Protocol of the Session on March 23, 2000

(Zurufe von der SPD)

Das ist sicher eine Möglichkeit, einen Kompromiss zu schließen.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Da bereichern sich die Kommunen auf Kosten des Bundes!)

Nein, nein.

Wenn ich noch einen Satz sagen darf: Für mich war erfreulich, dass die Diskussion so sachlich war. Die Dinge sind so kompliziert, dass es oft sehr schwierig wird, wenn ein Schnellschuss gemacht wird. Das wäre sicher eine Sache, über die man nachdenken könnte.

Aber wenn ich schon einmal das Wort habe, Herr Dr. Puchta: Es sind übrigens nicht 1 003 Kommunen, sondern sogar 1 103 Kommunen, die unter 400 Prozentpunkten bei der Gewerbesteuer liegen. Es würden also in ganz

Baden-Württemberg lediglich acht Kommunen über 400 Prozentpunkten liegen, und zwar in der Regel Großstädte. In allen anderen Fällen bekäme entweder der Gewerbesteuerzahler mehr Gewerbesteuer zurück, als er zahlt, oder – was ich befürchte – die Gemeinde würde dies als eine Aufforderung ansehen, die Gewerbesteuer auf 400 Prozentpunkte zu erhöhen. Darüber müsste nachgedacht werden.

(Zuruf des Abg. Kiel FDP/DVP)

Das ist allerdings auch eine technische Sache. Das wird das System nicht sprengen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Kiel FDP/DVP: Okay! Ich bedanke mich!)

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Debatte ist damit beendet. Ich gehe davon aus, dass der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 12/4940, für erledigt erklärt werden kann. – Dem wird nicht widersprochen. Es ist so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 2 ist damit behandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Auswirkungen des Energiewirtschaftsgesetzes auf Kommunen, Stadtwerke und Tarifkunden – Drucksache 12/3045

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Beitrag des Landes zur Energiewende – Drucksache 12/3565

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Förderung regenerativer Energien – Drucksache 12/4221

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung der Anträge unter a bis c fünf Minuten und für die Aussprache über die Anträge unter a bis c fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten.

Das Wort erhält Herr Abg. Brinkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Mit diesen Anträgen, die wir heute diskutieren und die bis in das Jahr 1998 zurückreichen, setzen wir uns mit den negativen Folgen der im Wesentlichen vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Rexrodt betriebenen „Wildwest“-Liberalisierung auseinander, die wir schon damals immer als eine Liberalisierung, die mehr Nachteile als Vorteile verschafft, kritisiert haben. In der Zwischenzeit sind vor allem die Nachteile für die Stadtwerke, vor allem für die, die selbst produzieren, die Nachteile für die Arbeitnehmer bei den Stadtwerken und die Nachteile für die regenerativen Energien öffentlich diskutiert worden. Doch wie hat jetzt die Politik in Bund und Land in dieser Zwischenzeit auf die immer deutlicher werdenden Nachteile dieser Liberalisierung reagiert?

In Baden-Württemberg muss man feststellen, dass von der Landesregierung alle positiven Signale, die Nachteile auszugleichen, ausgeblieben sind. Im Gegenteil: Die Anteile des Landes an der EnBW sind unter dem Stichwort Privati

sierung – es war ja in Wirklichkeit eine Verstaatlichung bei einem Staatskonzern in Frankreich – mit allen Nachteilen für die daran beteiligten Stadtwerke verkauft worden, mit allen Nachteilen, die für die Arbeitnehmer in Baden-Württemberg zu befürchten sind.

In Baden-Württemberg stellt sich der Ministerpräsident, wie vor wenigen Tagen mit einer Pressemitteilung, erneut hin und kündigt ein gerichtliches Vorgehen gegen den Atomausstieg an,

(Abg. Scheuermann CDU: Zu Recht!)

ein ausschließlich, Herr Kollege Scheuermann, ideologisch begründetes Festhalten am Atom und sachlich in keiner Weise gerechtfertigt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Scheuer- mann CDU)

Dort, wo die Landesregierung Handlungsspielraum hätte, hat sie letztendlich völlig versagt. Ich meine das Örtlichkeitsprinzip im Energiebereich für die Stadtwerke.

