Protocol of the Session on May 17, 2000

Herr Kollege Noll, was machen Sie denn in Ihrem Konzept mit den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die keine Eigenvorsorge betreiben können, weil ihr Einkommen einfach zu gering ist? Die werden im Alter eine relativ niedrige Rente haben, weil sie wenig Beiträge geleistet haben, und die haben in jungen Jahren keine Möglichkeit, Eigenvorsorge zu betreiben.

(Abg. Haas CDU: Sie haben das Papier ja wohl nicht gelesen!)

Ich danke sehr für diese Nachfrage, denn man kann in fünf Minuten nicht alles rüberbringen. Wir stehen natürlich auch dazu, kein zusätzliches Geld durch Zwangssparen zu generieren – das war ja Ihre Idee –, sondern wir sagen: Denjenigen, die keine Eigenvorsorge leisten können, müssen wir wirklich – das sagt ja auch die Kommission – in einem direkten Transfer die Möglichkeit bieten, eigenverantwortlich zusätzlich Eigenvorsorge zu treffen.

Wenn all das nicht reicht – ich hoffe, das ist klar zum Ausdruck gekommen –, wollen wir mit einem Bürgergeldkonzept dafür sorgen, dass der verschämten Altersarmut, die bisher über die Sozialhilfe geregelt wird, dank eines Bürgergeldanspruchs nicht weiter Vorschub geleistet wird.

(Abg. Wieser CDU: „Bürgergeldanspruch“! Schö- ner Titel, gell?)

Also ein klares Konzept: drei Säulen, und den sozialen Transfer im Bürgergeldsystem lösen. Dann, glaube ich, werden wir auch bei Alt und Jung mehr Akzeptanz für die Fortführung des Generationenvertrags erhalten.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Kluck FDP/ DVP: Sehr richtig!)

Das Wort erhält Herr Abg. Krisch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Besonders in der Sozialpolitik ist Glaubwürdigkeit die Grundlage jedes Handelns.

(Abg. Wieser CDU: In der gesamten Politik!)

Ich habe vorhin Beispiele gebracht, warum die Landesregierung allmählich unglaubwürdig wird. Ich möchte noch ein Beispiel nennen: „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ ist seit Jahren eine Forderung unserer Fraktion.

(Abg. Rapp REP: Die ist gut!)

Dafür wurden wir in diesem Parlament angegriffen.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen: Aber nicht, wenn sie in Sao Paulo geboren sind! – Abg. Wieser CDU: Bei uns gibt es nur Menschen!)

Der gleiche Satz, Kollegin Bender, steht im Verfassungsschutzbericht als Beweis für unsere Verfassungsfeindlichkeit.

Heutige „Frankfurter Allgemeine“, Zitat Ministerpräsident Teufel – ich darf vorlesen –:

Die Beschäftigung deutscher Arbeitskräfte muss Vorrang haben. Die Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer für Arbeitsplätze, die auch für einheimische Arbeitslose zur Verfügung ständen, gefährdet den sozialen Frieden.

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört!)

Wenn die Republikaner das sagen, ist das verfassungsfeindlich und ausländerfeindlich. Wenn der Ministerpräsident das sagt, ist das staatstragend. Welch abgrundtiefe hässliche Heuchelei!

(Beifall bei den Republikanern)

Herr Kollege Mühlbeyer, ich schätze Sie.

(Abg. Nagel SPD: Oje!)

In der 72. Plenarsitzung habe ich darauf hingewiesen, dass alte Rentnerinnen mit 800 bis 900 DM im Monat auskommen müssen. Sie sagten in Ihrem folgenden Redebeitrag, das seien nationalistische Töne. Lesen Sie es nach. Am vergangenen Freitag hat Herr Präsident Hirrlinger auf dem VdK-Verbandstag gesagt: 52 % aller Frauen in der Bundesrepublik haben eine Rente von weniger als 900 DM, und weitere 20 % haben eine Rente zwischen 900 und 1 200 DM. Ist das jetzt nationalistisch, oder ist das ein Hinweis auf soziale Verantwortung?

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben heute ständig Grün-Rot kritisiert. Aber die Verantwortung für die Erosion unseres Sozialsystems liegt doch bei der CDU. Für die Erosion in der Rentenversicherung trägt die Gesetzgebung von Norbert Blüm Verantwortung. Damit hat doch der Schröder nichts zu tun. Blüm hat Kinderlosigkeit mit doppeltem Rentenanspruch belohnt. Meine Damen und Herren, die versicherungsfremden Leistungen von 100 Milliarden DM, die in der Sozialversicherung jährlich aufgebracht werden, sind doch die Arbeit der CDU.

