Protocol of the Session on February 3, 2000

Wir wollen zusätzliche 1,5 Millionen DM für die soziokulturellen Zentren, damit der 2 : 1-Förderschlüssel Kommune/Land für die laufende Programmarbeit realisiert werden kann und die unabdingbaren Investitionen möglich sind. Wir wollen eine sachgerechte Förderung der 100 freien Theater in Baden-Württemberg erreichen und auch dort die Empfehlung der Strukturkommission zur Aufstockung der Mittel auf 500 000 DM realisieren. Wir wollen die Arbeit der Kunstvereine, die, wie die Landesregierung auf eine Anfrage von mir einräumte, durch die seit Ende der Achtzigerjahre praktizierte Deckelung und die Wettmittelkürzung 1997 erheblich eingeschränkt worden ist, mit zusätzlichen 500 000 DM unterstützen. Wir wollen die in den letzten Jahren völlig ungenügenden Ankaufsmittel bei den staatlichen Museen mit zusätzlich 1 Million DM korrigieren, damit wir nicht auf Dauer zu einem nicht wieder gutzumachenden Substanzverlust kommen.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Noch einmal zusätzlich eine Million zu den zugesagten Sonder- mitteln, Frau Kollegin?)

Die Museen kriegen keine Zusatzmittel. Wir haben das spezifiziert, Herr Kollege. Das ist bei Ihnen leider nicht erfolgt, sonst hätten wir nämlich heute darüber beschließen können.

Noch heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, können Sie die krasse Benachteiligung und die drohenden Funktionsverluste bei den Landesbibliotheken beenden.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Nach Ihren Ausführungen, Herr Kollege Bender, habe ich da zwar keine Hoffnung mehr, weil Sie diese Kürzungen offensichtlich für sinnvoll halten und wieder den alten Trick benutzen, dass mit Sondermitteln eine ungenügende Basisfinanzierung aus Gottes Gnaden wieder einmal korrigiert werden soll. Wir meinen: Es geht um die Grundfinanzierungen, und die müssen stimmen. Es dürfen nicht immer über Sonderfinanzierungen Umwege beschritten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Während dank des Solidarpakts fast alle Universitäten ihren Bibliotheken in den letzten Jahren deutliche Zuwächse bieten konnten, sind die Ankaufsmittel bei den Landesbibliotheken drastisch zurückgegangen. Mit der jetzt beabsichtigten weiteren Senkung des Haushaltsansatzes bedeutet das für die Badische Landesbibliothek eine Reduzierung ihrer Mittel um rund 30 % seit 1984. Auch der Württembergischen Landesbibliothek droht ein „Kahlschlag“, wie es ihr Direktor ausgedrückt hat, wenn die nun schon über

Jahre andauernde ungenügende Erwerbsmöglichkeit fortbesteht und durch die Senkung des Ansatzes sowie eine mögliche globale Minderausgabe sogar noch verschlechtert wird.

Die Funktion des kulturwissenschaftlichen Kompetenzzentrums Landesbibliothek ist drastisch gefährdet. Nicht zuletzt die hohe Nutzung durch Studierende der Hochschulen – in Stuttgart sogar die ausdrückliche Übernahme der Aufgabe einer Universitätsbibliothek für die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer – erfordert eine Umkehr dieser fatalen Entwicklung. Wir beantragen deshalb, wie gesagt, insgesamt 2 Millionen DM mehr.

(Zuruf der Abg. Christa Vossschulte CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im April letzten Jahres hat das Ministerium parallel zu den Beratungen des Nachtragshaushalts hier im Haus 22,6 Millionen DM an globalen Minderausgaben im Kunstbereich verteilt – ohne Beteiligung des Parlaments. Für diese Haushaltsberatungen haben die Regierungsfraktionen die Chance kulturpolitischer Schwerpunktsetzungen absichtlich oder aus Desinteresse vertan. Ich warne davor, den kulturpolitischen Diskurs um konkrete Entscheidungen immer mehr aus der parlamentarischen Verantwortung zu entlassen. Eine Kulturstiftung, wie sie die Landesregierung schon lange plant, wird diese Tendenz noch verschärfen. Finanzierungen am Staatshaushalt vorbei beinhalten zudem die große Gefahr, dass vor lauter kurzfristiger Projekte und Eventförderungen die solide Basisfinanzierung mit der Zielsetzung kontinuierlicher Entwicklung im künstlerischen Bereich auf der Strecke bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Landauf, landab wird die hohe Bedeutung von Kunst und Kultur – wir haben es eben wieder gehört – für unsere gesellschaftliche Zukunft, für den Standort Baden-Württemberg gepriesen. Da stehen auch die Kollegen und Kolleginnen der Regierungsfraktionen nicht zurück. Die Aufmerksamkeit, die Sorgfalt, das Engagement hier im Parlament für eine aktive Gestaltung positiver, zukunftweisender Rahmenbedingungen für die Kulturpolitik stehen dazu in einem bedauerlichen Missverhältnis. Ich hoffe, es wird sich irgendwann einmal wieder ändern.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort für eine kurze Restredezeit von zwei Minuten erhält Herr Abg. Jacobi.

