Protocol of the Session on April 13, 2000

(Abg. Brechtken SPD: Viel zu lange! – Zuruf des Abg. Deuschle REP)

wenigstens als Mindestwissen irgendwo verinnerlicht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zurück zum Thema. Wir haben jetzt noch weniger als 45 000, aber immer noch über 40 000 Kosovaren. Ich sage klipp und klar – das entspricht auch den Beschlüssen, die dieses hohe Haus in seiner Mehrheit getroffen hat, und den Beschlüssen des Kabinetts, und das wird in jeder Bürgermeisterbesprechung, bei jeder Kreisbereisung als der dringendste Wunsch der kommunalen Seite an meine Adresse

gerichtet –: Wir müssen energisch und konsequent die Rückführung dieser Kosovaren betreiben. Wenn Sie da wackeln, werden Sie keine konsequente Linie finden. Und wenn Sie keine konsequente Linie haben, wird die Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr im Sinne des freiwilligen Muss auf null zurückgehen.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Deshalb werden wir eine konsequente Linie verfolgen. Ich teile Ihnen mit – nur, damit es klar ist und keiner sagen kann, ich hätte hier nicht vollständig alles gesagt –: BadenWürttemberg hat in den wenigen Wochen seit Beginn der Rückführungen zwei Drittel aller zwangsweisen Abschiebungen in ganz Deutschland durchgeführt. Wir gehen die Rückführung der Kosovaren also mit allem Nachdruck an.

Wenn ich vorhin gesagt habe, das Thema Bosnier sei gar nicht mehr virulent, dann müssen wir eigentlich über die Kosovaren sprechen. Wir erleben es doch schon ständig. Auch der berühmte Edelgastronom, der „Rebell vom Kaiserstuhl“,

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

spricht ja von Kosovaren und nicht von Bosniern. Wir werden hierbei genau das Gleiche erleben: Aus der Wirtschaft – sprich: aus der Gastronomie, aus den Gartenbaubetrieben, aus dem Bauhandwerk und aus dem Baunebengewerbe – werden Wünsche an uns herangetragen werden, dass auch die Kosovaren, soweit sie als Arbeitnehmer wichtig sind, hier bleiben sollen. Ich füge Folgendes hinzu: Wenn sich das durchsetzt, dann können Sie sich von einer Rückführung der Kosovaren verabschieden.

Ich füge hinzu: Für mich ist nicht nachvollziehbar, wo noch ein Rest an politischer Moral vorhanden sein soll, wenn Sie die leistungsfähigen Menschen aus einem Land, das den Wiederaufbau so dringend benötigt wie das Kosovo, hier in Deutschland belassen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Das ist unsolidarisch!)

Das kann gar nicht gut gehen. Deshalb ist meine herzliche Bitte: Stören Sie trotz der Diskussion über die Bosnier nicht den Beginn der ganz wichtigen Rückführung der über 40 000 Kosovaren. Sie kann nur dann einigermaßen erfolgreich sein, wenn wir konsequent bleiben.

Ich darf an die Adresse aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bezirksstellen der Regierungspräsidien und bei den weit über 100 Ausländerämtern, die einen schweren Job erledigen, der undankbar ist, der unangenehm und auch menschlich hart ist, manchmal auch mit Bedrohungen und Anfeindungen verbunden,

(Abg. Deuschle REP: Ach ja!)

an die Adresse aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerverwaltung sagen: Sie können sich auf Ihren Innenminister verlassen. Aber ich wünsche diesen Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich auch auf den Landtag von Baden-Württemberg verlassen können.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Tagesordnungspunkt 2 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Auswirkungen der Sparbeschlüsse der rot-grünen Bundesregierung auf die Arbeit sozialer Einrichtungen in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der CDU

Ich weise noch einmal darauf hin – –

(Unruhe)

Wenn die Damen und Herren sich ein wenig beruhigen und Platz nehmen würden – dieser Wunsch gilt auch Ihnen, Herr Kollege Wieser und Herr Kollege Kuhn.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Nachdem Sie freundlicherweise Platz genommen haben, fahre ich fort. Ich weise auch bei dieser Aktuellen Debatte darauf hin, dass die Beiträge in freier Rede zu halten sind. Ich bitte die Landesregierung erneut, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Brechtken SPD: Hat die sich schon jemals daran gehalten, Herr Präsi- dent?)

Bei der letzten Aktuellen Debatte betrug die Redezeit der Regierung 36 Minuten und 35 Sekunden.