In unserem Antrag vom Juli 1998 haben wir gefordert, dass im Energiebereich von diesem Örtlichkeitsprinzip abgesehen wird, denn es ist nicht einzusehen, dass fremde Energieversorgungsunternehmen bei den Stadtwerken Kunden herausbrechen können, die Stadtwerke aber ihrerseits nicht das Recht haben, außerhalb ihres Gemeindegebiets tätig zu werden. Die Landesregierung hat im Jahr 1998 geantwortet, sie werde dies prüfen. Ein Jahr später hat sie den Entwurf für ein verändertes Gemeindewirtschaftsrecht vorgelegt; aber von Ergebnissen der Prüfung war dort nichts zu spüren. Ich halte es für verhängnisvoll, dass sich die Landesregierung um diesen Punkt, der geregelt werden muss, schon seit so langer Zeit herumdrückt.

(Beifall bei der SPD)

Eine zweite Bemerkung: Was hat der Bund getan, um die Nachteile der „Wildwest“-Liberalisierung auszugleichen? Wir hatten in der Vergangenheit eine Vielzahl von Maßnahmen. Wir hatten zunächst das 100 000-Dächer-Programm, mit dem die Installation von Photovoltaikanlagen gefördert wird. Wir haben seit Beginn dieses Jahres eine verbesserte Verbändevereinbarung, die endlich den Erzeugern regenerativer Energien größere Möglichkeiten gibt, ihren Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen, und die endlich Schluss macht mit der Diskriminierung der regenerativen Energien, die vorher stattgefunden hatte.

Seit Dezember des vergangenen Jahres liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der erneuerbaren Energien vor, das in Europa unbestritten das fortschrittlichste Gesetz auf diesem Gebiet ist. Dieses Gesetz macht endlich damit Schluss, dass sich die Preise für regenerative Energien ausschließlich an Prozentsätzen der durchschnittlichen Strompreise von vor zwei Jahren orientieren, schreibt feste Vergütungssätze vor und gibt so den Betreibern von Anlagen regenerativer Energien endlich die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum und fest zu kalkulieren.

(Abg. Scheuermann CDU: Einverstanden!)

Wir haben in dem Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien ferner die Ablösung der bisherigen Härtefallregelung, die die Lasten auf den gesamten Bereich der Bundesrepublik Deutschland verteilt und nicht beim einzelnen Netzbetreiber belässt. Es gibt darin einen weiteren Ausbau der Windkraft, der Biomasse und der Geothermie, und schließlich will es die Photovoltaik künftig mit 99 Pfennig pro Kilowattstunde vergüten.

(Abg. Scheuermann CDU: Nur die Wasserkraft habt ihr diskriminiert!)

Ich sage: Dieses Gesetz wird neben dem 100 000-DächerProgramm den entscheidenden Durchbruch zur Förderung und zur besseren Ausgestaltung der erneuerbaren Energien bringen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Scheuermann CDU: Sagen Sie einmal etwas zur Wasserkraft!)

Seit einem Monat gibt es – deshalb habe ich die Stadtwerke angesprochen – das Kraft-Wärme-Kopplungs-Vorschaltgesetz, das allen Stadtwerken mit einer Eigenproduktion von über 25 % bei der Leistung und von über 10 % bei der Menge aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen einen Preis von 9 Pfennig pro Kilowattstunde auch dann garantiert, wenn es sich um eine Anlage in der Industrie handelt, sofern die Stadtwerke an ihr mit mindestens 25 % beteiligt sind.