Vielen Dank. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt bezüglich der Kulturpolitik in Baden-Württemberg ein hohes Maß an Konsens. Das kommt der Kultur und den Kultureinrichtungen zugute. Ich will mich deswegen auf drei kurze Bemerkungen beschränken.

Die zusätzlichen Mittel von 4,6 Millionen DM, die jetzt in den Haushalt eingestellt werden sollen, sind ein Erfolg, den wir ausdrücklich unterstützen. Diese zusätzlichen Mittel sind notwendig, meine Damen und Herren, weil aus finan

ziellen Gründen, die bekannt sind, in den letzten Jahren insbesondere im Kunstbereich keine Erhöhungen vorgenommen werden konnten und inzwischen kein Spielraum mehr besteht, weiter zu sparen und mit den Ressourcen rationeller umzugehen.

Wir beobachten seit Jahren eine schleichende Auszehrung in vielen Kultureinrichtungen, man kann auch sagen: eine Art Tod auf Raten. Wenn dann die Sparmaßnahmen eben ausgereizt sind und bestimmte Investitionen, zum Beispiel zur Sanierung, über die Jahre hinweg verschoben wurden, kulminiert das irgendwann an einem Punkt. Dieser ist unseres Erachtens inzwischen erreicht. Deswegen ist es ausdrücklich zu unterstützen, dass hier mehr Mittel gewährt werden.

Zweiter Punkt: Wohin diese Mittel genau fließen, werden wir in den nächsten Wochen sehen. Der Finanzausschuss hat dem Antrag der beiden Regierungsfraktionen, zusätzliche Mittel einzustellen, zugestimmt, aber ihre Ausgabe solange gesperrt, bis im Ausschuss die konkrete Mittelverwendung in den betreffenden Einzelplänen detailgenau, Punkt für Punkt, diskutiert worden ist. Wir werden deswegen in diesen Ausschussberatungen unsere Vorschläge mit Ihnen diskutieren.

Dritter Punkt: Ausdrücklich ist zu unterstützen, dass die beiden Staatstheater von der globalen Minderausgabe ausgenommen werden sollen. Aus Gleichbehandlungsgründen muss man das für beide tun. Insbesondere beim Eigenbetrieb in Stuttgart ergibt sich das aber aus der Logik von Eigenbetrieben. Das ist meine feste Überzeugung. Eigenbetrieb heißt ja, dass man den Einrichtungen sagt: „Ihr seid verantwortlich; wenn ihr schlecht haushaltet, habt ihr die Konsequenzen zu tragen und müsst diese Mittel im Folgejahr wieder erwirtschaften; wenn ihr gut wirtschaftet, habt ihr ein Plus, das ihr entsprechend im nächsten Jahr ausgeben könnt.“ Deswegen ist das Instrument der globalen Minderausgabe an dieser Stelle völlig unangebracht. Man sollte vielmehr von vornherein sagen: „Hier habt ihr die realen, ehrlichen Zahlen, mit denen ihr umzugehen habt.“ Dann können sich die Institutionen auch darauf einstellen.

Wir sind der Meinung, dass die 4,6 Millionen DM, die jetzt zusätzlich für Kultur ausgegeben werden, ausreichen sollten. Das heißt unseres Erachtens, dass wir hier eine finanzpolitische Operation vorzunehmen haben. Die Mittel, die ja durch die globale Minderausgabe quasi anfallen – es kostet ja Geld, wenn die globale Minderausgabe nicht vollzogen wird –, müssen auch aus dem Volumen von 4,6 Millionen DM aufgebracht werden.

