Protocol of the Session on May 17, 2000

Ich denke, dass unser Kurs in Baden-Württemberg der richtige ist:

Erstens: Seit den Achtzigerjahren haben wir das Thema Erziehung auf die Fahnen unserer Schulen geschrieben und in unseren Lehrplänen verankert. Das hat in den Achtzigerjahren nicht jeder für richtig oder für gut befunden. Ich denke, heute stellt sich immer mehr heraus, dass Schule vor allem einen Erziehungsauftrag, einen Auftrag zur Werteerziehung hat.

Ein zweiter Punkt: Wir haben Gott sei Dank die wohnortnahe Schule, eine viel gegliederte Schullandschaft, die den ganz unterschiedlichen Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler am ehesten gerecht wird und auch am ehesten Erfolgserlebnisse ermöglicht.

Drittens: Wir haben mit der inneren Schulreform neben der Vermittlung – ich sage es in nur drei Schlagworten – von Fachkompetenz verstärkt auch die Sozial- und Handlungskompetenz in den Mittelpunkt gestellt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Ich will jetzt nicht die vielen einzelnen Möglichkeiten darstellen – Georg Wacker hat das zum Teil getan –, sondern nur ein paar Stichworte nennen: erweiterte Beteiligungsund Mitbestimmungsmöglichkeiten der Schüler, Ausbildung zu Schülermentoren, Ausbildung zu Schülertutoren, Kooperationsprogramme, Schulsozialarbeit, mehr Ganztagsschulen, Jugendberufshilfe, Medienerziehung, aber auch ganz wichtige Schulfächer in der Stundentafel, die für manche Randerscheinungen der Schule und immer wieder Verfügungsmasse sind. Ich nenne ganz bewusst das Fach Religion, aber auch Ethik und den Sportunterricht.

Was der Kollege Salomon an unseren Schulen einfordert, mehr Sport, mehr Bewegung, das ist hundertprozentig richtig. Aber besuchen Sie ein paar Schulen. Da gibt es nicht nur vier Modelle,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das habe ich auch nicht behauptet!)

sondern Bewegung an unseren Schulen ist ein durchgehendes und ganz aktuelles Thema. Wenn das eine oder andere

Sportgerät vor Ort fehlt, hindert die Schule niemanden daran, auch diesen zusätzlichen Beitrag zu leisten.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Be- wegung findet statt, wenn Unterricht ausfällt! Das ist doch das Problem hier!)

Wenn Sie zwischen Bewegung und Unterricht differenzieren, dann ist das eine komische Aufteilung, weil für uns Sportunterricht und Bewegung integrale Bestandteile und nicht eine kleine kosmetische Beigabe zum Unterricht sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: Ganz wichtig und entscheidend für die nächsten Wochen und Monate ist, dass wir Netzwerke gegen Gewalt knüpfen, und zwar auf beiden Ebenen, auf der Landesebene genauso wie auf der örtlichen Ebene, auf der Ebene unserer Schulen. Wir brauchen Netzwerke mit allen, die unseren Schulen helfen können. Das sind natürlich an erster Stelle die Eltern, aber auch die Kirchen, die Wirtschaft, die Vereinsarbeit, die offene Jugendarbeit, die Sozialarbeit und in zunehmendem Maße auch die Polizei.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Wir brauchen dieses Netzwerk zur pädagogischen Zielorientierung und für ganz konkrete einzelne Maßnahmen.

Wir stehen ja nicht am Anfang. Eine ganz neue Erhebung hat ergeben, dass wir 1 023 Projekte an Schulen haben – das ist inzwischen ein Drittel unserer weiterführenden Schulen – und dass bereits 395 runde Tische an Schulen eingeführt worden sind. Auf Landesebene werden wir die zuständigen Ministerien – vor allem das Kultusministerium, das Innen- und das Sozialministerium – und viele Landesorganisationen, Dachorganisationen miteinander verknüpfen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zum Schluss will ich noch auf drei Tatsachen hinweisen, über die nachzudenken sich lohnt, weil alle drei Tatsachen miteinander zu tun haben, sich gegenseitig bedingen und einen direkten Bezug zu dem heutigen Thema haben.

Das erste Thema: Zukunftschancen der jungen Generation in Baden-Württemberg. Tatsache ist, dass wir die geringste Arbeitslosigkeit und auch die geringste Jugendarbeitslosigkeit haben. Das ist ein ganz wichtiges Thema.

Zweites Thema: Bildungschancen. Ich denke, es ist inzwischen unbestritten, weit über Baden-Württemberg hinaus, dass unser Bildungsangebot, die Bildungschancen, die in Baden-Württemberg bestehen, im Bundesvergleich die besten sind.

Das dritte Thema: innere Sicherheit. Auch da sind die Plätze klar belegt: die höchste Aufklärungsrate und die geringste Kriminalitätsrate bei uns in Baden-Württemberg.

