Protocol of the Session on May 18, 2000

Noch ein Punkt: Auch die ständig fortschreitende Datenverarbeitungstechnik findet in dem Gesetz keinen Niederschlag. Das sieht man beispielsweise bei der Chipkarte. Deswegen ist es alles andere als eine Überraschung, wenn ich für meine Fraktion erkläre, dass wir den Gesetzentwurf auch weiterhin ablehnen werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und des Abg. Dr. Walter Müller SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Kiesswetter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mich wundert schon, dass man einen Fortschritt ablehnt und wieder ins Alte zurückfällt. Dafür, dass gesagt wird, in dem neuen Datenschutzgesetz sei nicht alles erreicht, habe ich Verständnis. Aber dass die geringen Fortschritte abgelehnt werden, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar.

Hier wurde kritisiert, dass der behördliche Datenschutzbeauftragte nur auf freiwilliger Basis kommen soll. Ich halte es nach langen Überlegungen für sinnvoll, dass die Kommunen selbst entscheiden können, ob sie einen behördlichen Datenschutzbeauftragten einstellen wollen oder nicht.

Ich bin auch der Überzeugung, dass das kommen wird, weil sich die Kommunen ungern ständig von außen hineinreden lassen und lieber, sofern die Verwaltung entsprechend groß ist, selbst einen Datenschutzbeauftragten bestellen. Deshalb glaube ich, dass mit der Zeit ein solcher Datenschutzbeauftragter auch bei freiwilliger Basis kommen wird.

Wir haben gemeinsam einen Änderungsantrag eingebracht. Ich halte ihn für sinnvoll. Es ist nämlich nicht gut, wenn es an einem Krankenhaus zwei verschiedene Rechtssysteme gibt. Das kann nicht sein. Ob der Patient, der zum Krankenhaus kommt, ambulant oder stationär behandelt wird, kann für die datenschutzrechtliche Frage keine Rolle spielen. Deshalb meine ich, dass die beantragte Anpassung sinnvoll ist. Den Änderungsantrag haben wir bereits im Ausschuss besprochen, und dort wurde ihm zugestimmt.

Zum Videobereich hat der Datenschutzbeauftragte ausdrücklich erklärt, Herr Walter, dass das Gesetz keine Ermächtigungsgrundlage für die Videoüberwachung auf Straßen und öffentlichen Plätzen enthalte. Deshalb soll dazu auch keine Regelung in dieses Gesetz kommen, sondern dafür brauchen wir eine eigene Regelung im Polizeigesetz.

Wenn Sie uns vorwerfen, wir würden nicht darauf achten, muss ich Sie darauf hinweisen – Sie haben das sicher der Presse entnommen –, dass wir in der Frage, wann, wie lange und unter welchen Voraussetzungen eine Videoüberwachung zulässig ist, Vorreiter sind.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben es vielleicht nicht gelesen.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Nicht wann und wie lange, sondern ob überhaupt!)

Darüber, ob überhaupt oder nicht, kann man diskutieren. Aber warum soll man bei einer Generalprävention nicht auch für den Schutz des Bürgers auf öffentlichen Plätzen, auf denen er ja gehen muss, weil er nicht ausweichen kann, sorgen? Jeder muss um 24 Uhr über den Bahnhofsplatz gehen können. Da muss dann auch Sicherheit für den Bürger gegeben sein, und da, meine ich, muss die Polizei unterstützt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb gehört dies ins Polizeigesetz. Wir sind mit der CDU zurzeit in Verhandlungen, hierzu eine liberale, datenschutzrechtlich gesicherte Maßnahme zu bringen. Deshalb halte ich Ihre Vorwürfe, dass die FDP/DVP nicht auch weiterhin als liberale Rechtspartei auftrete, hier für völlig neben der Sache.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Die tref- fen genau zu! – Zuruf des Abg. Kluck FDP/DVP)

Das ist eindeutig.

Zum zweiten Punkt: Über die Ausstattung des Datenschutzbeauftragten und die Datenschutzberichte werden wir nachher sprechen. Wir haben nachher zehn Minuten Zeit, über den Datenschutzbericht und das Schreiben von

Herrn Schneider in dieser Angelegenheit zu reden. Dazu kommen wir gleich; deshalb brauche ich darauf jetzt nicht weiter einzugehen.

Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen, der noch nicht erwähnt worden ist, bei dem ich die Fraktionen bitte, ihre Parteifreunde in Berlin anzusprechen: Die Krankenhäuser sollen ja ihre Datenbestände archivieren. Sie haben für ihre Datenbestände in den Krankenhäusern keinen Platz, und deshalb haben sie sie nach außen verlagert. Doch dies ist jetzt nicht mehr zulässig, weil die Datenschutzvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Hierfür soll der Bund eine Gesetzesänderung vornehmen; darin soll klar geregelt werden, dass für den Fall, dass es zu Missbrauch kommt, wenn also jemand gegen die datenschutzrechtlichen Richtlinien verstößt, dies gemäß § 203 des Strafgesetzbuchs strafbewehrt wird.