Fazit, meine Damen und Herren: Dieser Kulturhaushalt bringt positive Entwicklungen. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, wo genau die Mittel in den einzelnen Haushaltstiteln ausgegeben werden. Ich möchte dem Minister, dem Staatssekretär und den Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Kultur für das kollegiale und konstruktive Arbeitsverhältnis danken.

Vielen Dank.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Auch die FDP/DVP-Fraktion erhält trotz abgelaufener Redezeit zu diesem Bereich noch eine Redezeit von ein bis zwei Minuten.

(Abg. Wilhelm REP: Die muss aber nicht ausge- schöpft werden!)

Herr Abg. Kiesswetter, Sie haben das Wort.

Ich werde mich auch an diese Zeitvorgabe halten. Ich bedanke mich für die zusätzliche Redezeit. Ich halte den Kulturbereich für so wichtig, dass man ein oder zwei Worte dazu sagen sollte.

Unsere Kulturlandschaft ist hervorragend. Wir haben die beste Struktur in der ganzen Bundesrepublik. Es gibt andere Länder, Frau Solinger, die wir besucht und bei denen wir gesehen haben, dass die größte Vielfalt hier in BadenWürttemberg gegeben ist und dass Baden-Württemberg auch finanziell am besten ausgestattet ist.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Staatstheater Stuttgart wurde zwei Jahre hintereinander zur Oper des Jahres in Deutschland gewählt. Die Wiederwahl ist eigentlich die größte Leistung. Dass wir unsere Theater, unsere Operette – nicht die Operette, die Oper und das Ballett ins Ausland schicken, ist hervorragend, meine ich.

(Abg. Haasis CDU: Operette, das ist wohl FDP- Politik!)

Deshalb sind Ihre Kampfbegriffe, Frau Solinger – Kahlschlag, fatale Entwicklung, Auf-der-Strecke-Bleiben –, in dieser Situation völlig deplatziert.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das ist eigentlich ein Schlechtmachen unseres Standortes. Dabei ist es im Gegenteil bei uns so gut wie nirgends. Deshalb möchte ich auf die Einzelheiten, die Sie kritisiert haben, im Finanzausschuss oder dann eingehen, wenn wir einmal über Kultur reden.

Sie könnten – das könnten Sie wieder in Berlin – das Stiftungsrecht ändern.

(Abg. Nils Schmid SPD: Sie hätten 16 Jahre Zeit gehabt!)

Wir haben unseren Vorschlag gemacht. Wir sind leider damals in Bonn an der CDU gescheitert. Wir haben uns nicht durchgesetzt. Aber jetzt sind wir so weit, mit Ihnen zusammen ein neues Stiftungsrecht zu machen,

(Lachen bei der CDU – Abg. Haasis CDU: Bis ihr mit eurer Operettenpolitik so weit seid!)

damit private Gelder in den Kunstbereich fließen. Mit einer Begrenzung auf 40 000 DM ist das nicht möglich. Wir müssen hier eine andere Form der Stiftung finden, damit privates Geld, das vorhanden ist – das ist unzweifelhaft vorhanden, gerade in Baden-Württemberg, wo viel privates Geld und auch Bereitschaft vorhanden sind –, in die Kunst

und Kultur gebracht wird. Das müssen wir binden. Das können wir aber nur durch ein modernes Stiftungsrecht.

(Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Das machen wir doch alles! – Abg. Helga Solinger SPD: Wie decken Sie dann den Steuerausfall? – Weitere Zu- rufe und Unruhe)

Das heißt: 20 % des Einkommens sollten steuerlich abgesetzt werden können und nicht nur 40 000 DM, wie Sie es jetzt in Berlin vorschlagen. Deswegen sagen wir: Das ist eine schlechte Entwicklung. Sie verpassen in Berlin die Chance, etwas für die Kultur zu tun.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe und Unruhe)

Das Wort erhält Herr Abg. Deuschle. Sie erhalten selbstverständlich auch diesen Zuschlag.

Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unser Bundesland gibt im Bereich der Kunstförderung allein an Landesmitteln 670 Millionen DM jährlich aus. Davon gehen über 300 Millionen DM in die Theater, 110 Millionen DM in die Museen – –