Protocol of the Session on October 24, 2001

(Abg. Drexler SPD: Wie lange wollen Sie noch warten?)

Fünftens fordern wir alle, die daran beteiligt sind, auf, parallel dazu vertrauensbildende Maßnahmen zügig voranzutreiben. Wir sind es der Bevölkerung schuldig, dass wir eine sichere Energieversorgung im Land haben.

(Abg. Fischer SPD: Dass wir sie anlügen!)

Durch konsequente Umsetzung wird sich die leistungsfähige Landesregierung beweisen.

(Lachen bei der SPD)

Die Einsetzung der Task-Force ist ein wichtiger Schritt hierzu.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erhält der Minister für Umwelt und Verkehr, Herr Müller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Aktuellen Debatte äußere ich mich heute zu einer Reihe von Sachfragen und zu politischen Bewertungen auf der Basis der vorliegenden Sachanträge. Zu dem Entlassungsantrag, den Sie, Herr Kollege Drexler, gestellt haben, äußere ich mich nicht direkt. Dazu habe ich ohnehin meine eigene Meinung.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit – Abg. Drexler SPD: Das ist schön! – Zuruf von der SPD: We- nigstens dazu!)

Auf die zahlreichen Informationen gegenüber der Presse und gegenüber dem Ausschuss für Umwelt und Verkehr und auch auf die Antworten, die wir noch rechtzeitig zur heutigen Sitzung vorgelegt haben, möchte ich aufmerksam machen, ohne dass ich auf sie jetzt im Einzelnen eingehen kann. Sie sind nur teilweise Gegenstand meiner Ausführungen.

Im Übrigen möchte ich eine Art Regiebemerkung vorab machen: Sozusagen zur Feier des Tages weiche ich einmal von zwei Prinzipien ab, die sonst bei mir immer gelten: Ich werde mich relativ stark an mein Manuskript halten und möchte heute keine Zwischenfragen zulassen.

Bei dem, was ich sagen möchte, gliedere ich meine Gedanken in drei Teile: in einige grundsätzliche Botschaften zu den Regeln der Atomaufsicht, einige – genauer gesagt, drei – detaillierte Informationen zu bestimmten Phasen des ganzen Prozesses, und dann will ich noch drei relativ pointierte Aussagen zur politischen Auseinandersetzung machen.

Ich habe diese Punkte nach dem Verlauf der Debatte der letzten Wochen ausgewählt. Dabei ist mir eines aufgefallen: dass erstaunlich wenig von den eigentlichen Dingen die Rede war, aber relativ viel von Schuldzuweisungen und politischen Ränkespielen.

Ich nehme ein Beispiel, Herr Kollege Drexler: Sie haben gerade vorhin gefragt, wann ich die Information bekommen hätte. Meine Güte, dass das überhaupt einer Erwähnung wert ist! Ich kann das aber ganz einfach auflösen.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Können Sie ein bisschen lauter reden?)

Ich habe die Information in der Tat aus dem Internet – was immer es war, eine Presseäußerung des BMU – am Freitagabend, dem 28. September, erhalten, und Herr Dr. Keil hat mich am 2. Oktober informiert.

(Abg. Drexler SPD: Na also!)

Na also! Wo ist das Problem?

(Abg. Drexler SPD: Herr Dr. Keil hat im Aus- schuss etwas ganz anderes gesagt! Lesen Sie das Protokoll!)

Nein, Herr Drexler, nein!

(Abg. Drexler SPD: Doch! Ich lese es nachher vor!)

Das können Sie gern machen. Das beißt sich aber in keiner Weise.

Ich kann nur sagen: Sie waren, glaube ich, früher einmal bei der Staatsanwaltschaft tätig.

(Abg. Fleischer CDU: So benimmt er sich! – Zuru- fe der Abg. Wieser und Alfred Haas CDU)

Ich muss im Nachhinein sagen: Mir tun die Beschuldigten oder Angeklagten noch heute Leid, mit denen Sie damals zu tun hatten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Sachaufklärung! – Abg. Bebber SPD: Das ist Ihre Sachaufklärung!)

Sie kennen die Geschichte mit dem Klotz und dem Keil? Alles klar! Damit meine ich jetzt nicht unseren Abteilungsleiter.

Punkt 1: Neben der Frage der Bewältigung der Vergangenheit steht für mich im Vordergrund: Was tun wir eigentlich für die Zukunft? Ich komme natürlich auch noch auf die Vergangenheit zu sprechen. Aber die entscheidende Frage ist: Was geschieht in der Zukunft? Was geschieht in der nächsten Zeit?

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Wir handeln auf drei Ebenen: Gegenüber der EnBW,

(Abg. Drexler SPD: Gar nicht gehandelt!)

gegenüber dem Gutachter, dem TÜV,

(Abg. Drexler SPD: Gar nicht gehandelt!)

und natürlich auch im eigenen Haus.

(Abg. Drexler SPD: Gar nicht gehandelt!)

Bei der Abwicklung des konkreten Vorgangs – es gibt auch einige Dinge, die über den konkreten Vorgang hinausgehen – gibt es drei gemeinsame Strukturmerkmale: Alle drei Ebenen bedienen sich einer externen Beratung, alle drei nehmen jetzt andere Personen zur Abwicklung des Falls als bisher, also eine gesonderte Bearbeitung, und auf allen drei Ebenen wird es auch in Zukunft so sein, das es zu einer spezifischen Behandlung meldepflichtiger Ereignisse kommt.

