Protocol of the Session on November 10, 2005

Wir wissen jetzt noch nicht genau, was in der großen Koalition zum Thema Arbeitsmarktpolitik beschlossen wird. Man hört immer wieder einzelne Teile. Klar ist: Die Mehrwertsteuer soll wohl um drei Prozentpunkte erhöht werden. Aber die Lohnnebenkosten sollen nicht im gleichen Umfang gesenkt werden. Ich habe in der vorherigen Debatte gesagt, dass auch der Ministerpräsident versprochen hat, dass die Mehreinnahmen aus einer Erhöhung der Mehrwertsteuer in die Senkung der Lohnnebenkosten gehen müssen.

Insbesondere muss man die Beschäftigten im unteren Einkommenssegment berücksichtigen, die weniger gut Qualifizierten und die Unqualifizierten, weil wir wissen, dass hier die größten arbeitsmarktpolitischen Probleme liegen. Insofern möchte ich an Sie appellieren, dies nicht zu vergessen.

Im Gespräch ist auch, bei der Arbeitslosenversicherung einzusparen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass das zulasten der aktiven und der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik geht. Wir möchten noch einmal eindrücklich an die Kollegen der CDU appellieren – –

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals zu verlegen.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Wir möchten gerne, dass auch die CDU diesen Appell hört. Es gab eine Kommission auf Bundesebene zur Finanzierung des lebenslangen Lernens. Aus dieser Kommission wissen wir, dass diese bildungs- und weiterbildungsfernen Zielgruppen sehr schwer zu erreichen sind und dass Maßnahmen, die über die Arbeitsagentur laufen, oftmals der einzige Weg sind.

Deshalb möchten wir vor Kürzungen bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen eindringlich warnen. Ich würde es für einen sehr großen Fehler halten, gerade bei der Gruppe, die besonders von Arbeitslosigkeit bedroht ist, zu kürzen.

Der Gesetzentwurf ist in weiten Teilen unstrittig, und wir bitten Sie, § 4 Abs. 2 zum Thema „Konsultation der Kommunen“ noch einmal zu überprüfen.

Danke schön.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch und Renate Rastät- ter GRÜNE)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Erste Beratung des Gesetzentwurfs Drucksache13/4716 beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. – Sie stimmen dem zu, es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung beendet.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgesetzes – Drucksache 13/4732

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfisterer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Baden-Württemberg ist das Hochschulland Nummer 1. Und heute schreiben wir mit der geplanten Änderung des Landeshochschulgesetzes hinsichtlich des Hochschulzugangs für Berufstätige unsere Hochschulerfolgsgeschichte fort.

Worum geht es? Die Regierungsfraktionen CDU und FDP/ DVP wollen erreichen, dass Berufstätige ohne Hochschulzugangsberechtigung, aber mit Meisterabschluss oder mit einem gleichwertigen Abschluss studieren können.

Ich darf diesbezüglich aus dem Abschlussbericht der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Thema „Hochschulzu

gang für Berufstätige“ einige Sätze zitieren, die ich mit Nachdruck unterstütze:

Die Möglichkeiten für Berufstätige, nach der Ausbildung oder einer längeren Berufsphase eine hochschulische Ausbildung zu absolvieren, gewinnen in einer zunehmend wissensorientierten Gesellschaft und unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens zunehmend an Bedeutung. Der Zugang zu einem Hochschulstudium setzt nach § 27 HRG den Nachweis der für das Studium erforderlichen Qualifikation, die Hochschulzugangsberechtigung, voraus. Das baden-württembergische Bildungssystem ermöglicht den Zugang zu hochschulischer … Bildung in vielfältiger Weise …

Aber um der Durchlässigkeit von beruflicher, schulischer und hochschulischer Bildung Rechnung zu tragen, muss eben mehr geschehen.

Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt der Diskussion stand für uns insbesondere folgende Frage: Muss bei Berufstätigen mit Meisterabschluss bzw. bei besonders qualifizierten Berufstätigen eine Eignungsprüfung vor der Aufnahme eines Studiums durchgeführt werden? Die Arbeitsgruppe, der ich an dieser Stelle herzlich danke, hat sich in einer umfassenden Bestandsaufnahme mit der bestehenden Eignungsprüfung auseinander gesetzt. Sie hat sich dabei viel Mühe gemacht und hat eine entsprechende Aufstellung ausgearbeitet, die die unterschiedlichen Zugangsberechtigungen in der Bundesrepublik aufzeigt. Es wurde festgestellt, dass jedes Land seinen eigenen Weg geht.

Status quo ist: Viele Länder regeln die Zugangsberechtigung über eine Eignungsprüfung; andere wiederum sagen: Der Meisterbrief reicht aus. Es gibt also verschiedene Möglichkeiten. In Baden-Württemberg wollen wir die Regelung: Der Meisterbrief reicht aus, wenn der Berufstätige im eigenen Fachbereich studiert, und eine Eignungsprüfung ist dann notwendig, wenn er in einem anderen Fach studieren will, weil hierfür die Voraussetzungen eben nicht vorliegen.

Logischerweise haben wir von der Wirtschaft viele Vorschläge bekommen. Es geht uns darum, zu berücksichtigen, dass qualifizierte Berufstätige diesen neuen Weg gehen können. Die Wirtschaft sagt, die Abnahme von Zugangsprüfungen durch die Hochschulen selbst ist grundsätzlich zu begrüßen. Dies muss aber für alle Studienbewerber gelten. Solange Abiturienten ohne eine Eignungsprüfung zugelassen werden, ist es nicht hinnehmbar, dass sich qualifizierte Berufstätige einer solchen Prüfung unterziehen müssen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wer seine Meisterprüfung gemacht hat, ist einen schwierigen und langen Weg gegangen und hat eine hohe Ausbildungsqualifikation erworben.

