ist einer der schönsten Lebensabschnitte und keine Strafe. Deswegen halte ich dieses Lamentieren einfach für weinerlich.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Das ist nicht frauen- feindlich! – Glocke des Präsidenten)