Protocol of the Session on April 12, 2000

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner – Zu- ruf der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen)

Sie müssen einmal zu etwas Neuem kommen. Sie müssen Farbe bekennen. Das haben Sie heute nicht getan. Deswegen, meine Damen und Herren, beantragt meine Fraktion zu Ziffer 1 des Beschlussantrags – es handelt sich ja, wie der Herr Präsident vorhin schon deutlich gemacht hat, nicht nur um einen Berichtsantrag – namentliche Abstimmung,

(Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP: Oh lieber Gott!)

und zwar deswegen, weil wir vor allem den Mitgliedern der CDU-Fraktion die Gelegenheit geben wollen, hier heute tatsächlich Farbe zu bekennen. Herr Schmid hat ja am 25. November letzten Jahres gesagt, dass Sie schon immer dafür waren, Artikel 16 a des Grundgesetzes in der jetzigen Fassung abzuschaffen und eine institutionelle Garantie einzuführen. Zeigen Sie heute, dass Sie wirklich dieser Ansicht sind und das ehrlich gemeint haben, und stimmen Sie der Ziffer 1 unseres Beschlussantrags zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erhält Herr Innenminister Dr. Schäuble.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann sehr gut verstehen, Herr Kollege Heiler, und teile insoweit auch Ihre Auffassung, dass man, vorsichtig ausgedrückt, nur einen begrenzten Sinn darin sehen kann, die Debatte über eine Änderung des Asylrechts sozusagen im vierteljährlichen Turnus hier zu wiederholen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schlierer REP)

Allerdings darf ich auch darauf hinweisen,

(Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: Machen Sie es kurz!)

dass zwar nicht die SPD-Landtagsfraktion, aber die Bundes-SPD sich und damit auch uns dies selbst eingebrockt hat. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe.

Der eine Grund waren die Äußerungen des Bundesinnenministers Schily vor einigen Monaten, der ja gesagt hat: „Das Boot ist voll, und deshalb müssen wir über irgendeine Änderung des Asylrechts nachdenken und beraten.“

(Abg. Heiler SPD: Er hat aber gesagt, im Zusam- menhang mit der europäischen Harmonisierung! Das hat er gemeint!)

Dann hat der SPD-Parteitag – Sie werden das besser wissen; ich lasse mich da auch gern von Ihnen noch ergänzen und informieren – eine ganz andere Richtung eingeschlagen, und seitdem muss Herr Kollege Schily eben etwas zurückrudern.

(Abg. Bebber SPD: Da können Sie ihm ja einmal Tipps geben! Sie kennen das ja, wie das ist mit dem Zurückrudern!)

Bei unserer letzten Debatte habe ich im Auftrag der Landesregierung die Bitte an ihn gerichtet, er solle doch mit Blick auf die europäische Harmonisierung des Ausländerwesens in der Asylpolitik eine Gesamtkonzeption vorlegen. Aber die fehlt halt noch.

Das ist der eine Grund, warum wir die Debatte jetzt wieder haben.

Der andere Grund ist der, dass Bundeskanzler Schröder, der ja auch Ihrer Partei angehört, die Greencard-Diskussion vom Zaun gebrochen hat. Die Greencard-Diskussion hat mit automatischer Zwangsläufigkeit dazu geführt, dass wir über ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz diskutieren.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Was meinen Sie denn nun eigentlich?)

Das mag ja alles vernünftig sein. Nur ist auch klar, dass bei einem Zuwanderungsbegrenzungsgesetz als wesentlicher Baustein mit hineingehört, darüber zu reden und darüber nachzudenken, ob das Asylgrundrecht nicht zu einer bloßen Institutsgarantie verändert wird. Deshalb haben wir die Diskussion jetzt bekommen. Das ist schon auf Sie zurückzuführen.

Ich darf ganz einfach auch sagen – das ist keine Ankündigung, sondern ich habe das jetzt nur vor wenigen Tagen gehört –, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ja jetzt offensichtlich auf die Regierung und auf die anderen Fraktionen zugeht und sagt: „Jawohl, mit uns kann man über ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz reden, wenn dann eben auch die Änderung des Asylrechts Geschäftsgrundlage ist.“

(Beifall bei der CDU)

Deshalb haben wir die Debatte. Das ist doch der Grund dafür. Das ist ja offensichtlich.

