Protocol of the Session on May 18, 2000

Deshalb geht bei dieser Debatte unsere dringende Bitte und unser Auftrag an unseren Wirtschaftsminister, er möge bei der in dieser Woche stattfindenden Wirtschaftsministerkonferenz seine Kollegen doch bitte davon überzeugen, dass sie die äußerst effizient geförderte Beratung des Handwerks weiterhin erhalten und nicht ein solches Chaos veranstalten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Oh nein! So eine Sülze! – Abg. Wintruff SPD: 16 Jah- re hatten Sie Zeit dafür!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheffold.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den letzten anderthalb Jahren haben wir von der Bundesregierung und vom Bundeskanzler viel über die neue Mitte gehört. Aber wenn man sich die letzten anderthalb Jahre genau betrachtet, kann man sagen: Ob neue Mitte oder alte Mitte: Bei dieser Bundesregierung und ihrer Politik besteht eine deutliche Schieflage zulasten des Mittelstands.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Dafür gibt es einige Beispiele, die ich nur exemplarisch ansprechen möchte. Ich nenne die Ökosteuer,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt kommt diese Leier wieder!)

die vor allem auch in den Flächenländern zu einer Verteuerung führt.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Ich nenne die Bagatellisierung von Straftaten, Herr Kollege Salomon. Wer Straftaten bagatellisiert, stört nicht nur das Rechtsbewusstsein, sondern auch den mittelständischen Einzelhandel.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ein weiteres Beispiel: Durch die Rücknahme der vorsichtigen Arbeitsrechtsflexibilisierung der Regierung Kohl verhindert die Bundesregierung Arbeitsmarktchancen für ältere Arbeitslose.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Diese Rede wird die Basis in Biberach nicht überzeugen! – Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einige Themen etwas näher eingehen.

Die Enquetekommission „Situation und Chancen der mittelständischen Unternehmen, insbesondere der Familienunternehmen, in Baden-Württemberg“ dieses Landtags führt seit einem Jahr im ganzen Land Anhörungen durch. Die Kommission hat etwa 160 Unternehmer und zahlreiche zusätzliche Experten – Professoren, Wissenschaftler – gehört. Vor allem bei den Unternehmern zogen sich einige Themen wie ein roter Faden durch die Beiträge. An erster Stelle standen die verunglückten Regelungen aus dem letzten Jahr, meine Damen und Herren. Das gilt zum Beispiel für das Scheinselbstständigkeitsgesetz, eine völlig verunglückte Regelung.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Mitt- lerweile schon längst korrigiert!)

Sie ist nun korrigiert worden. Herr Kollege Salomon, Sie sprechen es zu Recht an. Aber wissen Sie, wie das Gesetz heißt? Es heißt „Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit“.

(Lachen der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Es ist eine vermurkste Korrektur eines vermurksten Gesetzes. Dieser Titel ist der blanke Hohn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das zweite Thema ist die Regelung der 630-DM-Jobs. Hunderttausende von Teilzeitjobs, auf die der Mittelstand besonders in Baden-Württemberg angewiesen war, sind

weg. Arbeitskräftemangel ist doch nicht nur, wie es die Bundesregierung darstellt, ein Thema einer einzigen Branche, nämlich der IT-Branche, sondern Arbeitskräftemangel gibt es auch in anderen Branchen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Natürlich! – Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren – auch zum Erfolg dessen, was angestrebt wurde –: Nur 2 % der angesprochenen Jobs sind in sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt worden. Ebenfalls nur 2 % der Betroffenen haben ihre Rentenbeiträge freiwillig aufgestockt. Aber bei jedem zweiten Betrieb ist laut einer Umfrage angefragt worden: Können wir schwarz weitermachen?

(Heiterkeit des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen)

Die bestehende Regelung der 630-DM-Jobs ist eine Anstiftung zur Schwarzarbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen)

Wir erleben die Folgen in unserem Land. Nach einer Umfrage halten 53 % Schwarzarbeit für ein Kavaliersdelikt.

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Die jüngsten Berichte des Wirtschaftsministers zeigen, dass wir im Jahr 1999 doppelt so viele Fälle wie im Jahr 1996 hatten. Von der riesigen Zunahme der bürokratischen Belastung der Betriebe durch die angesprochene Regelung will ich gar nicht reden.

