Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem es heute Vormittag so aussah, als könne sich die Sitzung sehr lange in den Abend oder gar in die Nacht hinein erstrecken, sind wir jetzt doch relativ frühzeitig bei einem der letzten Punkte.
Deshalb will ich gerne die Gelegenheit ergreifen, erschöpfend – ich stelle mir einen Zeitrahmen von einer guten Stunde vor –
das Für und Wider von repräsentativer Demokratie und mehr Volksbegehren darzulegen. Ich sehe auch, es kommt kein ernsthafter Widerspruch.
Wir haben dieses Thema – Herr Kollege List hat darauf hingewiesen – heute, glaube ich, zum dritten Mal in dieser Legislaturperiode auf der Tagesordnung.
Ich will zunächst in Erinnerung rufen, dass wir – Herr Kollege Veigel, das dürfen wir beide, glaube ich, für uns schon in Anspruch nehmen – zu den Themen Bürgerbegehren, Bürgerbeteiligung, Erleichterung von Bürgerbegehren und Bürgerbeteiligung eine Passage ganz präzise in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen haben.
Sie irritieren mich. Es ist nicht sehr kollegial, wenn Sie mich am Rednerpult durcheinander bringen.
In der Koalitionsvereinbarung ist – ich wiederhole mich – aufgelistet worden, was wir in dieser Legislaturperiode umsetzen wollen. Wie in jedem Punkt hat die Koalition auch bei diesem Thema ihr Versprechen gehalten.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVPFraktion, wir haben auch alsbald – ich glaube, 1997 – einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht.
Aber es war noch sehr zeitnah, Herr Kollege Redling. Schon im Rahmen der damaligen Diskussion über den Gesetzentwurf gab es sowohl in der ersten und zweiten Lesung als auch im Innenausschuss eine große Diskussion darüber, ob man Ihren Vorstellungen, die ja bei diesem Thema viel weiter gehen, Rechnung tragen soll oder nicht. Damals haben wir gesagt: So ist die Koalitionsvereinbarung; daran halten wir uns, und so setzen wir das Vorhaben auch um. Genauso ist es dann auch mit der Mehrheit der Koalition gemacht worden.
Damit, muss ich eigentlich sagen, ist das Thema auch für uns für diese Legislaturperiode abgehakt. Denn das, was die Koalitionsvereinbarung dazu enthalten hat, ist wirklich auf Punkt und Komma umgesetzt worden. Deshalb bitte ich einfach, Herr Kollege Veigel, darum, dass wir dies heute noch einmal festhalten dürfen.
Aufgrund der beiden Gesetzentwürfe von den Bündnisgrünen und von der FDP/DVP-Fraktion ist das Thema jetzt noch einmal auf die Tagesordnung gekommen. Aber, Herr Kollege Redling, die Bemerkung sei mir in aller Kollegialität schon gestattet: So ernst scheint es Ihnen mit diesem Thema auch nicht gewesen zu sein. Denn die erste Lesung zu Ihrem Gesetzentwurf fand, wenn ich mich recht erinnere, irgendwann im zeitigen Frühjahr dieses Jahres statt.
... dass wir dann im Innenausschuss die Beratung zurückgestellt haben, weil aus Ihrem Haus ein Gutachten über das Begehren von „Mehr Demokratie e. V.“ kam, und dass wir uns dann darauf verständigt haben, abzuwarten, bis die gerichtliche Entscheidung gefallen ist, und erst dann weiterzumachen? Wissen Sie noch, dass wir dann, als feststand, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht möglich ist, weil die Klage zurückgezogen wurde, sofort unseren Gesetzentwurf weiter behandelt haben? Wissen Sie das?
Aber da darf ich einfach eine Gegenfrage stellen: Wissen Sie noch, dass wir in der ersten Lesung gesagt haben, dass die Verfassungswidrigkeit des auf diesem Bürgerbegehren beruhenden Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen evident ist, sodass eigentlich damals auch ohne Gerichtsurteil schon klar war, dass er verfassungswidrig sein muss und mit Sicherheit auch der Staatsgerichtshof entsprechend entschieden hätte, wenn es denn zu einer Entscheidung gekommen wäre?