Es soll aber auch ein Beschlagnahmeverbot festgelegt werden. Es kann nicht sein, dass die Staatsanwaltschaft Zugriff auf Karteikarten über Patienten usw. hat, weil sie ausgelagert sind und sich nicht mehr in den Räumen der Krankenhäuser befinden.

Diese zwei Vorschriften bitten wir in Berlin durchzusetzen. Wir sind schon an die FDP-Bundestagsfraktion herangetreten und haben sie aufgefordert, dies zu veranlassen. Ich meine, das wäre eine sinnvolle Regelung. Deshalb kann, denke ich, auch hierüber Konsens erzielt werden.

Wir sind auch froh, dass endlich ein Datenschutzbericht für den nicht öffentlichen Bereich vorgelegt wird, dass wir alle zwei Jahre hier einen Bericht des Innenministers bekommen. Den letzten haben wir 1995 erhalten, damals auf freiwilliger Basis. Wir meinen, alle zwei Jahre ist ein Bericht sinnvoll, und wir sind gespannt auf den nächsten Bericht im Jahr 2001.

Ich sage hier ausdrücklich: Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu. Selbstverständlich werden im Laufe der Zeit angesichts der technischen Fortentwicklung, die wir haben, laufend Änderungen erfolgen müssen. Das ist ganz klar. Dem verschließen wir uns nicht. Das ist ja kein abschließendes Gesetz für viele Jahre. Aber zum jetzigen Zeitpunkt halte ich das Gesetz für einen Fortschritt, und deshalb ist es, meine ich, zu begrüßen, dass dieses Gesetz kommt.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Käs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch für die Fraktion Die Republikaner möchte ich an dieser Stelle ankündigen, dass wir diesem Gesetzentwurf so, wie er vorliegt, zustimmen werden, selbst wenn bei den einzelnen Positionen, die ja in dieser Weiterentwicklung des Landesdatenschutzrechts vorgesehen sind, nach unserer Meinung durchaus nicht weit genug gegangen wird.

Die Landesregierung verfolgt auch hier eine seit Jahren anhaltende Tradition, dass man genau so viel tut, wie man tun muss, weil das Bundesverfassungsgericht oder die EU Maßstäbe vorgibt, und nicht mehr. Wir haben immer noch

eine Zersplitterung des Datenschutzrechts, wir haben eine nur schwer praktikable rechtliche Regelung. Daran hat auch der aktuelle Novellierungsvorschlag, das neue Gesetz, das wir heute hier beschließen werden, keine wesentliche Änderung getroffen.

Ich möchte natürlich auch zu einzelnen Punkten noch etwas sagen. Zunächst möchte ich auf das Problem der Videoüberwachung eingehen. In der Brust eines Republikaners schlagen da zwei Herzen. Wir haben auf der einen Seite die Erkenntnis, dass sich die Kriminalität technisch immer weiter aufrüstet und dass die Polizei in die Lage versetzt werden muss, auch mit modernsten technischen Methoden Schutz und Sicherheit zu gewährleisten. Also denkt man natürlich auch an die Möglichkeiten der Videoüberwachung. Auf der anderen Seite stehen, nicht ganz zu Unrecht, das Horrorszenario eines Überwachungsstaats und die Frage, ob eine Videoüberwachung überhaupt eine sinnvolle Regelung sein kann.

Zunächst einmal zur Frage des Regelungsorts. Wir sind der Meinung, dass diese grundsätzliche Frage eigentlich nicht in einem Landesdatenschutzgesetz zu regeln ist, sondern in einem Polizeigesetz, sofern es sich um präventive Maßnahmen handelt. Das ist ganz richtig. Nur erhebe ich hier Zweifel an der Bereitschaft oder an der Möglichkeit, innerhalb dieser Legislaturperiode im Polizeigesetz noch die notwendige gesetzliche Grundlage zu schaffen. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, in diesem Gesetz schon im Vorgriff auf die polizeigesetzliche Regelung etwas mehr zu tun oder überhaupt einmal diese Position anzusprechen und dem Bürger die notwendigen Schutzmechanismen an die Seite zu stellen.

Zur grundsätzlichen Frage: Ich habe Zweifel daran, dass mit einer solchen Videoüberwachung etwas Grundsätzliches erreicht werden kann, es sei denn eine Verdrängung der Kriminalität in Nebengebiete. Dann haben wir in Stuttgart auf dem Schlossplatz oder auf einem Bahnhofsplatz vielleicht keine Alltagsstraßenkriminalität mehr, aber dafür in Nebengebieten. Damit stellt sich ganz automatisch die Folgefrage: Was machen wir dort? Muten wir den Leuten, die dort gehen müssen, Videoüberwachung oder aber Kriminalität zu? Dehnen wir die Videoüberwachung auch auf Nebengebiete aus, und haben wir dann einen Überwachungsstaat?

Diese Frage ist hinten und vorn noch nicht beantwortet, und es wird jetzt vorgeprescht, indem Versuche eingerichtet werden. Hier ist höchste Sensibilität gefordert, und ich neige eher zur Verneinung der Frage, ob man eine Videoüberwachung extensiv nutzen sollte.

