Protocol of the Session on October 4, 2000

(Beifall bei den Republikanern)

Ich hätte größten Respekt vor der Frau Ministerin, wenn sie Rückgrat beweisen und sagen würde: „Es hat sich gezeigt, dass niemand diese Rechtschreibreform annimmt. Im Volk, das sie anwenden soll, fehlt schlichtweg die Akzeptanz. Wir haben uns getäuscht – das kann passieren –, wir setzen diesem Spuk ein Ende.“

(Beifall bei den Republikanern)

Davor hätte ich Respekt gehabt. Aber nein, die Devise hier scheint zu sein: „Möglichst nicht darüber reden, Augen zu und durch!“ Nicht mit uns Republikanern, nicht mit uns!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine von oben verordnete Sprachreform – in diesem Fall der Schriftsprache –, die vom Volk nicht angenommen wird, verwirrt die Menschen nur. Sie hat nicht ein einziges der vorgegebenen Ziele erreicht, sondern nichts anderes geschaffen als Ver

unsicherung und Verwirrung. Dies wollen wir mit unserem Antrag heute ein für alle Mal beenden und abstellen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Nagel SPD: Wenn wir so schreiben würden, wie der redet!)

Meine Damen und Herren, wenn gesagt wird, die Einführung der neuen Rechtschreibung in unseren Schulen funktioniere problemlos, es gebe dafür nur Begeisterung, dann stimmt das schlicht und einfach so nicht. Die Kinder sind nämlich auch bereits in der Schule von diesem Durcheinander, von diesem Chaos total verwirrt. Warum? In der Schule lernen sie die neue Rechtschreibung, die neuen Rechtschreibregeln, in den Schulbüchern gibt es aber teilweise noch die alte Rechtschreibung, und zu Hause gibt es ohnehin die alte Rechtschreibung, weil die Eltern diese beherrschen, vielleicht auch gut beherrschen. Darüber hinaus begegnen die Schüler in Zeitungen auch noch der alten Rechtschreibung. Dadurch gibt es nur Verwirrung. Wer behauptet, ein Zurückgehen zur alten Rechtschreibung würde ein Chaos auslösen, muss sich sagen lassen: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Das Chaos besteht jetzt, und wir würden wieder zum Normalfall, nämlich zum Überschaubaren, zurückkehren.

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf des Abg. Nagel SPD)

Meine Damen und Herren, Sie können aus dem Internet eine 19-seitige Liste von all den Verlagen, Zeitungen usw. herauslassen, die die Rechtschreibreform, die seit einem Jahr verbindlich ist – mit einer Übergangszeit bis zum Jahr 2005; das weiß ich auch –, nicht mitgemacht haben. Von denen, die mitgemacht haben, ist in der Zwischenzeit der eine oder andere Verlag, insbesondere aber eine ganz besondere Zeitung, auch für Baden-Württemberg, nämlich die FAZ, wieder davon abgekehrt und schreibt, diese Reform der deutschen Rechtschreibung sei der größte Blödsinn.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Kretsch- mann Bündnis 90/Die Grünen: Seit wann ist die FAZ aus Baden-Württemberg? Die heißt doch FAZ und nicht SAZ!)

Meine Damen und Herren, ein Punkt, der in der Debatte noch überhaupt nicht aufgegriffen worden ist, ist doch der, dass wir nicht nur Verwirrung im deutschen Sprachraum erzeugen, sondern insbesondere auch Verwirrung außerhalb des deutschen Sprachraums,

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Die lateini- sche Sprache sollten wir wohl auch wieder ab- schaffen!)

nämlich überall dort, wo an ausländischen Schulen Deutschunterricht stattfindet, in Japan, in Südamerika, egal, wo. Auch diese Schulen wissen nicht mehr, was los ist. Warum? Auch der Duden, auf den man sich bisher hat verlassen können, bringt jedes Jahr eine neue Fassung heraus.

(Zuruf des Abg. Herrmann CDU)

Dabei ist jede neue Fassung noch verwirrender als die alte.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Ich glaube, die haben zu viel Schnaps getrunken!)

Meine Damen und Herren, mit dieser Rechtschreibreform ist die deutsche Schriftsprache regelrecht zur Beliebigkeit verkommen.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Solche Leh- rer lassen die auf die Kinder los!)

Sie können heute ein Komma setzen, obwohl Sie das nicht müssten. Sie können auch keines setzen, obwohl Sie es müssten. Die Lehrer trauen sich doch gar nicht mehr, dies als Fehler anzustreichen, weil sie selbst nicht sicher sind, nach welchem Rechtschreibwerk sie ihre Korrekturen durchführen müssen.

(Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hehn CDU: Es ist leichter geworden! – Abg. Herrmann CDU: Sie haben ein besonderes Inter- net!)

Meine Damen und Herren, man hat keine Kosten gescheut, um die Rechtschreibreform einzuführen. Wir wollen nicht noch mehr Geld hinausschmeißen. Beenden wir das Ganze. Wir müssen von dieser Beliebigkeit wieder zurückfinden zur Einheitlichkeit, an der sich alle orientieren können.

Natürlich ist Sprache, auch Schriftsprache, etwas Lebendiges. Aber ich brauche eine Grundlage, und da kann nicht alles schwammig sein. Wenn ich ein Haus auf morastigem Grund baue, dann hat es keine Standfestigkeit. Wir müssen von der Beliebigkeit zurückkehren zur Einheitlichkeit,

(Abg. Hehn CDU: Zur altgermanischen Sprache! – Abg. Zeiher CDU: Zum einheitlichen Morast!)

zurückkehren über die alte Rechtschreibung, sie als Katalysator für eventuell notwendige kleine Schritte der Anpassung verwenden. Das ist der Punkt.

Vor diesem Hintergrund, meine sehr verehrten Damen und Herren – –

(Abg. Nagel SPD: Oje!)

Sie sagen „Oje“.

(Abg. Zeiher CDU: „Ojemine“ wäre besser!)

Es gibt eine Allensbach-Umfrage vom 8. August.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: 8. August ist schon überholt!)

Danach schreiben 13 % der Bundesbürger nach der neuen Rechtschreibung. 15 % überlegen sich, ob sie etwas Positives daraus entnehmen können. So kriegt dann jeder seine eigene Hausschreibregel – so will ich es einmal bezeichnen. 72 % lehnen die neue Rechtschreibung absolut ab, also null Akzeptanz, wenn man es genau nimmt. Denn man muss von den 13 % ja noch die abziehen, die von Amts wegen die neue Rechtschreibung anwenden müssen, weil sie das verordnet bekommen haben. Deswegen wollen wir die Verordnungen zurückgenommen wissen. Das ist doch Sache, und das sollte man respektieren.

Für mich ist Volkes Wille immer noch bindend, für Sie anscheinend nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner – Abg. Kretschmann Bündnis 90/Die Grünen: Vox populi, vox Rindvieh!)

Meine Damen und Herren, man hat sich geweigert, zu diesem Thema eine Volksbefragung durchzuführen. Es zeigt sich, dass dies der größte Fehler war. Denn dann hätte man schon früher erkennen können, dass diese Rechtschreibreform keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung hat.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Die Rede- zeit muss doch abgelaufen sein! – Abg. Nagel SPD: Nicht nur die Redezeit, seine Zeit ist abge- laufen!)

Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu, sämtliche Verordnungen, die Ämter, Schulen und öffentliche Einrichtungen verpflichten, die neue Rechtschreibung anzuwenden, zurückzunehmen. Lasst uns zur guten alten deutschen Rechtschreibung zurückkehren und an den Punkten Änderungen vornehmen, wo es notwendig ist.

Ich danke für das große Entgegenkommen und Verständnis.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Herrmann CDU: Führen Sie Sütterlin wieder ein! – Abg. Zei- her CDU: Welch ein Glück, dass er selber lachen muss bei dem Geschwätz!)

Das Wort erhält Herr Abg. Ommeln.

Verehrter Präsident, meine Damen und Herren!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe.

Ich gestehe, dass ich im Vorfeld der Debatte Sorge hatte, wir würden heute den herbstlichen Aufguss eines Sommerlochthemas behandeln. Nach dieser Begründung sehe ich mich in dieser Sorge bestätigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, Anlass für Ihre Initiative sei die Ankündigung der FAZ gewesen, am 1. August zur alten Rechtschreibung zurückzukehren. Wohlgemerkt, eine Zeitung hat dies gemacht.

(Abg. Deuschle REP: Eine wichtige Zeitung, viel- leicht die wichtigste in Deutschland!)

Das war für Sie Grund genug, auf diesen Zug aufzuspringen und gegen die neue Rechtschreibung mobilzumachen.

Ich will eingangs gar nicht verhehlen, dass ich für einen kleinen Teil Ihrer Argumente durchaus Verständnis aufbringen kann.

(Abg. König REP: Danke!)

Zweifelsohne haben sich noch nicht alle an die neuen Regeln gewöhnt,