(Beifall der Abg. Sakellariou SPD und Fleischer CDU)

Danke sehr, Kollege.

Es geht eben darum, das notwendige politische Signal zu senden, damit sich die Hochschulen für einen „beruflichen“

Bildungsweg öffnen, sodass man einen neuen Ausbildungsweg wählen kann.

Logischerweise wollten die Verbände sogar eine weiter reichende Lösung. Aber hier muss man eben differenzieren zwischen der Qualifikation, die man im eigenen Bereich erwerben will, und einem Zusatzstudium. Wir haben vielseitige Gespräche geführt – im Arbeitskreis, in der Fraktion, mit den beteiligten Ministern und dem Ministerpräsidenten, dem Handwerk und den Wirtschaftsverbänden – und legen heute einen Gesetzentwurf vor.

Gleichzeitig sagen wir, dass wir stets offen für weitere Vorschläge sind. Wir kommen auch weiteren guten Ideen in der Umsetzung nach.

Meine Damen und Herren, für die Hochschulen ist es eben auch wichtig, dass die Studienanfänger studierfähig sind und die Anforderungen des Studiums kennen. Aus diesem Grunde haben wir die besagte Differenzierung vorgenommen.

Meine Damen und Herren, aufgrund der fortgeschrittenen Zeit möchte ich mich kurz fassen und dafür plädieren, dass Studienbewerber mit Meisterabschluss oder gleichwertigem Abschluss ohne besondere Eignungsprüfung und unabhängig von der Note in ihrer Meisterprüfung einen affinen Studiengang wählen können. Der Hochschulzugang für Berufstätige wird dadurch erleichtert und sinnvoller gestaltet. Auf diese Art und Weise wird ein neuer Zugang mit wenig Bürokratie geschaffen.

Es wird nun keinen Massenansturm auf die Universitäten geben, weil der Kreis derer, die hier infrage kommen, klein, hoch qualifiziert, aber gleichzeitig hoch motiviert ist. Man sollte ihm die Chance geben, diesen neuen Weg zu gehen.

Wie heißt es bei Benjamin Franklin? „Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“ Demzufolge wollen wir diesen neuen Studienweg für den Bereich der Meister öffnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Schmidt-Kühner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Pfisterer, nachdem ich Ihre Rede gerade eben gehört habe, muss ich mich wirklich fragen, ob wir vor den Sommerferien nicht in diesem Plenum gesessen sind und diese Frage noch nie diskutiert haben. Sie tun gerade so, als wenn das, was jetzt an Erkenntnissen gekommen ist, etwas völlig Neues wäre. Im Gegenteil: Das ist eine völlig alte Angelegenheit.

Vor den Sommerferien haben wir in diesem Hause zwei Gesetzentwürfe diskutiert, einen von meiner Fraktion und einen von der Fraktion GRÜNE, beide zu dem Thema „Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ohne Abitur“. Wir haben das Thema im letzten Jahr, als das Hochschulgesetz novelliert worden ist, im Ausschuss diskutiert. Das ist also überhaupt keine neue Angelegenheit.

(Abg. Pfisterer CDU: Aber es gab Einigkeit darü- ber, die Arbeitsgruppenergebnisse abzuwarten!)

Sie haben in Ihrer Rede heute so getan, als wenn das alles völlig neue Erkenntnisse wären; das sind aber keine neuen Erkenntnisse.

Wenn wir heute feststellen, dass Sie als Regierungsfraktionen jetzt endlich auch einmal einen Gesetzentwurf vorlegen, der den Zugang für Meister, für Fachwirte und ähnlich Qualifizierte regelt, dann können wir als Fraktionen, die schon seit Jahren an diesem Thema arbeiten, nur sagen: Endlich sind Sie einmal so weit, und wir können Sie nur willkommen heißen in dem Klub derjenigen, die das schon jahrelang befürworten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie haben gewiss Recht, wenn Sie sagen: Wenn die Hochschulen für Meister, also für Menschen, die durch eine Berufsausbildung und die entsprechende Praxis eine hohe Qualifikation erworben haben, geöffnet werden, dann wird es dadurch keinen Massenandrang an den Hochschulen geben. Diese Darstellung ist völlig richtig.

Aber die Menschen, die diese neue Hochschulmöglichkeit nutzen werden, sind ein Beispiel für Durchlässigkeit und für Motivation, und sie werden Vorbilder dafür sein, dass Berufsausbildung keine Einbahnstraße ist. Sie werden auch aufzeigen, dass ein lebenslanges Lernen eine gute und wichtige Sache ist und in allen Bildungsbereichen erfolgen muss. Das ist eine gute Angelegenheit.

(Beifall bei der SPD)

Das bisherige System der Eignungsprüfung war doch ein absolut verstopftes Loch, wenn man das so sagen kann. Nehmen Sie doch einmal die Zahl derjenigen, die in den letzten Jahren nach bestandener Eingangsprüfung überhaupt ein Studium angefangen haben – die Zahlen stammen aus dem Bericht der Landesregierung –: 2003 begannen sieben Personen und 2004 begannen zwei Personen ein Studium. Das ist also wirklich ein absolut minimalistischer Wert, das ist ja schon das Minimum des Minimums, was aufgrund dieser Ausgrenzung, die es bis jetzt gegeben hat, tatsächlich an die Hochschulen durchgekommen ist.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Eine Schande! Ein Armutszeugnis! Aber nicht für die Leute, sondern für das System!)