(Minister Müller)

Wir bearbeiten die Dinge mit dem gebotenen Maß an Unabhängigkeit, Kritik und Selbstkritik.

Ich füge gleich hinzu, dass man nach den Ereignissen von gestern schon sagen muss: Die ganze Geschichte hat noch einmal eine um eine Stufe höhere Dimension bekommen. Das Maß der erforderlichen Änderungen wird sich am Umfang der Fehler zu orientieren haben, auf die wir gestoßen sind. Oder, einfacher gesagt: So kann es nicht weitergehen. Ich sage das vor dem Hintergrund dessen, was wir selbst als Konsequenzen am letzten Freitag in der Pressekonferenz schon mitgeteilt haben. Aber auch für eine grundlegendere Korrektur im Bereich dieses Dreiecksverhältnisses ist gestern in der Kabinettssitzung der Startschuss gegeben worden. Ohne länger darüber zu philosophieren, kann man schon heute eines inhaltlich sagen: Wir werden zu mehr Kontrollen vor Ort kommen müssen.

Zum Zweiten: Das waren die gemeinsamen Strukturmerkmale bei der Abarbeitung der vergangenen Ereignisse. Das ist dann aber auch das Ende der Gemeinsamkeiten. Es gibt nämlich klare Unterschiede in Rolle und Verantwortlichkeiten beim Betreiber, beim Gutachter und bei der Aufsicht. Der Betreiber handelt eigenverantwortlich, der Gutachter prüft und untersucht, und die Aufsicht bewertet und entscheidet. Die Verantwortungsfolge – und damit auch das Verantwortungsgewicht – ist damit klar: Die Eigenverantwortung des Betreibers steht im Vordergrund, die Aufsicht überwacht sie und bedient sich dabei der Sachkunde des Gutachters.

Wir können Sicherheit – man muss sich schon einmal überlegen: wie kann ich Sicherheit eigentlich produzieren? – nicht durch Kontrolle in eine Anlage hineinprüfen, sondern sie muss in der Anlage selbst vorhanden sein, und dabei, meine Damen und Herren, sitzen Betreiber und Aufsicht nicht im selben Boot. Wenn der Betreiber sein Schiff zum Kentern bringt, dann geht damit die Atomaufsicht noch nicht unter.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ist der Betreiber zu- verlässig oder nicht?)

Darauf komme ich noch. Sie werden es kaum glauben. Das ist in der Tat eine Schlüsselfrage. Aber eines nach dem anderen.

Etwas abstrakter ausgedrückt will ich einmal Folgendes sagen: Es gibt keine Parallelität der Verantwortung und damit auch keine Parallelität der Sanktionen. Wenn auf der einen Seite etwas passiert ist, dann muss nicht auf der anderen Seite dasselbe passieren. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der gravierenden Sicherheitsmängel, die in Philippsburg deutlich geworden sind. Wie ist denn die Rollenverteilung? Das wird in der Öffentlichkeit – natürlich auch gern durch entsprechende Nachhilfe seitens der Opposition – verkannt: Wir decken auf, und wir stellen Mängel ab, aber wir haben sie nicht verursacht, und wir haben sie nicht verantwortet. Das ist ein feiner Unterschied.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Dieser Unterschied wird in diesen Tagen verkannt bzw. bewusst übersehen. Ich glaube, wir sollten im Auge behalten,

wo die Probleme sitzen: Sie sitzen nicht am Kernerplatz, sondern sie sitzen in dem Fall in Philippsburg.

Dritte Bemerkung: Die innere Logik des Atomrechts geht, wie gesagt, von der Eigenverantwortung des Betreibers aus. Auf diese Eigenverantwortung muss grundsätzlich – jetzt kommt ein vielleicht für Sie gefährliches Wort, aber ich werde es gleich erklären – v e r t r a u t werden, es sei denn, man wollte an die Stelle der Verantwortung des Betreibers die Verantwortung der Aufsicht setzen. Diese Sichtweise, dass es um Vertrauen in das richtige Verhalten des Betreibers geht, hat nichts mit Nachlässigkeit, mit Großzügigkeit, mit mehr oder weniger Atomfreundlichkeit zu tun, sondern das ist das Atomrecht des Bundes, das in allen Bundesländern gleichermaßen gilt, und deshalb gibt es überall dieses Dreiecksverhältnis, von dem schon die Rede war.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Aus der Eigenverantwortung des Betreibers und dem damit verbundenen Vertrauensvorschuss folgt nämlich – und das ist jetzt die Reaktion; Vertrauen ist ein Kredit, und ein Kredit muss zurückgegeben werden können –: Wer dieses Vertrauen verletzt, weil er Fehler fahrlässig oder gar absichtlich begeht oder anschließend im Umgang mit Fehlern nachlässig oder absichtlich diese kleinredet, dessen Vertrauensbruch ist mit einer ungemein harten Sanktion versehen, nämlich: Wer dieses Vertrauen enttäuscht, ist nicht zuverlässig im Sinne des Atomrechts, und wer nicht zuverlässig ist, der darf selbst mit einer technisch sicheren Anlage nicht mehr umgehen. Deshalb ist die Betriebsvoraussetzung der Zuverlässigkeit so notwendig und natürlich auch die Sachkunde.