Der letzte Punkt ist die Effizienzsteigerung im Berufungsverfahren. Wir sind jetzt im Stadium des Referentenentwurfs. Da geht es einfach darum – das müssen Sie auch einmal sehen –, dass wir darüber auch diskutieren.
Im Gegensatz vielleicht zur Vorgänger-Bundesregierung sind wir, denke ich, für gute Vorschläge offen, und wir transportieren sie auch nach Berlin. Nur habe ich von Ihnen noch keinen gehört.
(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Sind Sie für die Zulassungsberufung? – Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)
Außer Nörgelei nichts gewesen. Die Rechtsmittelreform in der Berufungsinstanz – Kollege Bender, dies kann der Justizminister sicher bestätigen –
basiert unter anderem auf einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, an der, wenn ich es richtig weiß, das Land Baden-Württemberg beteiligt war.
Viele der Vorschläge sind jetzt im Reformvorhaben enthalten. Vielleicht hätten Sie vorher Ihren Justizminister fragen sollen, welche Reformvorhaben in der Arbeitsgruppe erarbeitet worden sind. Dann hätten Sie festgestellt, dass der Entwurf nicht Anlass zum Nörgeln, sondern zum Nachdenken und vielleicht auch zur Unterstützung gibt.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Staiger SPD: Und zum Jubeln! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Ihr könnt jubeln! – Abg. Rech CDU: Ich mache auch 95 % außergerichtlich; aber was willst du ma- chen, wenn du einen Bebber auf der Gegenseite hast? – Gegenruf des Abg. Bebber SPD: Ihr seid Miesepeter!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an die Ausführungen meines Vorredners anschließen. Es ist in der Tat so, dass sich bereits im Jahr 1997 eine Bund-Länder-Arbeits
gruppe zu dem Thema „Rechtsmittel im zivilgerichtlichen Verfahren“ gebildet hat. Aus dieser Arbeitsgruppe heraus ist ein Gutachtenauftrag ergangen. Das Gutachten von Herrn Rimmelspacher kann man übrigens auch im Internet nachlesen. Herr Kollege Oelmayer, wenn Sie dieses Gutachten einmal durchgesehen hätten, hätten Sie festgestellt, dass das, was Herr Rimmelspacher als mögliche rechtspolitische Folgerungen nennt,
Was vor uns liegt, ist der Referentenentwurf für ein Rechtsmittelreformgesetz in Zivilsachen. Ich will gleich zu Beginn feststellen: Es ist in der Tat nicht richtig, dass dort vorgesehen wäre, die Amtsgerichte abzuschaffen.
Wenn man die Begründung des Referentenentwurfs nachliest, erkennt man, dass es sein Ziel ist, eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren zu bewirken, eine Entlastung der Berufungsgerichte herbeizuführen und einen vereinfachten Zugang zur Revisionsinstanz zu eröffnen.
Wenn man das, was im Referentenentwurf vorgesehen ist, einmal an diesem hehren Anspruch misst, kann man nur sagen: Der Referentenentwurf wird seinem eigenen Anspruch nicht gerecht. Aber was viel schlimmer ist: Der Rechtsschutz des Bürgers wird nicht gestärkt, sondern de facto ausgehöhlt.
Die Berufung soll keine Tatsacheninstanz mehr sein. Die Berufungsinstanz soll an die in erster Instanz getroffenen Tatsachenfeststellungen gebunden sein. In § 531 ist dann aber eine merkwürdige Ausnahmeregelung enthalten, die bedeutet, dass gegebenenfalls noch eine Beweiserhebung durch das erstinstanzliche Gericht nachgeholt werden kann, um dann in der Berufungsinstanz weiterzumachen. Herr Kollege Oelmayer, ein umständlicheres und lebensfremderes Verfahren kann ich mir gar nicht vorstellen.
Stellen Sie sich das einmal vor: Sie sind in der zweiten Instanz. Dann stellen Sie fest: Da muss noch Beweis erhoben werden. Dann wird das wieder an die erste Instanz zurück
verwiesen. Die soll noch einmal Beweiserhebungen machen. Dann wird das Ganze wieder nach oben geschaufelt in die zweite Instanz, und dann soll darüber befunden werden.
