Protocol of the Session on April 12, 2000

Entschuldigung! Sie wissen ja gar nicht, von was Sie reden. – Ich selbst habe einen Betrieb, und ich lege, weil ich Urproduktion verkaufe, meine Ladenschlusszeiten selbst fest, wie ich es will.

(Abg. Teßmer SPD: Gesoffen wird abends, aber eingekauft wird vormittags! – Zuruf der Abg. Bir- git Kipfer SPD)

Ich bin der Meinung, dass wir hier attraktiver werden müssen und dass in touristischen Orten die Ladenbesitzer selbst entscheiden können sollen, wann sie ihre Läden öffnen wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Wenn das nicht in Ihren Kopf hineingeht, tun Sie mir Leid. Sie fahren ja immer gerne ins Ausland in Urlaub und kaufen dort dann abends noch ein.

(Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)

Die Wirtschaft braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Das sage ich Ihnen ganz klar. Unsere Betriebe dürfen nicht durch bürokratische Hemmnisse behindert werden, wenn sich der ländliche Raum weiterentwickeln soll. Wer die Belange des ländlichen Raums so mit Füßen tritt wie Sie von der SPD, sollte hier im Plenum nicht auftreten und so tun, als ob er der Retter des ländlichen Raums sei. Die Landwirte glauben den Versprechungen Ihres Landwirtschaftsministers Funke schon lange nicht mehr.

(Zuruf des Abg. Kluck FDP/DVP)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Gleich, Herr Präsident.

Die Landwirte und die gesamte Bevölkerung des ländlichen Raums wissen aber, dass die Landesregierung und die

sie tragenden Parteien für die Belange der Bevölkerung im ländlichen Raum erfolgreich eintreten und damit Bedingungen schaffen, die den ländlichen Raum weiter lebenswert machen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Dagenbach.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt mit ihrer Antwort in Papierform etwas vor, was den unbefriedigenden Istzustand schönfärbt, aber die tatsächlichen Erfordernisse unberücksichtigt lässt. Das gilt insbesondere für den ersten Teil des Fragenkomplexes, zu dem die Landesregierung noch im letzten Jahrtausend lapidar erklärt hat:

Der Landesentwicklungsplan wird gegenwärtig überarbeitet. Er soll in Kürze von der Landesregierung zur Anhörung freigegeben werden.

Gültig ist also ein Plan, der bereits 17 Jahre alt und damit veraltet ist.

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, meinen Sie, dass Sie einen neuen Landesentwicklungsplan noch in diesem Jahrtausend schaffen? Wichtige Weichenstellungen zur Landesentwicklung werden von Ihnen einfach ignoriert, und Sie vertrösten auf den Sank-Nimmerleins-Tag. Draußen warten ganze Regionen darauf, dass sie endlich von Ihnen erfahren, wie sie mit Factory-OutletCentres oder mit der Informations- und Telekommunikationstechnologie umzugehen haben. Immer noch gilt aber, dass der ländliche Raum außerhalb seiner Verdichtungsbereiche eine überdurchschnittlich günstige Bevölkerungs-, Wohnungs- und Arbeitsplatzentwicklung aufweist

(Beifall bei den Republikanern)

und als Wohn- und Wirtschaftsstandort an Attraktivität stark gewonnen hat. Nicht zuletzt deshalb ist es unverständlich, dass noch immer kein Landesentwicklungsplan vorgelegt wurde.

Sie gehen jedoch auf andere Fragen ein und tun dabei so, als sei alles in bester Ordnung.

(Unruhe – Zuruf von den Republikanern: Ruhe!)

Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass einige wenige Punkte von Ihnen angeleuchtet werden in der Hoffnung, dass die dunklen Stellen darum herum nicht mehr wahrgenommen werden.

So reden Sie von der Grundversorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum mit öffentlichen Verkehrsangeboten, verschweigen aber geflissentlich, dass Sie diese ausgerechnet auf dem Rücken der Schwächsten, nämlich unserer Kinder, durch die drastische Kürzung der Mittel für die Schülerbeförderung austragen, und draußen überlegen die Landkreise jährlich neu, wie man den Eltern noch mehr Geld für diese Folgen Ihrer Schulpolitik abzwacken kann. Auf diese Problematik der Benachteiligung von Kindern im ländlichen Raum gehen Sie übrigens in Ihrer Antwort

mit keinem Wort ein, sondern Sie behaupten wissentlich falsch, dass es heute bei der Schulversorgung kein StadtLand-Gefälle mehr gebe.

Ganz abgesehen davon, dass noch immer wichtige ländliche Räume wie die Region Heilbronn-Franken von der direkten Anbindung an den Fernverkehr der Bahn ausgeschlossen bleiben und Sie zur Verbesserung dieser Situation außer wachsweichen Absichtserklärungen nichts beitragen, werden immer noch Pläne zur Stilllegung von Bahnlinien im ländlichen Raum gewälzt. Daran ändert auch die Aufzählung von einigen wenigen Reaktivierungen nichts. Wenn es hier und dort einen Disco-Bus oder gar ein Anrufsammeltaxi gibt, so können Sie uns das doch nicht im Ernst als den großen verkehrspolitischen Wurf verkaufen wollen.

(Beifall bei den Republikanern)

Auch Ihre Ausführungen zur Planung, zum Bau und zum Betrieb von Regionalflughäfen reizen mich nicht einmal zum Lachen, denn Ihre Aussagen beispielsweise zum Verkehrslandeplatz Mosbach-Lohrbach stehen den mir auf entsprechende Anfragen gemachten Aussagen diametral gegenüber. Sie haben es bisher abgelehnt, für Mosbach-Lohrbach auch nur einen Finger krumm zu machen, obwohl das Angebot Ihres von mir sehr geschätzten CDU-Oberbürgermeisters von Mosbach auf dem Tisch lag, Lohrbach für die Region Heilbronn ausbauen zu lassen. Wenn Sie jetzt unsere Forderungen übernehmen, so ist dies unglaubwürdig, weil kein echter Wille dahintersteht, sondern nur Schönfärberei.

