Protocol of the Session on April 12, 2000

Es ist natürlich schlimm, wenn eine Ministerin – Herr Kollege Schäfer hat das erklärt – nachher erzählt, sie freue sich auf das Leben am Kaiserstuhl und auf die Vogelfreiheit. Das ist nicht die aktive Interessenvertretung für den ländlichen Raum, die dieser eigentlich bräuchte.

Ich will nur die Fakten benennen: Es ist ein beispielloser Vorgang, dass der persönliche Referent des Chefs der Staatskanzlei gegen eine eigene Ministerin kandidiert, sie politisch erledigt,

(Abg. Wieser CDU: Was haben Sie für ein Demo- kratieverständnis? – Lachen bei der SPD – Lebhaf- te Unruhe bei der CDU – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

und diese anschließend sagt: „Ich bleibe aber trotzdem im Amt.“ Dies ist ein beispielloser Vorgang.

(Anhaltende Unruhe bei der CDU)

Ja, das regt Sie auf.

Nun sage ich Ihnen, worum es im Kern dabei eigentlich geht. Es geht gar nicht primär um die Frau Staiblin. Sie hat einmal gute Absichten gehabt und hat sogar versucht, Ihren Filz anzukratzen. Das war der Anfang ihres Verhängnisses, als sie das versucht hat. Es geht um etwas anderes.

(Unruhe bei der CDU)

Ein Ministerpräsident – er ist ja nicht da – muss in einer solchen Situation entweder so stark sein, dass er seine eigene Ministerin schützt und verteidigt, oder er muss so stark sein, dass er sie entlässt, wenn er nichts von ihr hält.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Aber ein Ministerpräsident, der zu schwach ist, um seine eigene Ministerin zu verteidigen, und offensichtlich auch zu schwach, um sie in dieser Situation zu entlassen, der hat sein Amtsverständnis nun wirklich verfehlt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Es ist das eigentliche Problem, wenn man die Dinge einfach laufen lässt und dem Land anschließend eine Ministerin zumutet, die natürlich niemand mehr ernst nehmen wird, von der jeder sagen muss, dass sie keinen Rückhalt beim Ministerpräsidenten und in der Fraktion hat. Sie soll jetzt ein Jahr lang die Interessen des ländlichen Raums vertreten.

Ich weiß nicht, warum Sie sich das selber antun. Vielleicht höre ich das ja jetzt von Ihnen.

(Abg. Dr. Steim CDU: Wie war das denn bei Ih- nen?)

Ich sage Ihnen, Sie handeln in dieser Frage schädlich, nicht verantwortlich, wenn es um die Interessen des ländlichen Raums geht.

(Abg. Keitel CDU: Sie sind ja auch immer noch da!)

Sie hätten entweder zu Ihrer Ministerin stehen oder sie ablösen sollen. Das Spiel, das Sie jetzt treiben, ist unerträglich, gerade für den ländlichen Raum.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Göbel CDU: Wie halten Sie es bei der SPD? – Abg. Wieser CDU: Eine faschistoide Rede!)

Das Wort hat Herr Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Kollege Maurer, Ihre Krokodilstränen machen die Debatte nicht reicher.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Maurer SPD: Das waren keine Krokodilstränen!)

Eine Debatte, die Kollege Teßmer in der Sache schwach begonnen hat, wird von Ihnen ziemlich scheinheilig fortgesetzt. Die SPD als Lobby für den ländlichen Raum,

(Lachen bei der CDU)

die SPD als Pate für eine Ministerin – das stinkt zum Himmel; denn dieselben Sozialdemokraten haben seit Jahr und Tag für den ländlichen Raum

(Abg. Keitel CDU: Null! – Abg. Wieser CDU: Mi- nus!)

und die Landwirtschaft weder in der Bundesregierung noch im Landtag von Baden-Württemberg irgendetwas getan.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Teßmer SPD: Wir haben das doch nicht verant- wortet, Herr Oettinger!)

Sie haben die Bildungschancen im ländlichen Raum angesprochen. Ich bin bereit, mit Ihnen in einen Wettbewerb darüber zu treten, was man noch ergänzend tun kann. Da gibt es weiterhin einiges zu tun. Aber die Abstimmung mit den Füßen, die Abstimmung über den Wohnsitz, die Zuwanderung von jungen Familien findet bei uns ja in den ländlichen Raum und nicht in den Ballungsraum statt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das heißt, in Baden-Württemberg ist die Lebensqualität, ist der Arbeitsmarkt, ist der Bildungsmarkt im ländlichen Raum intakter als in jedem anderen Bundesland.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Ingrid Blank CDU: Natürlich!)

Wenn ich Hohenlohe-Franken, den Schwarzwald oder Oberschwaben – um nur drei typische ländliche Räume zu nennen – nehme,

(Abg. Herrmann CDU: Die wählen alle CDU!)

stelle ich fest: Dort haben wir einen Einwohnerzuwachs, dort haben wir die dezentrale Schule, dort haben wir Berufsakademien und Fachhochschulen. Dort tut BadenWürttemberg alles, dass der Arbeitsmarkt für die junge Generation gut ist.

(Abg. Teßmer SPD: Das haben wir doch alles nicht kritisiert!)

Man kann über weitere Ideen nachdenken, nur zu! Aber wenn Sie den ländlichen Raum und die Bildung dort schlecht machen, dann haben Sie entweder Baden-Württemberg nie kennen gelernt, oder Sie versuchen hier eine Debatte zu führen mit Argumenten, die dünn und lächerlich sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Birgit Kipfer SPD: Wo ist das Kon- zept?)

Ein konkretes Wort zur Landwirtschaftspolitik der letzten vier Jahre. Verantwortung: Frau Ministerin Staiblin. Die Haushaltsmittel stabil gehalten, EU-Mittel abgerufen. Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren für seine Landwirtschaft mehr als jedes andere Land getan.

(Abg. Drexler SPD: SchALVO!)

Dies ist auch etwas, was zugunsten der Ministerin spricht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Teßmer SPD: Warum habt ihr sie dann abgewählt? Ihr, nicht wir!)

Sie reden so gern von Basisdemokratie. Ich halte es für kein schlechtes Zeichen, dass man eine Wahl vor Ort nicht von Stuttgart aus zu lenken versucht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Kollege Maurer, Sie haben ja kaum Ihre Wahlen in Stuttgart im Griff, siehe Fraktionsvorsitzendenwahl. Wir fordern unsere Basis auf und gestatten es ihr, frei zu entscheiden, wer Abgeordneter werden soll und wer nicht. Umgekehrt war die Offenburger Entscheidung keine Abstimmung über die Arbeit der Landesregierung für den ländlichen Raum und die Arbeit der Ministerin.

(Abg. Teßmer SPD: Was denn sonst?)

Nein, wir trennen sauber. Deswegen: Die Landwirtschaftspolitik in Baden-Württemberg wird im Landtag nicht vom Wahlkreis Offenburg beeinflusst. Und umgekehrt: Ihre Forderung, der Ministerpräsident solle auf einen Wahlkreis einwirken, spricht nicht gerade für Sie. Damit haben Sie, glaube ich, heute Nachmittag hier ein denkbar schlechtes Demokratieverständnis eingebracht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Die Niederlage von Frau Staiblin war ein Sieg für die Landwirtschaftspolitik! – Ge- genrufe von der CDU – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren – Herr Drexler, das gilt auch für Sie –, ich darf Sie bitten, einen ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung zuzulassen.

(Zurufe der Abg. Seimetz und Wieser CDU)

Ja, ich habe Sie gemeint.