Protocol of the Session on February 21, 2001

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Glück, das war natürlich nicht die letzte Rede. Vielleicht haben Sie es auf sich bezogen. Aber wir haben tatsächlich mit meinem zusammen noch drei Debattenbeiträge zu hören. Dabei hätten wir es uns relativ einfach machen können; denn alles, was zu reden ist, ist schon in der Debatte am 5. Oktober gesagt worden. Es sind auch fast dieselben Redner, sodass der alte Satz gar nicht gilt: Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem. Wenn aber nun gewünscht wird, die Debatte zu wiederholen, soll dies geschehen.

Im Wesentlichen kann man es zunächst in den grundsätzlichen Feststellungen zur Entwicklungshilfe zusammenfassen. Es ist richtig, dass Entwicklungshilfe Bundesangelegenheit ist. Es ist aber gut, dass sich die Länder daran beteiligen und diese Aufgaben mit wahrnehmen, wobei wir bei der Gelegenheit auch einmal feststellen müssen, dass Baden-Württemberg seit Bestehen der Beteiligung an der Entwicklungshilfe über 770 Millionen DM geleistet hat. Ich meine, dass dies eigentlich eine Zahl ist, die man sich ins Bewusstsein rufen sollte, bevor man weitere Forderungen aufstellt und so tut, als ob es zu wenig gewesen wäre. Im Berichtszeitraum war es immerhin ein Betrag von 51,6 Millionen DM. Wenn wir es genau nehmen, ist ja die Talsohle durchschritten und im Prinzip die Tendenz wieder steigend. Da aber die Mittel nicht unbegrenzt sind, muss man sich natürlich klar machen, wo die Prioritäten zu setzen sind. Deswegen meine ich, dass es wichtig ist, bei allen Maßnahmen folgende Punkte zu beachten.

Erstens: Konzentration statt Gießkannenprinzip. Das betrifft die Zahl der Projekte. Das betrifft aber auch die Prioritäten in der Ausformung der Projekte selbst. Hier ist der Schwerpunkt auf die Bildung zu setzen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten wollen. Da ist sicherlich die Bildung und Ausbildung in diesen Ländern vorrangig. Weniger Mittel für Einrichtungen hier bei uns im Land und mehr in den Entwicklungsländern. Ich sage das ganz bewusst, weil es sicher wichtig ist, hier bestimmte Einrichtungen zu schaffen, aber die Tendenz, sozusagen noch einen eigenen Apparat aufzubauen, die sicherlich bei jenen spürbar ist, die noch ein paar arbeitslose Sozialpädagogen unterzubringen haben, führt dazu, dass wir im Inland immer mehr Ausgaben haben und immer weniger Geld für die Maßnahmen im Ausland zur Verfügung steht. Deswegen sage ich auch: Wir lehnen eine Entwicklungsagentur ab, und wir halten auch nichts von einer zentralen Transferstelle; denn es gibt einschlägige Erfahrungen, beispielsweise mit CIM oder GTZ, über die ich jetzt hier nicht sprechen kann, die mich aber durchaus skeptisch gegenüber solchen zentralen Einrichtungen machen.

(Beifall bei den Republikanern)

Zum Mitteleinsatz selbst noch ein paar Worte. Die Förderung der Nichtregierungsorganisationen ist ja verstärkt worden. Ich halte das auch für den richtigen Weg. Das gilt erst recht im Blick auf jene Entwicklungsländer, in denen wir keine stabilen Verhältnisse im Bereich der Regierungen und Verwaltungen haben, wo wir Unruhen haben und wo deswegen Maßnahmen sehr schnell ins Leere laufen. Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir auch in diesem Bericht wieder den Hinweis haben, dass unsere Hilfsmaßnahmen in Burundi eingestellt werden mussten und die ganze Maßnahme an sich, wenn man den Zeitlauf sieht, eigentlich infrage gestellt ist.

Vielleicht sollte man bei der Gelegenheit auch noch einmal sagen: Entwicklungsländer, die meinen, sich vor allem im Rüstungsbereich betätigen zu sollen, sollte man, wenn es geht, möglichst wenig unterstützen.

Sinnvoll waren mit Sicherheit im Berichtszeitraum die Maßnahmen in Bosnien-Herzegowina, wobei wir uns aber auch da bewusst machen müssen, dass dies sehr schnell ein Fass ohne Boden werden kann, wenn der Konfliktbereich selber nicht befriedet wird.

Noch ein letztes Wort zum Prinzip der Kofinanzierung. Auch diese sollte gestärkt werden. Dies führt mich nun zu der entscheidenden Forderung, die wir heute noch einmal ins Bewusstsein rufen müssen. Wir haben eine Landesstiftung für Entwicklung und Zusammenarbeit. Ich meine, dass jetzt, nachdem wir gestern gehört haben, dass dank des genehmigten Verkaufs der EnBW-Anteile der große Geldsegen über das Land kommt, noch einmal deutlich gemacht werden muss: Wir brauchen das Stiftungskapital. Wir können es uns nicht leisten, die bisher mit einem fiktiven Kapital fingierten Kapitalerträge jedes Jahr in den Landeshaushalt einzustellen. Deswegen noch einmal die Forderung, endlich diese Stiftung mit den 8 Millionen DM Stiftungskapital auszustatten, damit sie ihre Aufgaben mit ihren eigenen Erträgen wahrnehmen kann. Leider ist uns