Noch eine Bemerkung zu den Chipkarten. Wir haben es hierbei mit einer neuen Technologie zu tun, die hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen auch in die landesdatenschutzrechtlichen Vorschriften und Bestimmungen Eingang finden muss. Dass man mit den Einzelheiten der Regelungen nicht in jedem Fall und immer zufrieden sein muss, mag richtig sein. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wie dieses Gesetz insgesamt so, wie es jetzt beschlossen wird und wie wir ihm auch zustimmen werden, auch ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Aber es ist nicht der ganz große Wurf, der eigentlich notwendig gewesen wäre, sondern es ist ein Stückwerk, zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben doch nur ein Teilaspekt. Es verbessert die grundsätzliche Zersplitterung der Rechtslage nicht. Es ist eigentlich zu wenig. Wir hätten mehr erwartet.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort hat der Herr Innenminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei dieser Novellierung des Datenschutzgesetzes geht es zunächst einmal um die Grundfrage, ob wir jetzt schon, noch ohne entsprechende Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, unser Landesrecht an die entsprechende EU-Datenschutzrichtlinie anpassen sollen. Diese Grundsatzfrage haben wir positiv entschieden, weil es eine zeitliche Vorgabe der Europäischen Union gibt, die übrigens schon überschritten ist. Deshalb ist, glaube ich, insoweit Konsens: Der Zeitpunkt war richtig, jetzt das Landesdatenschutzgesetz zu novellieren.

Die zweite Frage, die wir mit dem Gesetzentwurf beantworten mussten, ist: In welchem Umfang wollen wir das Datenschutzrecht verändern, wenn eine Novellierung des Landesdatenschutzgesetzes ansteht? Dabei lassen wir uns, wie wir auch schon bei der ersten Lesung besprochen haben, von der Überlegung leiten, die Änderungen, da wir bisher ein Landesdatenschutzgesetz haben, mit dem wir nach unserer Auffassung zufrieden sein dürfen, auf das notwendige Maß zu beschränken. Wir wollen also insbesondere – nicht nur, aber vor allem – das tun, was notwendig ist, um die EU-Datenschutzrichtlinie ordnungsgemäß zu erfüllen. Das muss man einfach wissen, wenn wir jetzt, Herr Kollege Bebber, über die Frage diskutieren: Wie gehen wir im Detail vor?

Eines will ich in diesem hohen Hause wiederholen, weil wir ja irgendwann auch zur Diskussion über finanzielle Fragen kommen: Ich halte es – an die Adresse aller gesagt, die es angeht – nicht für richtig, dass wir die Stelle beim Landesbeauftragten für den Datenschutz nicht geschaffen haben, erst recht nicht, wenn ich an das Prozedere bei den Finanzausschusssitzungen denke. Beim ersten Mal – so musste man es als unbefangener Beobachter verstehen – war eigentlich klar, dass sie kommt. Aber nach einem Zwischenspiel ist sie bei den so genannten Resteberatungen wieder eingesammelt worden. Ich finde, da hat man noch etwas gutzumachen. Deshalb wollte ich das – auch wieder an die Adresse derjenigen, die es angeht, die ich aber jetzt nicht alle hier sehe, gerichtet – heute noch einmal festhalten.

Der Konflikt ist von Herrn Kollegen Bebber ja angesprochen worden. Wenn wir den Datenschutz stärken wollen – – Ich will das, was Herr Kollege Kiesswetter gesagt hat, unterstreichen: Wir schwächen den Datenschutz mit diesem Entwurf nicht. Vielmehr ist in Ihrem Sinn zu fragen, ob man vielleicht noch mehr hätte tun können. Wir haben uns anders entschieden. Aber wenn man den Datenschutz stärkt, wird dies in der Regel mit einer Zunahme des Auf

gabenfelds des Landesdatenschutzbeauftragten verbunden sein, sodass sich dann immer auch die Fragen nach dem erforderlichen Personal stellen.

Aber unabhängig davon – so habe ich es verstanden – ist schon aufgrund des Status quo eine Verbesserung der Stellensituation notwendig. Deshalb war es mir wichtig, dies heute noch einmal festzuhalten. So, wie dies gelaufen ist, war es nicht ganz in Ordnung.

Nun noch zu einigen wenigen inhaltlichen Punkten. Herr Kollege Bebber, über die Frage eines obligatorischen behördlichen Datenschutzbeauftragten haben wir im zuständigen Ausschuss lange diskutiert. Sie können nicht jedem Prinzip entsprechen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie können uns – das gestehe ich Ihnen gern zu – mit einem gewissen hintersinnigen Lächeln unsere eigene Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfs entgegenhalten.

(Abg. Bebber SPD: Ich hindere Sie nicht! Volle Achtung vor dieser Argumentation! Nicht hinter- sinnig!)

Eben deshalb auch hintersinnig.

(Abg. Bebber SPD: Wie käme ich dazu?)