Weil diese drei Punkte für den baden-württembergischen Weg sprechen, haben wir allen Grund, meine Damen und Herren, an diesem Kurs festzuhalten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich den bisherigen Ablauf dieser heutigen Debatte beurteile, komme ich zu dem Ergebnis, dass hier mit Ausnahme des Beitrags vom Kollegen Kleinmann etwas abgelaufen ist, was man nur mit dem Begriff „Verharmlosung einer wichtigen und ernsthaften Sache“ kennzeichnen darf.

(Beifall bei den Republikanern)

Glauben Sie, meine Damen und Herren, dass Sie mich oder unsere Fraktion treffen, wenn Sie hier Ihre üblichen Betroffenheits- und Verharmlosungsrituale abziehen?

(Beifall bei den Republikanern)

Sie treffen nur die Jugendlichen, die Ihnen noch vertrauen und von Ihnen konkrete Lösungen erwarten. Diese Jugendlichen und deren Eltern, aber auch die Lehrerinnen und Lehrer haben doch, wie gesagt, einen Anspruch, ein Recht auf eine sichere, behütete Schule,

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

frei von Angst und frei von Gewalt. Warum muss man hier eigentlich darüber diskutieren?

Wenn gesagt wird, es sei kein Problem, und von 0,24 % geredet wird, dann stimmt das gar nicht, weil das Anzeigeverhalten, das hier ja sehr charakteristisch ist, eben das Hauptproblem darstellt.

Ich habe vom zuständigen Ministerium eine Umfrage über die Gewalt an Lehrern im Kreis Esslingen durchführen lassen. Dabei kam heraus, dass in dem betreffenden Zeitraum nur zwei der 27 Fälle angezeigt worden sind, obwohl es sich in vielen Fällen um schwere Körperverletzung gehandelt hat.

(Abg. Rapp REP: Unglaublich! – Abg. Dr. Salo- mon Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt aber!)

Warum gehen Sie hier dann mit diesen Bagatellzahlen hausieren? Weil Sie die von uns geforderte sachliche Analyse gar nicht wirklich durchführen wollen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt kommt es, genau! Da wollten Sie hin in der Debat- te!)

Warum verweigern Sie sich, Herr Staatssekretär, der Analyse, die wir hier fordern?

(Abg. Rapp REP: Weil er lieber wegguckt!)

Wir fordern das doch nicht aus irgendwelchen Gründen, sondern wir wollen, dass das Problem gelöst wird, damit wir zu mehr Sicherheit an unseren Schulen beitragen.

(Beifall bei den Republikanern)

Kümmern Sie sich hier um die konkreten Probleme, anstatt einer zum Teil gescheiterten Integrationsideologie nachzuhängen und treu zu bleiben. Ihr Verhalten ist doch zutiefst

feige. Es ist nicht nur feige, sondern es schafft auch Voraussetzungen für das Entstehen künftiger Probleme, die wir dann kaum lösen können, meine Damen und Herren.

Warum suchen denn zu diesem Thema so viele Jugendliche das Gespräch mit uns Abgeordneten? Kann es vielleicht sein, meine Damen und Herren, dass diese Jugendlichen durch ihre gemachten Erfahrungen im Klassenzimmer, auf dem Schulhof und auf dem Schulweg Ihr ewiges multikulturelles Gerede satt haben, weil es mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt?

(Beifall bei den Republikanern)

Ich kann da nur sagen, meine Damen und Herren, dass sich die Jugendlichen und ihre Eltern, aber auch Lehrerinnen und Lehrer bei dieser Frage auf die Fraktion der Republikaner verlassen können, auch in Zukunft. Dass wir solche durchaus brisanten Themen hier anschneiden, zeigt auch, dass wir in diesem Landtag sehr, sehr wichtig sind, weil solche Themen sonst niemand anschneidet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Rapp REP: Da hat er Recht! Das stimmt!)

Herr Staatssekretär Köberle, meine Damen und Herren, wir werden hier auch die Interessen der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Eltern vertreten und uns nicht unter irgendeinem Vorwand vor schwierigen Fragen der Gesellschaft drücken.

(Vereinzelt Beifall bei den Republikanern)

Dazu ist uns Republikanern dieses Thema zu wichtig.

Zum Schluss darf ich sagen: Vor acht Jahren war dies kein Thema. Da gab es eine Mauer des Schweigens. Da wurden wir ausgelacht und gefragt: Wie kommt ihr denn hier auf ein solches Thema? Da hat die Entwicklung schon angesetzt. Sie, meine Damen und Herren, machen sich mitschuldig, wenn Sie in Zukunft eine solch wichtige Debatte auf dieser Ebene führen. Wir müssen die Realitäten so wahrnehmen, wie sie sind. Nur so können wir vernünftige Lösungen durchsetzen.

Danke.