(Oh-Rufe von der SPD)

Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Dr. Stanienda, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 23. Juni 1999 hat die rot-grüne Bundesregierung das Zukunftsprogramm zur Sanierung des Haushalts beschlossen und damit einschneidende und einschränkende Eingriffe

(Abg. Brechtken SPD: Das war ein gutes Pro- gramm!)

Sie werden es noch hören, Herr Kollege – in die Versorgungsstruktur der sozialen Dienste, die vor allen Dingen unser Land betreffen.

Sie hat beschlossen, die Dauer des Zivildienstes von 13 auf 11 Monate zu reduzieren. Sie hat beschlossen, die Zahl der Zivildienstleistenden von 138 000 auf 124 000 zu senken. Sie hat zugleich höhere Kosten für die Beschäftigungsstellen verordnet. Das Besoldungsgeld wird von bisher 25 auf 30 % erhöht, was die Beschäftigungsstellen in Zukunft zu tragen haben. Das bedeutet auch, dass der Entlassungssold für die Zivildienstleistenden, der bisher ausschließlich vom Bund getragen werden musste, jetzt den Beschäftigungsstellen zufällt.

Die Resturlaubszeiten fallen nun ebenfalls in diese Zeit der Versorgungslücke, die sich vom 30. Juni bis September ergibt, weil in dieser Zeit bereits die Reduzierung der Zivil

dienstzeit greift. Wir haben hier eine Versorgungslücke, die sich in vielen Bereichen auswirkt: in der Pflege, in der Altenversorgung, in der Krankenversorgung. Ich denke, das ist ein Armutszeugnis für die rot-grüne Bundesregierung, die angetreten ist unter der Prämisse, soziale Gerechtigkeit zu garantieren.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Diese Lücke, die sich im Sommer dieses Jahres auftun wird – wir stehen also kurz vor dieser Situation –, wird auch nicht durch Aushilfskräfte schnell zu schließen sein. Denn erst einmal müssen Sie diese suchen, dann müssen Sie sie gefunden haben, und dann müssen sie auch noch tariflich versorgt werden. Das heißt, wir müssen Aushilfskräfte einstellen, die nicht qualifiziert sind. Die Versorgung wird dann in mangelnder Qualität erledigt werden. Es kommen auf die Beschäftigungsstellen auch höhere Lohnkosten zu.

Für die Betroffenen, das heißt für alte, behinderte und kranke Menschen, bedeutet dies, dass sie mit einem schnelleren Personalwechsel rechnen müssen. Sie haben ständig wechselnde Gesichter, ständig wechselnde Personen. Es bedeutet aber auch, dass sie sich unter Umständen an den Kosten für die Betreuung und die Versorgung beteiligen müssen. Möglicherweise muss auch von denen, die jetzt noch ambulant betreut werden können, ein großer Teil stationär untergebracht werden. Die Selbstständigkeit dieser Menschen wird aufgehoben. Sie werden in stationäre Einrichtungen überführt werden müssen, weil sie ihren Kostenanteil nicht mehr tragen können.

(Beifall der Abg. Haas CDU und Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wenn Zivildienstleistende in technischen Bereichen, also die Bereiche, in denen Zivildienstleistende als Gärtner, als Hausmeister oder in der ambulanten Versorgung durch Fahrdienste tätig sind, entfallen, was die Bundesregierung ja angekündigt hat, dann sind davon vor allem die Schwerstbehinderten betroffen. Sie werden nicht mehr persönlich betreut und versorgt werden können. Sie werden wahrscheinlich als Erste in stationäre Einrichtungen überführt werden müssen. Wenn diese technischen Bereiche wegfallen, bedeutet dies auch ein großes Defizit.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Das sind Horrorszenarien! Damit machen Sie den Men- schen Angst! Das ist unverantwortlich! – Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die haben Angst!)

Frau Bender, Sie können gleich noch reagieren.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Das werde ich auch!)

Jetzt habe ich das Wort. – Es bedeutet aber auch, dass in der Kinder- und Jugendhilfe und auch bei den Fahrdiensten ein großes Defizit entsteht.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Zivil- dienstleistende soll es doch gar nicht mehr geben, wenn es nach euch geht!)

Ich meine, meine Damen und Herren, dass das, was die Bundesregierung mit ihrem Spargesetz beschlossen hat, ein sozialer Kahlschlag ist und keine solide und gerechte Sozialpolitik.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Man muss sich wirklich wun- dern, wie da argumentiert wird!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Müller.

(Abg. Mühlbeyer CDU: Herr Müller, jetzt müssen Sie auch noch solches Zeug verteidigen!)