Wir haben heute mehrfach vom Generationenvertrag gesprochen. Wenn ein Versicherungssystem auf einem Generationenvertrag beruht und die Geburtenrate um 30 % zurückgeht, kann das, meine Damen und Herren, nicht mehr funktionieren. Meine Fraktion hat mehrfach die Forderung gestellt, die Rentenversicherung zu einem kapitalgedeckten System umzubauen, so wie es ursprünglich war. Wie wurden wir hier aber mit dem Argument – auch vom Herrn Sozialminister – abgebürstet, das sei unbezahlbar. Jetzt hat die Alterssicherungskommission endlich einige unserer Gedanken aufgenommen. Die betriebliche Altersvorsorge und die private Altersvorsorge sind kapitalgedeckt. Das sind ja Schritte in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren von der CDU, wichtig für die Alterssicherung ist auch eine angemessene und gerechte Verzinsung der einbezahlten Beiträge. Wenn man aber die Verzinsung in der Rentenversicherung mit der Verzinsung in kapitalgedeckten Systemen vergleicht, muss man von einem Betrug am Beitragszahler reden. Wie kommt es denn, dass alle Versorgungssysteme der Besserverdienenden, ob das Steuerberater, Anwälte oder andere sind, auf kapitalgedeckten Systemen basieren?

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das stimmt nicht!)

Ich habe nicht viel Zeit, Herr Kollege.

Bei der Umstellung auf ein kapitalgedecktes System wäre allein durch den Zinsgewinn für die Beitragszahler so viel herauszuholen, dass ein großer Teil der Umstellungskosten damit langfristig gedeckt wäre.

Meine Kritik an der CDU ist: Seit Sie im Bund in der Opposition sind, fordern Sie Dinge, die Sie als Regierung schon vor Jahren wissen mussten. Beispiel: Kindererziehung. Das ist doch nichts Neues; das ist seit Jahren bekannt.

(Abg. Haas CDU: Das haben wir doch schon seit Jahren drin!)

Herr Kollege Haas, passen Sie auf! – Vorhin wurde vom Kollegen Salomon auf die Rede des Bundespräsidenten hingewiesen. Diese Berliner Rede des Bundespräsidenten zeigt aber, dass er entweder nicht willens oder unfähig ist,

(Abg. Deuschle REP: Richtig!)

die Fiasko-Einwanderungspolitik Deutschlands

(Abg. Deuschle REP: Richtig!)

in die richtige Relation zur Einwanderungspolitik der USA zu setzen. Der Herr Bundespräsident sagt: Die dynamische Entwicklung der USA ist zum großen Teil auf Einwanderer zurückzuführen. Meine Damen und Herren, wer in die USA einwandern will, muss beweisen, dass er den USA etwas nützt.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

In den Sechzigerjahren habe ich in den USA für eine Stuttgarter Firma gearbeitet.

(Abg. Bebber SPD: Als Ausländer! – Abg. Pfister FDP/DVP: Was, ins Ausland sind Sie gegangen?)

Da wurde ich als deutscher Staatsbürger von den Amerikanern aufgefordert, Militärdienst zu leisten.

(Abg. Haas CDU: Und, haben Sie es gemacht?)

Das ist amerikanische Einwanderungspolitik. Wenn der Bundespräsident darauf hinweist, unsere Zuwanderer – Menschen mehrheitlich auf Hilfsarbeiterniveau – hätten unsere Rentenkasse gestützt, zeigt das: Der Bundespräsident hat die Fakten nicht erkannt.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie hätten die heutige Debatte nicht benötigt. Sie hätten sich auf die Rede von Herrn Rau beziehen können. Sie haben den Zugang zu den Medien. Sie hätten den Bürgern klarmachen können, dass hier eine falsche Politik betrieben wird. Aber selbst da haben Sie versagt.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erhält Herr Minister Dr. Repnik.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Renten, Rentensicherung und Alterssicherung“ – Herr Krisch, das ist völlig unabhängig davon, welcher Nationalität die Leute sind; wenn sie bei uns wohnen, haben wir dafür Sorge zu tragen, dass sie, wenn sie eingezahlt haben, im Jahr 2020 oder im Jahr 2030 eine Rente bekommen; deshalb sollten wir zu dem Thema zurückkommen, über das wir heute sprechen – ist von hohem öffentlichen Interesse. Die Debatte hat ja auch gezeigt, wie die Emotionen hochgehen.

(Abg. Zeller SPD: Aber nur beim Kollegen Mühl- beyer!)

Die Debatte hat auch gezeigt, wie verunsichert die Bevölkerung ist und wie verunsichert auch die Wirtschaft ist. Wir müssen uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil Rente und Alterssicherung in der Tat ein ganz wichtiges Thema sind, überlegen, wie es zumindest ab dem Jahr 2020 oder 2030 wirklich weitergeht. Wir müssen heute – heute! – die Weichen stellen und nicht erst in 10 oder 20 Jahren.

(Zustimmung des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Rot-Grün macht auch in diesem Bereich – wie in allen anderen Dingen in den letzten anderthalb Jahren – nichts anderes als Flickschusterei.

(Abg. Wieser CDU: Stückwerk!)