Protocol of the Session on May 18, 2000

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag und die Stellungnahme dazu bringen nichts wesentlich Neues, aber die Stellungnahme ist eine Fleißarbeit, ein umfassender Überblick und ist als solcher sicher gut für unsere Arbeit im Parlament zu gebrauchen.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Nicht so viel Lob, Herr Kollege!)

Die Stellungnahme zeigt aber auch, dass die Probleme der inneren Sicherheit nicht kurzfristig, sondern nur mittelund langfristig konzeptionell gelöst werden können. Das kann man an den Jahreszahlen sehen, die für einige der Abkommen angegeben sind: 1977 das erste Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich über die Zusammenarbeit, 1992 – ein großer Sprung – dann die so genannte Metzer Absprache, bei der man dann einen Schritt weiter ging und die Koordinierungsstellen einrichtete, und dann 1997, als man – als bisherigen Abschluss – die Zusammenarbeit mit Frankreich bei Polizei und Zoll vereinbarte und

daraus das deutsch-französische Zentrum der Polizei- und Zollzusammenarbeit in Offenburg entstanden ist, sicher eine sinnvolle Geschichte an der Grenze zu Frankreich. Ich glaube, es ist Aufgabe eines jeden Innenpolitikers, insbesondere der Sicherheitspolitiker, sich darüber selbst zu informieren. Ich habe dies getan, und zwar sowohl im Hinblick auf Frankreich als auch auf die Schweiz. Man hat mir dabei gesagt, im Großen und Ganzen könne man zufrieden sein. Aus der Sicht der dort tätigen Beamtinnen und Beamten müsste man noch das Tempo der Zusammenarbeit, die Weiterentwicklung verbessern.

Beim Lesen der Stellungnahme waren für mich einige Feststellungen interessant. In diesem Haus haben einige wohl nicht erwartet, dass sich die Kriminalitätsentwicklung im Grenzgebiet Baden-Württembergs, im Grenzgebiet Frankreichs und im Grenzgebiet der Schweiz nicht signifikant unterscheidet. Für mich ergibt sich daraus der Schluss, dass es richtig war, einerseits durch das Schengener Abkommen die Grenzkontrollen abzubauen, andererseits aber auch Ausgleichsmaßnahmen einzuführen. Diese greifen.

Klar ist natürlich, dass einige Delikte nur an der Grenze begangen werden können. Ein illegaler Grenzübertritt kann nur dort stattfinden und nicht in Tauberbischofsheim oder in Bad Mergentheim.

Man kann vielleicht zusammenfassend dazu sagen, dass die Zusammenarbeit der Polizei mit Frankreich, mit der Schweiz und mit Österreich auf dem richtigen Weg ist. Allerdings muss, da sich die Kriminalität und die Zusammenarbeit der Kriminellen fortentwickeln, auch hier mehr Tempo gemacht werden. Man muss mit mehr Nachdruck und auch verbindlicher mit den Nachbarn verhandeln. Dies ist ein Auftrag an Sie, Herr Innenminister.

Eine Erkenntnis aus diesem Antrag, allerdings auch schon allgemein bekannt, ist, dass die Kriminalität heute in der Regel vor allem organisiert und international ist. Sie macht nicht halt vor Grenzen, weder vor den EU-Binnengrenzen noch vor unseren Außengrenzen. Kurz gesagt: Kriminalität ist heute auch schon global. Aus dieser Erkenntnis heraus wird es auch immer wichtiger, die Zusammenarbeit mit den Ländern innerhalb der EU im Rahmen des Schengener Abkommens, aber auch die mit Nicht-EU-Ländern und vor allem die mit den Beitrittskandidaten zu intensivieren. Wir müssen auch sehen, dass Europa heute ein kriminalgeographischer Raum ist und daraus die Erkenntnis und die Forderung folgen, dass wir einen europäischen Sicherheitsraum brauchen. Es kann heute nicht mehr sein, dass jeder Staat für sich die Dinge konzeptionell überdenkt und nicht überlegt und nicht mit einbezieht, was sein Nachbar macht. Deshalb die Forderung: Kurzfristig muss es, was die Sicherheitspolitik betrifft, sicher ein abgestimmtes Verhalten geben. Aber schon mittelfristig, meine ich, brauchen wir eine einheitliche europäische Politik für innere Sicherheit.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ein guter Ansatz ist sicher Europol. Herr Kollege Rech, auch ich bin der Meinung, dass nicht die Tatsache, dass wir Europol haben, kritisiert wurde, sondern die formale Seite von Europol, zum Beispiel die Möglichkeiten der Beamten bzw. – als Stichwort – deren „Immunität“. Dies haben auch wir kritisiert. Aber ansonsten ist Europol natürlich der rich