Das Kraft-Wärme-Kopplungs-Vorschaltgesetz wird – das ist eine klare Absichtserklärung – im Sommer dieses Jahres durch eine Quote für die Kraft-Wärme-Kopplung ersetzt. Jeder, der sich um Klimaschutzpolitik kümmert, weiß, dass wir die Kraft-Wärme-Kopplung brauchen, um von dem hohen CO2-Ausstoß wegzukommen.

Wir sichern durch das Kraft-Wärme-Kopplungs-Vorschaltgesetz nicht nur eine umweltverträgliche Energieerzeugung bei den Kommunen, sondern auch viele Arbeitsplätze bei den Stadtwerken.

Meine Damen und Herren Kollegen, die Neuordnung der Energiepolitik muss ein Kernbereich für die ökonomische und die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft sein. Auf Dauer sind nur innovative und umweltverträgliche Arbeitsplätze sicher und wirtschaftlich gesund. Darum hat die Energiewende, über die wir jetzt sprechen, auch einen ungeheuren ökonomischen Aspekt. Wir müssen eine sichere Energieversorgung erreichen. Wir müssen erneuerbare Energien schneller und umfassender erschließen, den Umwelt- und Klimaschutz voranbringen und damit auch die Beschäftigung sichern.

Leider hat die Landesregierung in dieser Hinsicht nichts getan. Ich fordere Sie auf, diese ideologisch begründete Blockade, dieses ideologisch begründete Festhalten an der Atomenergie endlich aufzugeben und sich auf die richtige Linie zu begeben, für Stromsparen einzutreten, regenerative Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung zu fördern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Brechtken SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Dr. Brenner.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt endlich mal pro Atomkraft!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von unseren fossilen Energievorräten ist die Hälfte bereits verbraucht. In 30 bis 40 Jahren beginnt bei diesen Ressourcen eine Energiekrise, wenn wir den Verbrauch nicht einschränken. Deshalb müssen wir für eine nachhaltige Energiepolitik heute die Weichen stellen. Einige Mineralölkonzerne wie Shell investieren bereits in neue Geschäftsfelder, zum Beispiel im regenerativen Bereich. Deshalb ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz richtig.

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und Abgeord- neten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Oh! Oho! – Gegenruf des Abg. Wieser CDU: Das ist doch kein Widerspruch! – Abg. Brechtken SPD zur CDU: Was ist mit eurem Beifall?)

Danach sollen erneuerbare Energien mittelfristig zu einem wesentlichen Standbein der Energieversorgung ausgebaut werden. Einverstanden.

Am Sinn dieser Gesetzesnovelle und an ihrer Notwendigkeit zweifelt kein Mensch. Die Punkte, bei denen Dissens besteht, sind der ökonomisch vernünftige Zeitpunkt und das Ausmaß des Ausstiegs aus der Kernenergie.

(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Da könnt ihr auch mitklatschen! Das ist viel!)

Greenpeace nennt als einen der zehn Punkte zum Ausstieg: „Der Stand von Wissenschaft und Technik ist anzuwenden.“ Richtig. 600 Professoren forderten in einem Memorandum eine Neubewertung der Kernenergie. Gründe dafür waren Fortschritte in der Sicherheitstechnik, das Klimaund CO2-Problem und die Erhaltung von technologischer Kompetenz und Exportfähigkeit der deutschen Industrie. 600 Professoren sagen aber auch, dass ein Ausstieg aus der Kernenergie den erneuerbaren Energien eher schaden würde, weil sie noch nicht marktreif seien. Deshalb brauche man Kraftwerke mit fossil befeuerten Anlagen mit entsprechend langfristiger Bindung der Investitionsmittel. Man würde ohne Not, nur wegen eines politischen Zeitpunkts, Kapital vernichten, was ein Schaden für die Volkswirtschaft wäre.

Öl und Gas werden im 21. Jahrhundert auch immer teurer. Auch sie sind wichtige Rohstoffe, nicht zuletzt in der Chemie, und die Gasversorgung Süddeutschland könnte ihren Absatz, zum Beispiel für große Gasturbinenkraftwerke, nicht ohne weiteres ausweiten.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)