Wir haben damals – ich erinnere mich insoweit noch sehr gut daran – gesagt: Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion hat ja wohl aus guten Gründen und wohl überlegt die verfassungsrechtlichen Fußangeln des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vermieden.
Auch von mir ist damals schon gesagt worden: Wir kommen über diesen Gesetzentwurf natürlich zu einer inhaltlichen Diskussion, weil bei diesem Gesetzentwurf das Argument der Verfassungswidrigkeit wohl kein ernsthaftes Thema sein kann. Insofern ist seit März doch eine beträchtliche Zeit vergangen, bis wir jetzt das Thema wieder aufgreifen konnten.
Nun darf ich für meine Person einfach noch einmal sagen – ich glaube, ich habe das hier in diesem hohen Haus schon mehrfach mitteilen dürfen –: Ich bin ein ganz entschiedener Anhänger der repräsentativen Demokratie, und zwar auf allen Ebenen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Heiler SPD: War das jetzt etwas Neu- es? Wussten die das vorher nicht? – Weitere Zuru- fe)
Es ist auch etwas Verräterisches an Ihrer eigenen Argumentation, wenn Sie sagen, Sie wollten mehr Bürgermitwirkung, Bürgerentscheidungen usw. haben, und das als ein Mehr an Demokratie bezeichnen und gleichzeitig sa
gen: Habt doch Vertrauen in die Bürgerschaft, und fürchtet euch nicht vor dem Bürger! Abgesehen davon, dass Herr Kollege List Ihnen ja vorhin etwas ins Stammbuch geschrieben hat, was man nur unterstreichen kann, will ich Ihnen noch ein weiteres Argument entgegenhalten: Sie argumentieren einerseits, mehr Vertrauen in die Entscheidungszuständigkeit der Bürgerschaft insgesamt zu setzen. Wenn Sie dann aber andererseits bestimmte Materien, und zwar die ganz besonders heiklen und kniffligen Materien, davon ausnehmen, dass sie einem Bürgerentscheid zugrunde liegen können, dann ist das ein ganz großer Widerspruch. Das ist doch verräterisch! Das heißt, Sie haben in Wirklichkeit gar kein Vertrauen, dass die Bevölkerung in vollem Umfang die Entscheidung treffen kann. Denn wesentliche Teile dessen, was eigentlich entscheidbar wäre, nehmen Sie ja von Anfang an heraus, angefangen bei den ganzen haushalts- und finanzpolitischen Fragen bis hin auch zu anderen Materien, die nicht so ganz einfach sind.
(Beifall bei der CDU – Abg. Birzele SPD: Sind Sie für die Abschaffung des Negativkatalogs? Das ist doch absurd!)
Nein, nein. Herr Kollege Birzele, das ist ein, glaube ich, leicht nachvollziehbarer Gedankengang. Ich argumentiere wie folgt: Es ist doch verräterisch, wenn jemand sagt, er wolle die Entscheidungskompetenz der Bürgerschaft stärken und damit die repräsentative Demokratie schwächen, indem mehr in die Entscheidungsverantwortung übertragen wird, dann aber wieder ganz bestimmte Bereiche – und zwar die wichtigsten – davon ausnimmt. Das ist mehr als inkonsequent. Das ist eine klare Aussage und eine klare Botschaft.
Herr Kollege Birzele, ich bitte Sie doch, in Ihren Zwischenrufen maßvoll zu bleiben und auch zu sehen, dass der Widerspruch in Ihrem Vortrag evident ist.
Entweder Sie geben es richtig in die Entscheidungszuständigkeit der Bürger oder überhaupt nicht, aber nicht diese lauen Halbheiten.
Nein. Sie vergessen meine entscheidende Vorbemerkung. Ich sagte, dass ich ein wirklich überzeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie bin.
Wer dies nicht ist und es anders will, der soll die Entscheidungsbefugnis auch konsequent auf die Bürgerschaft übertragen und nicht bestimmte, heikle Materien wie zum Beispiel die gesamte Finanzpolitik davon ausklammern.
Der nächste Punkt: Ich bin genauso davon überzeugt, dass wir mit unserem System der Gemeinderäte, Ortschaftsräte und Kreisräte das richtige System haben.