tige Weg, um Kriminalität über die Grenzen hinweg zu bekämpfen.

Es war auch gut, dass man die Deliktbereiche Rauschgiftkriminalität, Menschenhandel und Schleuserkriminalität zuerst angegangen ist und Daten aufgebaut hat. Aber auch ich möchte, wie mein Kollege Rech, sagen: Es darf da nicht stehen bleiben. Die Kriminalität, die uns heute große Probleme macht, nämlich die Kriminalität, die mit Computern zusammenhängt, Betrug und Devisen-/Wertpapiervergehen, muss ebenfalls einbezogen werden. Auch hier müssen wir schauen, dass im Rahmen des Schengener Abkommens Europol zuständig wird.

Für mich ist auch wichtig, dass man zukünftig internationale Ermittlungsgruppen bildet, um noch besser reagieren zu können. Dabei ist es egal, ob das ständige Ermittlungsgruppen oder so genannte Ad-hoc-Gruppen, also anlassbezogene Gruppen sind. Man muss nur erkennen, dass man alle Ressourcen in diesem Bereich bündelt.

Die Verbesserungen im Bereich der Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung haben aber natürlich auch Konsequenzen. Sie sind in diesem Antrag und in der Stellungnahme hierzu nicht enthalten. Wir müssen noch mehr Augenmerk auf die Aus- und Fortbildung im Hinblick darauf legen, dass die grenzüberschreitende Kriminalität anteilmäßig in Aus- und Fortbildung besser behandelt wird. Wir müssen auch die Sprachkompetenz ständig verbessern, und zwar einerseits in Fremdsprachen, andererseits aber auch dadurch, dass wir den Weg weiter gehen, junge Menschen in die Polizei einzustellen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Auch dieser Weg ist, glaube ich, sehr wichtig, weil sich Kriminalität eben nicht auf Deutschland und Frankreich und deren Beziehung beschränkt, sondern auch nach Süd- und Südosteuropa hineinzielt.

Wir werden eine höhere Qualifikation haben. Diese höhere Qualifikation wird und muss natürlich auch besoldungsrechtliche Auswirkungen bei uns haben. Auch über diesen Punkt müssen wir uns Gedanken machen.

(Dem Redner wird das Ende der Redezeit ange- zeigt.)

Ich komme zum Schluss; ein Satz noch. – Und wenn wir neue Aufgaben und mehr Aufgaben für die Polizei haben, dann heißt dies auch, dass wir die jetzt schon vorhandenen Lücken bei der Polizei – Stichwort Mutterschaftsurlaub – schließen.

(Abg. Rech CDU: Toll! – Gegenruf des Abg. Na- gel SPD: Was, der Rech will auch in Mutter- schaftsurlaub? – Abg. Bebber SPD: Rech in Mut- terschaftsurlaub!)

Das heißt, es wird nichts daran vorbeiführen, Herr Kollege Rech, dass wir das tun, was notwendig ist: die Präsenz verbessern, der Polizei neue Aufgaben übertragen und sie besser qualifizieren. Erst dann, wenn die Landesregierung diese Dinge mit Nachdruck betreibt, können wir mit Ihnen zufrieden sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Bebber SPD: Das wird nie sein!)

Das Wort hat Herr Abg. Oelmayer.

(Abg. Bebber SPD: Sag gleich, wir sind nie zufrie- den mit denen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine kleine Vorbemerkung, wie sie bei meinen Reden ja sehr oft angezeigt ist, aber bei dieser erst recht, und zwar einfach deswegen, weil die CDU mit diesem Antrag sehr aktuell, so muss ich sagen, auf eine Reise des Petitionsausschusses reagiert hat. Dabei hatten wir uns nämlich mit der grenzüberschreitenden Kriminalität zwischen den USA und Mexiko befasst und auseinander gesetzt.

(Zurufe von der CDU: Ah! Aha! – Abg. Nagel SPD: Wie war der Tequila?)

Insbesondere haben wir uns, Kollege Rech, mit Schleuserbzw. auch mit Schieberkriminalität von Menschen beschäftigt,

(Heiterkeit und Zurufe – Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen)

wobei ich der Auffassung bin, dass dieses Thema auf jenem Kontinent noch eine ganz andere Rolle spielt als hier in Baden-Württemberg.

(Abg. Göschel SPD: Gebt den Schiebern keine Chance! – Abg. Dr. Birk CDU: Schieberei und Schleuserei! – Unruhe)

Ansonsten zum Antrag als solchem: Wenn man sich diese „Fleißarbeit“, wie es gerade von einem der Vorredner bezeichnet worden ist, und die gelieferten Fakten und Statistiken einmal genauer durchsieht, muss man als Erstes feststellen, dass wir keine bedrohliche Zunahme der grenzüberschreitenden Kriminalität verzeichnen können.

Das Gegenteil ist der Fall, meine Kolleginnen und Kollegen. Richtig ist, dass die grenzüberschreitende Kriminalität, jedenfalls von 1997 auf 1998, zurückgegangen ist. Das kann man jetzt als Lob an den Innenminister weitergeben, man kann es aber auch so interpretieren, dass sich die Befürchtungen, die in dem Antrag zum Ausdruck gebracht werden, dass nämlich grenzüberschreitende Kriminalität mit der Grenzöffnung und dem EU-Binnenmarkt wachsen würde, offensichtlich nicht in dem Umfang bewahrheitet haben, wie es manche hier im Haus vielleicht befürchtet haben.

Des Weiteren gibt es – auch das wurde schon gesagt –, keine signifikanten und keine ganz speziellen Kriminalitätshäufungen in Grenzgebieten. Wir können feststellen, dass sich die Kriminalität in den Grenzgebieten nicht viel anders entwickelt als in den anderen Teilen unseres Landes, sodass wir überhaupt keinen Anlass dazu haben, jetzt von einer grenzüberschreitenden Kriminalität zu sprechen, die wir problematisieren müssten oder die extrem zunehmen würde.

Zum Ergebnis dieses Antrags möchte ich noch etwas feststellen: Ich finde es etwas übertrieben, die Stellungnahme dazu als „Fleißarbeit“ zu bezeichnen; denn zu der Frage der Antragsteller, wo die Defizite lägen und was man dage

gen zu tun gedenke, ist die Stellungnahme nicht mehr ganz so umfassend und nicht mehr ganz so stichhaltig wie vielleicht diese oder jene Statistik, die wir in der Stellungnahme aufgeführt bekommen. Auch zu dieser Frage wären meines Erachtens von der Landesregierung Vorschläge zu machen, wie sie diese Defizite zu beheben gedenkt, wenn sie denn schon Defizite sieht.

Ein weiterer Punkt ist die Abstimmung mit den Polizeibehörden der Nachbarländer. Meine Damen und Herren, ich erspare Ihnen jetzt, die gesamten Abkommen, die in dieser „Fleißarbeit“ – wie es der Kollege Rech bezeichnet hat – genannt werden, hier aufzuführen.

(Abg. Rech CDU: Mein Zug fährt in 20 Minuten!)