Ein weiteres großes Thema ist die Steuerreform. Heute beschließt der Deutsche Bundestag darüber. Aber, meine Damen und Herren, es kann doch nicht richtig sein, dass Erlöse aus Beteiligungsverkäufen durch Aktiengesellschaften, durch große Kapitalgesellschaften, steuerfrei sind, während der Erlös aus einem Betriebsverkauf eines Mittelständlers voll besteuert wird.

(Abg. Capezzuto SPD: Das habt ihr 16 Jahre groß- zügig gemacht!)

Auch der jetzt vorgesehene Freibetrag beseitigt diese Schieflage, Herr Kollege, nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Fragwürdig ist es ebenfalls, wenn die Steuersätze für die Unternehmen künftig so unterschiedlich gestaltet werden. 15 % der Unternehmen, die wir haben, sind ja Kapitalgesellschaften. Etwa 85 % sind kleine Firmen, meistens Personengesellschaften, Einzelkaufleute. Wenn bei den einen, den Großen, die Steuerbelastung künftig bei 25 % liegt und bei den anderen nach wie vor zum Teil eine Belastung zwischen 45 und 50 % vorhanden ist, wird auch hier deutlich: Der Mittelstand zahlt die Zeche.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Ein weiteres Problem, meine Damen und Herren: Die Bundesförderung für die Beratung im Handwerk ist infrage gestellt. Wir sind nicht der Auffassung, dass sich der Staat in alle Bereiche einmischen muss. Er sollte dies im Unternehmensbereich in der Regel nicht tun. Aber er muss größenbedingte Nachteile der Unternehmen dort, wo es geht, ausgleichen helfen. Ein wesentliches Instrumentarium dazu ist die Förderung des Beratungs- und Informationswesens. Existenzgründungsförderung, Betriebsnachfolge, Unternehmensführung, Innovation und Kommunikationstechniken gehören dazu.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Meine Damen und Herren, von der geplanten Streichung durch den Bundeswirtschaftsminister wären auch 50 Betriebsberater in Baden-Württemberg betroffen. Dies allein schon ist ein unmöglicher Tatbestand. Aber er wird es dann erst recht, wenn deutlich wird, dass das, was der Bundeswirtschaftsminister plant, eine reine Strafmaßnahme wegen Äußerungen des deutschen Handwerks, die ihm nicht gefallen haben, ist. Die Bundesregierung sendet derzeit verheerende Signale aus.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das sehe ich aber ganz anders!)

Ich nehme den Fall Holzmann, meine Damen und Herren. Bei einem Fall wie Holzmann kommt der Kanzler, aber wenn ein Kleinbetrieb Schwierigkeiten hat, kommt nicht Schröder, sondern der Konkursverwalter. Auch dies ist eine Schieflage.

(Beifall bei der CDU – Abg. Capezzuto SPD: Was habt ihr bei Daimler-Benz gemacht? Fünf Jahre lang keine Steuern!)

Herr Kollege, gehen Sie lieber auf Ihre Bundesregierung zu. Kommen Sie zum Notwendigen: Abbau der bürokratischen Regelungen, eine Steuerreform, die allen Unternehmensformen gerecht wird, eine Flexibilisierung im Arbeitsrecht. Stecken Sie die Ökosteuermittel auch in die Infrastruktur, und behalten Sie vor allem die Beratungsförderung im Handwerk bei.

(Beifall bei der CDU – Abg. Capezzuto SPD: The- ma verfehlt!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Aber jetzt einmal volles Rohr!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist schon eine tolle Nummer, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition in Berlin, abziehen. Sie haben 16 Jahre lang im Bund regiert. Sie haben eine verheerende Bilanz hinterlassen

(Oh-Rufe von der CDU)

und stellen sich jetzt hierhin und beklagen den Untergang des Handwerks und zeigen auf die jetzige Bundesregierung.

Wollen wir einmal diejenigen zu Wort kommen lassen, um die es hier geht – und das ist die Wirtschaft –, und hören,

wie die Wirtschaft ihre Lage jetzt beurteilt. Es gibt ganz aktuell vom 11. Mai dieses Jahres den aktuellen Konjunkturbericht der IHK für die Region Stuttgart. Er beginnt mit den Worten: