Aber angesichts der Todesurteile und der Debatte von 1978 ist jeder Versuch einer Filbinger-Rehabilitierung alles andere als eine Abgrenzung nach rechts, von der Rita Süssmuth und Heiner Geißler anlässlich der Vorstellung des neuen Buches von Frau Süssmuth gesagt haben, dass die CDU diese Abgrenzung nach rechts noch nie geschafft habe. Auch Sie, Frau Dr. Schavan, haben sich nicht abgegrenzt. Vielmehr polstern Sie als Quereinsteigerin in die baden-württembergische CDU Ihren Platz im Landesverband mit anbiedernden Gesten nach rechts aus.
Nur wer bekennt, findet den, der mit ihm bekennt. Nur wer Bürgermut lebt, macht andere Bürger lebendig.
Ich füge hinzu: Nur eine Kultusministerin, die bekennt, findet junge Menschen, die mit ihr bekennen. Nur wenn Sie sich bekennen, Frau Dr. Schavan, werden Sie den Ihnen anvertrauten jungen Menschen helfen, mutige und selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger in unserer demokratischen Gesellschaft zu werden. Ein solches Bekenntnis wäre zum Beispiel die Korrektur der heute angesprochenen Entscheidung.
Herr Abg. Reinelt, ich habe Sie, nachdem Sie Ihre Redezeit um zwei Minuten überzogen hatten, auf das Ende Ihrer Redezeit hingewiesen. Sie haben jetzt insgesamt elf Minuten gesprochen. Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre beiden Redezeiten zusammengenommen haben.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD versucht, mit dieser Aktuellen Debatte heute künstliche Aufregung zu produzieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Eva Stanienda CDU: Sehr richtig! – Widerspruch bei der SPD)
Was der Zweck der Übung sein soll, hat Herr Kollege Reinelt mit seinen Einlassungen soeben deutlich gemacht. Er hat sich einerseits lau von Herrn Hochhuth distanziert, um andererseits von einer Verneigung nach rechts zu sprechen – eine unsinnige Konstruktion. Ich werde deswegen zur Sache und nicht zu Herrn Reinelt reden.
Was ist denn der Vorgang? Eine Lektüre Hochhuths, „Eine Liebe in Deutschland“, ist im Kanon für die Oberstufe an beruflichen Gymnasien enthalten. Diese Lektüre ist aufgrund eines Vorschlags aus dem Jahr 1996 zum Lesegebot erhoben worden; und es ist nichts anderes passiert, als dass daraus in diesem Schuljahr wieder ein Leseangebot gemacht wurde. Hochhuths Werk ist nicht aus der Lektüreliste des Kultusministeriums zurückgezogen worden. Dieses Buch kann gleichberechtigt mit zahlreichen anderen Werken der Literatur weiterhin in den Schulen BadenWürttembergs gelesen und bearbeitet werden. Es ist um der Chancengleichheit im Abitur willen aus einer Pflichtlektüre eine Kann-Lektüre gemacht worden. Das ist der ganze Vorgang, der hier aufgebauscht wird.
Ich verharmlose nicht. Sie kriegen noch einiges zu hören. Ich habe zwei Runden und teile mir meine Zeit ein.
Die Begründung dafür ist, dass wir keine Sekundärliteratur haben, um dieses Buch im Unterricht verantwortlich behandeln zu lassen. Wenn Sie eine Recherche machen, dann stellen Sie fest, dass außer den Presseartikeln der Erscheinungsjahre keine weitere Sekundärliteratur vorliegt.
Deswegen ist es problematisch, dieses Buch heute den Abiturientinnen und Abiturienten zur verpflichtenden Lektüre zu machen, weil es gute Gründe gebe, sich mit diesem Buch anhand von Sekundärliteratur auseinander zu setzen. Ich teile nicht das Urteil mehrerer Kommissionsmitglieder, die sagen, das ginge auch ohne Sekundärliteratur.
Was dann passiert ist, war eine maßlose Kritik vonseiten des Herrn Hochhuth, dass – ich zitiere – „die Rechtsradikalen in der BRD sich nun auch in den Spitzen der Ministerialbürokratie austoben“. Das ist eine Unverschämtheit gegenüber der baden-württembergischen Landesregierung, gegenüber den Beamten dieses Landes, die nach pflichtgemäßem Ermessen hier eine Entscheidung getroffen haben, die mit der Begründung sehr wohl zu vertreten ist.
Die baden-württembergische Kultusministerin, so Hochhuth weiter, schwimme auch auf einer Welle von Neonazismus mit.
Sie haben soeben in diesen Chor eingestimmt, Herr Reinelt, auch wenn Sie eine laue Abgrenzung vorgetragen haben.
In Wirklichkeit wollen Sie hier den Eindruck erwecken, als ob Sie alte Schlachten noch einmal schlagen könnten und daraus auch noch einmal Hoffnung saugen könnten für irgendwelche politische Stimmungen. Das wird Ihnen nicht gelingen.
Wenn Sie die Literaturliste für die beruflichen Gymnasien durchgehen – und um diese geht es –, dann finden Sie bei der Gegenwartsliteratur eine ganze Reihe sehr gut geeigneter Bücher, die das Nazideutschland behandeln und die die
Grundlage für eine Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte im Unterricht bieten. Das wird in Baden-Württemberg an keiner Schule verhindert oder ausgeblendet. Ganz im Gegenteil, wir sehen die Aufarbeitung der Geschichte als Voraussetzung dafür, zu verhindern, dass Jugendliche wieder in den Rechtsextremismus abdriften.
Der Rücktritt der Kommission, von dem Sie gesprochen haben, ist keiner. Das wird die Ministerin nachher vielleicht noch etwas näher erläutern. Ich hatte die Gelegenheit, gestern mit einem Kommissionsmitglied zu sprechen. Dieses Kommissionsmitglied hat ausdrücklich bestätigt, dass die Kommission bei der Auseinandersetzung um diesen Vorgang vor allem Kommunikationsprobleme geltend macht, weil sie sich nicht angemessen behandelt fühlt.
Hängen Sie also das Ganze viel tiefer, als Sie es getan haben, und bringen Sie es in die richtige Größenordnung. Sie erweisen dem Land und seiner Kultuspolitik sonst einen Bärendienst.
Herr Kollege Rau, Sie haben gestern Nachmittag noch am Forum des Südwestrundfunks nach 17 Uhr als Diskussionsteilnehmer teilgenommen. Dort hat ein Mitglied der Kommission, Herr Häring, gesagt, die Kommission sei zurückgetreten. Sie haben das zur Kenntnis genommen.
Im Übrigen will ich hier gerne einräumen, dass es letzten Endes nicht um diesen Rücktritt allein gehen kann.
Ich wollte nur fragen: Wann haben Sie die Information bekommen, dass die Kommission nicht zurückgetreten sei?
Ich habe diese Information. Ich würde Sie da aber gern auf die Ausführungen der Kultusministerin verweisen, weil es gestern im Kultusministerium ein Gespräch zwischen der Kommission und dem Ministerialdirektor gegeben hat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen wir einfach noch einmal die Fakten Revue passieren. 1995 setzt die dafür zuständige achtköpfige Kommission des Kultusministeriums Rolf Hochhuths „Eine Liebe in Deutschland“ auf die