Tatsache ist, dass es bereits eine weit gehende polizeiliche Zusammenarbeit auf der Basis zahlreicher Abkommen gibt, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Österreich und Italien geschlossen worden sind, andererseits aber auch eine Zusammenarbeit zwischen Baden-Württemberg und den Anrainerstaaten. In diesem Bereich kann eine weitere Zunahme der Zusammenarbeit meines Erachtens nur noch eine Fortentwicklung sein. Man wird aber die polizeilichen Maßnahmen in einem freien Europa – der Kollege Kluck lacht und wird mir zustimmen – natürlich nicht bis an die Spitze des Eisbergs treiben können.

Ein weiterer Punkt, der angesprochen worden ist: Herr Kollege Rech, es war eine Fleißarbeit, unseren Antrag zu Europol auszugraben.

(Lachen des Abg. Rech CDU)

Aber es ist natürlich nicht fair, wenn Sie den Antrag zitieren und so tun, als würden wir die europäische polizeiliche Zusammenarbeit gänzlich ablehnen. Wenn Sie den Antrag einmal genau durchlesen, werden Sie feststellen, dass wir Europol auf der Basis der jetzigen rechtlichen Vorgaben deswegen ablehnen, weil wir die Rechtsstaatlichkeit gefährdet sehen, weil wir die parlamentarische Kontrolle nicht sehen, weil wir den Datenschutz gefährdet sehen etc. Das alles sind hehre Grundsätze, meine Damen und Herren, die eigentlich in diesem Hause verstanden werden müssten und auch zu einer Änderung der Europol-Konvention hätten führen müssen. Das war die Intention, weshalb wir die Europol-Konvention abgelehnt haben.

Alles in allem darf ich zum Schluss zusammenfassen: Wir sind nicht der Auffassung, dass es irgendeinen Anlass zur Problematisierung oder dass es Besorgnis erregende Entwicklungen bei der grenzüberschreitenden Kriminalität gibt. Daraus schlussfolgere ich, dass wir keinen Anlass haben, die polizeiliche Zusammenarbeit noch über weitere Maßnahmen hinaus, wie sie bereits getroffen worden sind, auszubauen – unter Außerachtlassung von Fortentwicklungen, Weiterbildungen, sprachlichen Weiterbildungen, wie sie vom Kollegen Redling angesprochen wurden. Das ist ja durchaus sinnvoll, aber weitere Maßnahmen und den Ausbau des polizeilichen Apparats halten wir in Anbetracht dieser Stellungnahme der Landesregierung nicht für notwendig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat Herr Abg. Kluck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Redling, ich freue mich, dass Sie jetzt eingesehen haben, dass wir nach der Grenzöffnung auch besondere polizeiliche Maßnahmen benötigen, und dass Sie damit signalisiert haben, dass die SPD endlich ihren Widerstand gegen die ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen aufgeben will. Sehr vernünftig!

(Abg. Redling SPD: Sie drehen einem das Wort im Mund herum! Typisch!)

Nicht ganz so vernünftig ist der Kollege Oelmayer, der immer noch große Vorbehalte gegen Europol hat und sich hier sogar zu der Aussage versteigt, wir bräuchten keine weitere, keine engere und keine verstärkte Zusammenarbeit mit der Polizei unserer Nachbarländer. Das Gegenteil ist der Fall. Die Polizei kann nicht gut genug zusammenarbeiten.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Die Zah- len geben das nicht her, Herr Kollege Kluck! Ich glaube, Sie haben die Stellungnahme der Landes- regierung nicht gelesen!)

Im Gegensatz zu Ihnen höre ich zu. Eines haben Sie sehr richtig festgestellt: dass die innere Sicherheit in allen Teilen unseres Landes gewährleistet ist.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Also!)

Das gilt für das Landesinnere – Ulm ist zwar auch an der Grenze, aber nicht ganz so problematisch – und auch für die Grenzregion.

Damit es so bleibt, meine Damen und Herren, ist unsere Polizei an Rhein und Bodensee für die dort anstehenden besonderen Aufgaben auch besonders gewappnet. Sie arbeitet eng – das halten wir für wichtig – mit den Polizeien der Nachbarländer zusammen. Unsere Aufgabe hier ist es, die Rahmenbedingungen dafür möglichst kontinuierlich zu verbessern.