Offenbar hat sich eine unselige Gemengelage dadurch ergeben, dass eine jahrzehntelange und – das nächste Wort sage ich sehr bewusst in Anführungszeichen – „vertrauensvolle“ Zusammenarbeit bestand. Nun muss natürlich jemand, der einen Gutachter beauftragt, grundsätzlich Vertrauen haben, denn sonst bräuchte er ihn gar nicht zu beauftragen. Aber das Problem ist die lange Dauer der Zusammenarbeit. Das führt ex definitione zu Betriebsblindheit, und es hat sich auch ein unterentwickeltes Problembewusstsein gezeigt. Die Fremdkontrolle ist zur Eigenkontrolle mutiert. Und dass 17 Jahre lang bewusst gegen das Betriebshandbuch verstoßen wurde, ist unerhört.
(Abg. Drexler SPD: Und? Er ist doch nicht mehr da! – Zurufe der Abg. Fischer SPD und Pfister FDP/DVP)
Aber er hat fünf Jahre lang nichts gemerkt, Herr Drexler, ganz einfach. Er hätte fünf Jahre lang die Chance gehabt, da etwas zu ändern.
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Querdiskussionen einzustellen, damit die Rednerin verstanden werden kann.
Der TÜV berief sich nun gestern gar darauf, er habe keinen Auftrag zur Untersuchung eines bestimmten Punkts gehabt. Das ist ein starkes Stück. Wenn ich technische Überwachung mache, muss ich gucken, dass alles in Ordnung ist und insbesondere die Vorgaben des Betriebshandbuchs eingehalten werden.
Nun wurde schon von den Vorrednern erwähnt, dass man sich um ein Datum streitet. Dazu muss ich Ihnen sagen: Das ist für mich ein absoluter Nebenschauplatz – auch ob ein Fax vorliegt oder noch gezeigt werden kann
oder von welchem Ort aus telefoniert wurde. Wichtig ist mir, dass rückhaltlos aufgeklärt wird, und wichtig ist vor allem, dass wir uns darum kümmern, dass in Zukunft alles in Ordnung geht.
Aber ich muss dazusagen, Herr Dr. Witzel: Ich war schon sehr verwundert, als ich diese Pressemeldung gelesen habe;
Man muss auch deutlich betonen: Wenn jetzt Trittin rügt, dass eine falsche Formulierung an die Öffentlichkeit gelangt sei, dann ist das Ihnen zu verdanken. Nur durch Ihr Insistieren und nachhaltiges Drängen hat der Minister zugelassen, dass Sie damit an die Öffentlichkeit gehen können,
obwohl er mehrfach betont hat, dass es sich um ein vorläufiges Papier handelt und dass es mit dem Bundesministerium für Umwelt nicht abgestimmt ist. Dann hätte ich gerade von Ihnen erwartet, dass Sie verantwortungsvoll damit umgehen.
Sie haben aber eiskalt die Unwahrheit verbreitet, nach dem schönen Motto: Irgendetwas bleibt da schon hängen. Ich denke, wir müssen uns damit im Ausschuss noch befassen.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Schmiedel SPD: Trittin hat aber Müller gerügt, nicht Witzel!)
Aber nun zu dem, was hier wichtig ist: Es geht nicht um die kleinliche Streiterei über Daten, sondern Sie haben den Antrag gestellt, alle Kraftwerke abzuschalten. Ich denke, es kann nicht darum gehen, einen Wettbewerb zu veranstalten, wer schneller abschaltet.
(Abg. Drexler SPD: Es geht um das Vertrauen! – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Die Zuverlässigkeit des Betreibers!)
Wir werden deshalb den Antrag der Grünen ablehnen. Wir müssen schließlich auch bedenken, welche Folgen das Abschalten für die Wirtschaft unseres Landes hätte. Wir müssen ebenso bedenken, wie groß das Risiko ist, dass entsprechende Schadenersatzforderungen auf das Land zukommen. Auch Sie wollen sicher nicht verantworten, dass wir den Strom aus weit, weit unsichereren osteuropäischen Kraftwerken beziehen. Das wäre nämlich die Folge, wenn wir unsere Kraftwerke abschalten würden.
(Abg. Drexler SPD: Unsere sind doch auch nicht sicher! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Ich habe gar nicht mehr den Eindruck, dass die so viel unsiche- rer sind!)
Herr Kollege Salomon, lange vor einem Herrn Goll hat sich Herr Minister Müller an die Spitze der Bewegung gesetzt und schnell und konsequent reagiert.
Er hat sofort Maßnahmen ergriffen. Herr Trittin hat die gleiche Maßnahme gerade einmal eine halbe Stunde vorher vorgeschlagen. Warum hat er denn nicht früher reagiert?
(Abg. Drexler SPD: Was? Schauen Sie sich die Daten an! – Abg. Hauk CDU: Die Daten liegen doch seit 10. September vor! Umfänglich!)
Die umgehende Beauftragung eines unabhängigen Expertenteams, das die Strukturen und Abläufe im Ministerium untersucht, verdient Respekt. Dieser Mut zur Selbstkritik wäre etlichen anderen als Vorbild durchaus angemessen.
Von TÜV und EnBW müssen wir notwendige Konsequenzen dringend einfordern, aber ich sehe im Moment keinen Grund, den Herrn Minister zu entlassen.
Wir haben zum Thema fünf Forderungen: Zum Ersten fordert die FDP/DVP die rückhaltlose Aufklärung, und zwar bei allen Kernkraftwerken in Baden-Württemberg.
Dann werden wir zweitens, wenn notwendig, auch personelle Konsequenzen ziehen müssen, egal, auf welcher Hierarchieebene sie dann angesagt sind.
Drittens – das ist der wichtigste Punkt –: Künftige Strukturen und Abläufe müssen sicher gestaltet sein. Hierzu zwei Vorschläge: Insbesondere das Überwachungspersonal muss spätestens alle fünf Jahre ausgewechselt sein,
um künftig Betriebsblindheit zu vermeiden. Wir sollten zweitens dafür sorgen, dass bei der technischen Überwachung aus Monopol Wettbewerb wird. Das ist vor Jahren, wenn auch unter schweren Geburtswehen, bei der Kraftfahrzeugüberwachung gut gelungen. Inzwischen sind GTÜ und DEKRA genauso im Amt wie der TÜV, und dieser Wettbewerb tut der Sache gut.
Viertens: Wir erwarten vor Jahresende einen umfassenden Bericht über das, was sich ergeben hat, und über das, was getan wurde und was künftig getan werden wird.