Protocol of the Session on May 17, 2000

(Abg. Wieser CDU: Stückwerk!)

Es gibt bis heute noch kein Konzept. Es gibt Eckpunkte, aber kein Konzept. Ich glaube deswegen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt mit Recht auch ein solches Konzept der Alterssicherungskommission Baden-Württemberg vorgelegt haben. Dieses Konzept soll dazu führen, dass man auch Bausteine nehmen kann und den einen oder anderen dieser Bausteine in die Konsensgespräche einbringen kann.

Ich sage Ihnen eines – ich habe es sehr stark herausgehört, sowohl von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als auch von der Fraktion der SPD –: Eigentlich gab es zu dem Konzept, wie es hier vorliegt, mehr Zustimmung als Ablehnung.

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Die SPD bewegt sich auf die CDU zu!)

Es gab ein bisschen viel Pulverdampf. Man sollte aber doch einmal auf die Historie zurückblicken, bevor ich das Konzept in Teilen vorstelle.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Tatsache ist doch, Herr Bebber, dass im Bundestagswahlkampf 1998 die SPD-Kandidaten – auch Herr Schröder – und die Kandidaten der Grünen durch die Lande gezogen sind und gesagt haben: Wir werden sofort nach der Bundestagswahl den Demographiefaktor abschaffen, weil er unsozial ist und dadurch die Rentner betrogen worden sind.

(Abg. Haas CDU: So ist es!)

Dann kam die Bundestagswahl. Rot-Grün hat gewonnen. Wir nehmen es zur Kenntnis; das müssen wir ja wohl auch.

(Abg. Haas CDU: Durch diese Wahllügen haben sie gewonnen! – Abg. Bebber SPD: Wollen Sie jetzt Dampf machen?)

Nein, ich will nur noch einmal daran erinnern, wie es war. Wir wollen ja keine Lebenslüge aufbauen. Ich will nur einmal sagen, wie es war, Herr Bebber.

Es war also die Bundestagswahl, und Rot-Grün hat dann das Wahlversprechen eingehalten und den Demographiefaktor – ein Kernpunkt der Rentenreform der CDU/CSUFDP-Bundesregierung – ausgesetzt, einen Demographiefaktor, der in der Tat mehr Gerechtigkeit zwischen Beitragszahlern und Rentnern einführen wollte.

Dann hat Kanzler Schröder noch im Februar 1999 gesagt, es bleibe bei der Nettolohnanpassung der Renten.

(Abg. Haas CDU: So ist es! Zweite Lüge!)

Dann kamen die Spargesetze. In den Spargesetzen war drin: Wir brauchen etwas zum Sparen, die Rentner müssen da mit ran, und wir machen nur einen Inflationsausgleich. In den Spargesetzen ist festgeschrieben, dass bei den Renten im Jahr 2000 1 Milliarde DM, im Jahr 2001 2,4 Milliarden DM und im Jahr 2002 1,7 Milliarden DM einzusparen sind. Weil die Spargesetze jetzt so im Raum stehen, haben gerade Herr Riester und die SPD die allergrößten Schwierigkeiten, echte Konsensgespräche zu führen, weil sie ja diese Einsparungen mit erbringen wollen. Kein Mensch glaubt doch, dass sie nach zwei Jahren anders handeln werden.

Wir haben also eine Rente nach Kassenlage, und das darf nicht sein. Rente braucht Verlässlichkeit, Rente braucht Vertrauen, weil viele Menschen gerade auf Rente, auf das Einkommen im Alter ihre Lebensplanung ausrichten. Deswegen müssen wir hier wieder Vertrauen in die Diskussion bringen.

Die Rentenlüge 1 war, wie gesagt, von Schröder.

Dann kam die Rentenlüge 2. Herr Riester hat noch gesagt, kein einziger Rentner werde weniger im Geldbeutel haben. Jetzt gibt es im Juli eine Anpassung um 0,6 %. Wir haben

(Minister Dr. Repnik)

aber eine Inflationsrate von 1,9 %. Das heißt, der Rentner hat natürlich weniger. Die Ökosteuer entlastet ihn nicht, sondern belastet ihn auch.

(Zurufe von der SPD)

Nein, die Frage ist nicht, ob mehr als bei der CDU. Übrigens: Die Anpassung bei der CDU wäre in diesem Jahr 1,6 % gewesen.

(Abg. Mühlbeyer CDU: Wäre!)

Wäre. – Mit Demographiefaktor hätte sie 1,6 % betragen. Jetzt haben wir 0,6 %. Die Rentner haben jetzt nicht mehr als bei der CDU. Tatsache ist eben, dass Herr Riester gesagt hat, keiner werde weniger im Geldbeutel haben, und die Rentner haben doch weniger im Geldbeutel.

(Abg. Wieser CDU: Eine Milliarde Betrug an den Rentnern!)

Der VdK – und Herr Hirrlinger ist nicht unbedingt ein Mann der Couleur der CDU/CSU – hat auch davon gesprochen, dass die Rentner die Sparesel der Nation seien. So weit zur Tatsache.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Historie war wichtig, damit Sie sich ein bisschen daran erinnern, wie es wirklich zuging, und keine Legenden aufbauen. Wir sollten wieder gemeinsam zu einem Konsens kommen, einem Konsens, wie er bis 1992 in der Rentenreform immer vorhanden war. In der Rentenfrage haben die großen Parteien immer zusammengearbeitet, weil es eben so wichtig ist, Zukunftssicherung zu betreiben.