Da kann ich Ihnen bloß eines sagen: Das zeigt, dass das am grünen Tisch, Herr Kollege Bebber, letztlich offensichtlich ohne irgendeine Erfahrung derjenigen, die das verfasst haben, ersonnen worden ist.
Dann komme ich zu der Festlegung, dass die Berufung nur noch in bestimmten Fällen erfolgen kann. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Wir haben ja nun Erfahrungen mit der VwGO-Novelle.
(Abg. Bebber SPD: Sie haben den Justizminister schon gelobt! – Abg. Bebber SPD zu Minister Dr. Ulrich Goll: Soll ich Sie zitieren?)
Wenn man diese Erfahrungen mit der VwGO-Novelle ernst nimmt, dann muss man doch feststellen, dass das, was wir heute in § 124 a VwGO haben, dazu geführt hat, dass de facto ein wesentlich geringerer Rechtsschutz besteht. Da werden jede Menge Berufungen glatt abgebügelt, und das ist nicht im Interesse des Rechtsschutz suchenden Bürgers.
Lassen Sie mich dann noch einen Punkt aufgreifen, weil er vorhin erwähnt wurde: die Güteverhandlung. Herr Kollege Bebber, Sie sind sicher schon lange nicht mehr beim Arbeitsgericht gewesen.
Ich sage Ihnen auch, warum. Wenn Sie nämlich die Situation im Arbeitsgerichtsprozess mit dem vergleichen, was Sie jetzt hier im Zivilprozess einführen wollen, dann vergessen Sie die völlig unterschiedliche Situation.
Wir haben de facto heute schon in jedem Zivilrechtsverfahren am Anfang der mündlichen Verhandlung die Aufforderung des Gerichts an die Parteien, sich doch, wenn es geht, gütlich zu einigen. Insofern haben Sie de facto schon eine Art Güteverhandlung. Sie haben aber auch vergessen, dass wir bei der Güteverhandlung im Arbeitsgerichtsprozess natürlich immer vor folgender Situation stehen, und zwar Arbeitgeber wie Arbeitnehmer: Kommt es in der Güteverhandlung nicht zum Vergleich, muss man damit rechnen, dass es erst nach Monaten eine weitere Sitzung vor der Kammer gibt. Das ist der entscheidende Druckpunkt, aufgrund dessen die Parteien sagen: Ich habe dann ein schnelles Ergebnis; andernfalls muss ich ewig warten. Unter diesem Druck einigen sich die Parteien im Arbeitsgerichtsprozess häufiger in der Güteverhandlung.
Hier gibt es Unterschiede, weil die unmittelbar anschließende mündliche Verhandlung vorgesehen ist. – Lies nach im Entwurf! – Da sage ich Ihnen jetzt ganz offen: Das funktioniert nicht. Zumindest ist dies keine Neuerung in dem Sinne, dass man sagen kann, damit würde mehr Rechtsschutz geschaffen.
Im Übrigen will ich noch einen Punkt anführen, der auch gegen diesen Referentenentwurf spricht. Sie provozieren eine Ausweitung der ersten Instanz. Das heißt, wie der Kollege Reinhart schon dargestellt hat, dass der Prozessstoff erweitert wird und die Beweisaufnahme unendlich ausgedehnt wird. Das wird eine erhebliche Verlängerung der Verfahren bedeuten. Es wird wesentlich mehr Prozessstoff eingebracht werden. Ob das im Interesse des Recht suchenden Bürgers ist, wage ich zu bezweifeln.
Ich kann sagen: Bei allen Ansätzen, die da und dort vielleicht positiv gewertet werden können, ist das in der Abwägung ein miserabler Entwurf, der entweder grundlegend geändert werden muss oder besser wieder in der Schublade verschwinden soll.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich komme auf einzelne Punkte, die meine Vorredner von der linken Seite hier erwähnt haben.