Ich will es der SPD heute auch nicht ersparen – ich bitte hierfür um Nachsicht,

(Abg. Heiler SPD: Sie brauchen sich doch dafür nicht zu entschuldigen!)

aber Sie schonen uns ja auch nicht –: Statt Diskussionen vom Zaun zu brechen, bei denen, jedenfalls in absehbarer Zeit, keine Lösung ersichtlich ist, wäre es viel besser gewesen, Sie hätten mit uns das frühere, zum Missbrauch einladende Asylrecht rechtzeitig geändert.

(Abg. Göbel CDU: So ist es!)

Dann könnten die Republikaner gar keine derartigen Anträge stellen, weil sie nämlich gar nicht im Landtag von Baden-Württemberg sitzen würden.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei den Republika- nern – Abg. Heiler SPD: Was soll denn diese Hin- und Herschieberei von Schuld? Das bringt uns doch nicht weiter, Herr Schäuble junior! – Abg. Dr. Schlierer REP: Die Sozis sind schuld! – Abg. Deuschle REP: Dann wären Sie nie Innenminister geworden!)

(Minister Dr. Schäuble)

Das ist der Grund dafür, und darüber müssen Sie nachdenken.

Im Übrigen darf ich aus meiner Sicht einfach auch noch einmal in der gebotenen Kürze, um die mich der Herr Präsident gebeten hat, feststellen:

(Abg. Heiler SPD: Der Präsident hat immer Recht! – Gegenruf des Abg. Bebber SPD: Weil er Präsi- dent ist! – Gegenruf des Abg. Heiler SPD: Aber nur deshalb! – Abg. Brechtken SPD: Das Schlim- me ist, es stimmt ja, was der Minister gesagt hat, juristisch gesehen! Er hat sogar Recht, wenn er nicht Recht hat! – Abg. Deuschle REP: Sagen Sie zur Sache etwas!)

Ein noch größeres Problem bei dem Thema Asylmissbrauch ist neben dem Zugang die Frage: Wie erreichen wir es, dass diejenigen, die nach einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht anerkannt werden, Deutschland in größerem Umfang als bisher verlassen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Da darf ich für uns in Baden-Württemberg und damit auch für mich als Innenminister in Anspruch nehmen, dass wir wohl schon zu denjenigen gehören, die von allen 16 Bundesländern mit die konsequenteste Rückführungspolitik betreiben. Das hat übrigens auch dazu geführt – das ist eine Zahl, die meines Erachtens für Sie wichtig sein muss –, dass in den letzten zurückliegenden Jahren

(Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: Von denen spricht hier niemand!)

der Asylbewerberzugang nicht so groß war wie der Abgang derjenigen, die als nicht Anerkannte Deutschland wieder verlassen haben. Das ist ja eine positive Entwicklung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das heißt aber auch, dass wir weiterhin daran arbeiten werden und daran arbeiten müssen. Es heißt vor allem auch, dass die Problematik insgesamt ein wenig relativiert wäre, wenn überall in Deutschland, auch von roten Landesregierungen und von rot-grün geführten Landesregierungen, eine ähnlich konsequente Ausländerpolitik wie bei uns in Baden-Württemberg betrieben würde. Dann wären wir weiter.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen darf ich ein weiteres Mal auf Folgendes aufmerksam machen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Innenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schlierer?

(Abg. Bebber SPD: Das würde ich nicht machen!)

Bitte schön, Herr Dr. Schlierer.

Herr Minister, könnten Sie mir erläutern, was mit Ihrer Antwort gemeint ist, wenn Sie sa

gen, dass die Landesregierung für den Fall, dass sich die Ankündigungen des Bundesinnenministers in der Regierungspolitik nicht umsetzen würden, initiativ würde – weil Sie vorhin selbst erklärt haben, dass die Ankündigungen des Bundesinnenministers offensichtlich nicht Wirklichkeit werden, nachdem er von seiner eigenen Partei zurückgepfiffen wurde.

(Abg. Bebber SPD: Das glaubt er ja selbst nicht!)

Herr Kollege Schlierer, ich habe vor wenigen Minuten mitgeteilt, dass nach meinen Informationen die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf die Regierung und auf die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag zugehen wird und aus Anlass der Diskussion um ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz anbieten wird – darüber kann man sprechen –: Geschäftsgrundlage ist, dass das Individualgrundrecht auf Asyl in eine Institutsgarantie umgewandelt wird.