Wir wollen im Land Baden-Württemberg mit dem Konzept, das wir vorlegen, zur Versachlichung beitragen. Dieses Konzept ist in sich geschlossen – damit ist es bis jetzt übrigens das einzige in sich geschlossene Konzept –, aber man kann es auch als Baustein nehmen. Uns fällt kein Zacken aus der Krone, wenn das eine oder andere nicht so umgesetzt wird, wie es darin steht.

(Abg. Mühlbeyer CDU: Aber es muss jetzt was laufen! – Abg. Bebber SPD: Die Vorstellung, dass ihr eine Krone aufhabt, ist schon lächerlich!)

Aber es sind gute Hinweise. Ich habe das Papier schon bei CDU und CSU eingespeist, und es ist auch schon bei der Bundesregierung angekommen. Es ist ein gutes Diskussionspapier.

Ein paar Worte noch zu der Kommission. Es war eine unabhängige Kommission, keine politische. Mitgearbeitet haben die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Baden-Württemberg, Frau Claudia Altschwager-Hauser,

(Abg. Zeller SPD: Sind das Neutren, oder wie?)

Professor Winfried Boecken von der Universität Konstanz, Professor Kreßel von der Daimler-Chrysler AG, Arbeitsund Sozialrecht, Herr Georg Mehl, Aufsichtsratsvorsitzender der Württembergischen Lebensversicherung AG – ganz wichtig, die Lebensversicherung mit hineinzunehmen –,

die beiden Direktoren der LVAs, Herr Löffler und Herr Schneider, und noch ein weiterer Professor, Professor Raffelhüschen aus Freiburg.

Was haben wir als Kernpunkte, als Eckpunkte? Die Grundentscheidungen sind: Wir wollen Generationengerechtigkeit. Wir wollen, dass der Generationenvertrag, der im Konsens besteht, auf Dauer aufrechterhalten werden kann.

Als Zweites schlagen wir vor, am Prinzip der Dreisäulensicherung festzuhalten – darüber gab es hier eigentlich auch keinen Dissens –: die gesetzliche Rentenversicherung umlagefinanziert, soweit es geht, aber mehr und mehr zurückgehend, die betriebliche Altersvorsorge und vor allen Dingen die private Vorsorgeversicherung, die mehr und mehr aufgebaut werden müssen.

Wir halten am Vorsorgeprinzip fest, das da heißt: erst eine Einzahlung und dann eine Leistung. Eine steuerfinanzierte Grundrente lehnen wir ab. Wir haben eine Absicherung nach unten, Frau Bender. Die so genannte Altersarmut ist durch die Sozialhilfe geregelt. Bei uns muss niemand arm sein. Die Sozialhilfe sorgt dafür, dass niemand in Armut fällt.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Sa- gen Sie das mal den alten Frauen, die sich nicht zum Sozialamt trauen! – Gegenruf des Abg. Döp- per CDU: Zeigen Sie mir die mal!)

Wir wollen, dass die kapitalgedeckte freiwillige Umlage mehr und mehr ausgebaut wird und die Grundsicherung mehr und mehr zurückgeht. Wenn dies auch erst ab dem Jahr 2020 greift, müssen wir schon heute darüber reden und es dem Bürger sagen, damit sich jeder darauf einstellen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wieser CDU: Die Beitragszahler haben ein Recht, zu wis- sen, wie es weitergeht!)

Bereiche, in denen wir dringend etwas tun müssen, sind die Leistungen für die Familien und die Position der Frauen. Beide müssen wir verbessern; auch da wird es keinen Dissens geben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Warum, meine sehr verehrten Damen und Herren, sagen wir?: Kapitalgedeckt allein ist nicht machbar. Das ist deswegen so, weil wir dafür mindestens 10 Billionen DM in die Hand nehmen müssten. Kein Mensch kann sagen, wie man so etwas finanzieren kann. Das wird nur nach und nach umgebaut werden können. Deswegen brauchen wir eine umlagefinanzierte Grundsicherung und eine kapitalgedeckte Ergänzung.

Auf den Beitragssatz legen wir relativ großen Wert. Wir sagen, 20 % sollten die Grenze sein, Frau Bender, müssen es aber nicht. Wir müssen schon ehrlich miteinander umgehen, und dieses Papier ist sehr ehrlich.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: 20 % sind es überhaupt nur mit der Ökosteuer!)

(Minister Dr. Repnik)

Wenn wir sagen, wir wollten die 20 % halten, müssen wir auch sagen, dass wir dann irgendwann im Jahr 2020 oder 2030 auf 59, 57 oder 55 % Rentenhöhe heruntergehen müssen. Das ist zu wenig.

(Abg. Mühlbeyer CDU: Aber dann ist die alternati- ve Vorsorge der Ausgleich!)

Dafür brauchen wir die Alternativvorsorge.

Wir sagen aber auch, der Beitragssatz solle nicht deutlich über 20 % steigen. Wenn er über 20 % steigt, haben wir als eine Alternative den so genannten Solidaritätsfaktor vorgeschlagen. Das heißt, der Rentner trägt dann die eine Hälfte und der Beitragszahler die andere. Dann würde der Beitrag nur um einen halben Prozentpunkt steigen und die Rente um einen halben zurückgehen.