Geradezu beängstigend ist jedoch die Entwicklung der Landwirtschaft, die noch immer Rückgrat des ländlichen Raums ist und dies auch zwangsläufig bleiben wird. Die Zahl existenzfähiger landwirtschaftlicher Betriebe geht in Ihrem Musterländle, Frau Ministerin Staiblin, nach wie vor rasant zurück. Sie schreiben negative „Erfolgszahlen“ und kündigen noch schlimmere Zahlen an, als ob es sich um die Gewinnaussichten von Großunternehmen handelte.

(Beifall bei den Republikanern)

Fakt ist, dass diese Landwirtschaftspolitik ein Irrweg ist, der ganz im Sinne christdemokratischer und wirtschaftsliberaler Denkweise Große noch größer macht und die Kleinen massenweise in den Ruin treibt bzw. zum Aufgeben und zu einem Leben in der Nähe des Sozialhilfeniveaus bringt, das sie durch ein äußerst ungerechtes, aber von Ihnen wider besseres Wissen als besonders lobenswert dargestelltes System auch noch selbst bezahlen müssen.

Sie wissen ja, dass der Landwirt, im Gegensatz zu jedem anderen Bürger dieses Landes, nicht frei in der Wahl seiner Kasse ist, sondern als Zwangsmitglied Zwangsbeiträge zu zahlen hat nach dem Schema „Für den doppelten Beitrag die halbe Leistung“, wie beim Altersgeld für die Landfrauen. Demzufolge steigt auch die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe kontinuierlich an; denn wer einmal in einen Hof investiert hat – das ist pro Arbeitskraft immerhin das Doppelte wie in einem Handwerksbetrieb –, der kann nicht einfach aussteigen. Aber er kann auch nicht mehr davon leben, sodass er sich eine andere Arbeit suchen muss.

Die Landesregierung hat auch in dieser Legislaturperiode nicht einmal den Ansatz einer Verbesserung geschaffen und wahrscheinlich auch nicht gewollt, und dies, obwohl Sie, Frau Ministerin, ständig das Wort von der Versorgung der Bürger mit gesunden und frischen Lebensmitteln predigen und das HQZ zu Ihrem Hobby gemacht haben. Sie haben uns zuerst von den Vorteilen der Agenda 2000 erzählt, und „Don Kohleone“ wäre heute auch noch gerne Präsident von Euroland geworden, gleich wie viele Bauern es die Existenz gekostet hätte. Jetzt müssen Sie den Bauern erst einmal klarmachen, wie sie mit den neuen Bestimmungen in der SchALVO noch gesunde Kartoffeln produzieren können

(Abg. Wieser CDU: Oi, oi, oi!)

und dies auch noch mit Brüssel in Einklang bringen können. Aber Sie, Frau Ministerin, fliegen ja am Freitag nach China, um sich dort um die für unser Land ach so wichtige Erschließung der Ozeanstrände zu kümmern.

(Beifall bei den Republikanern)

Auch wenn „Don Kohleone“ schon wieder Bimbes sammelt, sehen die Fakten eben anders aus. Sie sind das Ergebnis einer völlig falschen Landwirtschaftspolitik und damit einer falschen Politik dieser Landesregierung für den ländlichen Raum.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort hat Herr Abg. Maurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt aufmerksam zugehört, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Sie können nicht an der Tatsache vorbei, dass die Antwort Ihrer eigenen Regierung eine massive Ungleichheit der Bildungschancen im ländlichen Raum offenbart.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Was?)

Ich füge dem noch eines hinzu: Sie haben mit Ihren unsäglichen Kürzungsbeschlüssen bei der Schülerbeförderung

(Abg. Ingrid Blank CDU: Ach, du meine Güte!)

zusätzlich dafür gesorgt, dass es sogar noch zu einer Vertiefung dieser Ungleichheit der Bildungschancen gekommen ist.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Wanderpokal!)

Das muss hier klar ausgesprochen werden.

Der ländliche Raum hätte große Chancen, insbesondere im Zeichen der neuen Medien. Aber dazu braucht man Schwerpunktsetzungen, und dazu braucht man ein differenziertes Bildungsangebot, wie es etwa Rheinland-Pfalz mit dem Konzept der regionalen Schule macht. Dazu sind Sie offensichtlich unfähig. Die Schwerpunktsetzung nehmen Sie nicht vor. Anders kann ich mir die Schlafmützigkeit nicht erklären, die Sie beim Landesentwicklungsplan an den Tag legen.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Wo waren Sie denn das letzte Mal?)

Das alles mag Ihnen zwar wehtun und Sie zum Blöken bringen. Ich sage Ihnen nur: Wir können nicht daran vorbei, dass der ländliche Raum gerade deswegen eine sehr aktive Interessenvertretung und eine sehr aktive Lobby auch in dieser Regierung bräuchte. Die hat er nicht mehr. Fakt ist: Sie haben Ihre eigene Ministerin aus Ihrer Partei heraus restlos desavouiert. Das ist der Fakt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hackl Bünd- nis 90/Die Grünen)

Es ist natürlich schlimm, wenn eine Ministerin – Herr Kollege Schäfer hat das erklärt – nachher erzählt, sie freue sich auf das Leben am Kaiserstuhl und auf die Vogelfreiheit. Das ist nicht die aktive Interessenvertretung für den ländlichen Raum, die dieser eigentlich bräuchte.