dies in dieser Legislaturperiode nicht gelungen, aber ich glaube, Herr Kollege Wieser, dass es in der nächsten Wahlperiode sicher möglich ist. Dann haben wir auch für die Entwicklungshilfe hier im Land einen wichtigen Beitrag geleistet.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort hat Herr Abg. Wieser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die Kollegen eingehen und ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen, auch in Anbetracht dessen, dass eine Debatte über den Bericht der Landesregierung schon am 5. Oktober 2000 in diesem hohen Haus geführt worden ist und dass in der Entwicklungspolitik eine weit gehende Übereinstimmung im Hause herrscht – wenn auch vielleicht nicht mit Herrn Buchter,

(Abg. Dr. Birk CDU: Schmiedel ja wohl auch! Schmiedel ist auch gegen den Konsens!)

so doch mit den anderen Vertretern der hier anwesenden Fraktionen.

Entwicklungspolitik ist Bundespolitik. Was wir machen, sind ergänzende, flankierende Maßnahmen. Herr Schmiedel, Sie stellen sich hier hin und sagen: „Wenn wir wieder an der Regierung sind, dann wird endlich aufgestockt.“ Das war die Veranlassung, weshalb ich mich zu Wort gemeldet habe. Die Wahrheit ist: Als Sie an der Regierung waren, hat es die größte Talfahrt in der Entwicklungspolitik in diesem Land gegeben. Jetzt hat die Regierung Teufel/ Döring eine Trendwende hingekriegt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ DVP – Abg. Schmiedel SPD: Oh Jesses! So eine Milchmädchenrechnung! – Abg. Dr. Birk CDU: Belassen wir den Schmiedel in der Entwicklung!)

Bleiben wir doch bei den Tatsachen. Bei Ihnen war Abstieg, jetzt haben wir einen Aufstieg.

Das ist noch nicht befriedigend; ich meine, wir sollten mehr machen. Ich darf darauf eingehen, was die geschätzten Kollegen Glück und andere gesagt haben: Wir haben vor allem die Mittel für die Nichtregierungsorganisationen aufgestockt.

(Abg. Schmiedel SPD: Wiesers Märchenstunde!)

Da war nach der großen Koalition ja praktisch gar nichts mehr da.

(Abg. Dr. Birk CDU: Da würde ich mal kritisch in mich gehen, Kollege Schmiedel!)

Wir haben vor allen Dingen unsere Partner, die Kirchen, und die Pluralität der Partner gefördert, weil dort auch die größte Erfahrung vor Ort vorliegt: Menschen helfen Menschen. Der Staat braucht Partner, die sich dort auskennen, um in den Entwicklungsländern Menschen helfen zu können. Ich möchte hier insbesondere den Kirchen und allen anderen Partnern danken.

Zweitens: Bildungsarbeit. Das Kultusministerium hat berufliche Schulen, Schulen insgesamt, Hochschulen, Fachhochschulen gefördert und aufgebaut.

(Abg. Wintruff SPD: Oh, da sieht es schlecht aus!)

Es gibt auch viele Partnerschaften. Nehmen Sie die Dialogprogramme aller Bildungseinrichtungen, die wir haben – schulische und außerschulische.

Aus unserer Sicht gibt es eine Transferstelle;

(Abg. Schmiedel SPD: Was?)

es gibt eine Clearingstelle. Das ist das Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg. Wir brauchen viele Partner, damit vielen geholfen werden kann. Ein Zentralismus in der Entwicklungspolitik, wie die SPD vorschlägt, wäre der Tod jeder lebendigen Partnerschaft, die wir mit der Welt wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wo könnten wir sparen? Das sollte sich auch eine Regierungspartei überlegen. Wir brauchen vielleicht weniger Hochglanzbroschüren; wir brauchen vielleicht weniger Bürokratie, Herr Staatssekretär – auch in Ihrem Haus.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Na, na, na! – Abg. Schmiedel SPD: Ich denke, das ist die Transfer- stelle! – Weitere Zurufe)

Ja, sicher. – Wir brauchen mehr Investitionen und Investitionstätigkeit im Ausland und weniger im Inland. Wir brauchen weniger Selbstdarstellung. Wir haben Grund, die Tausende, die draußen stehen, zu unterstützen. Lieber Herr Kollege Wintruff, wir veranstalten regelmäßig Benefizkonzerte,

(Abg. Wintruff SPD: Oh!)

wir von der CDU-Fraktion machen regelmäßig Weihnachtsaktionen.

(Abg. Wintruff SPD: Wer ist hier „wir“? Sie kön- nen doch gar nicht Geige spielen! – Abg. Schmie- del SPD: Wer so falsch singt, dem kann man ja nicht zuhören! – Weitere Zurufe von der SPD)

Bisher ist noch kein SPD-Abgeordneter gesichtet worden, wenn es in dieser Sache um tätige Solidarität geht.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Schlierer REP: So ist es! Wo er Recht hat, hat er Recht! – Wider- spruch bei der SPD – Unruhe – Glocke des Präsi- denten)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Mehrländer.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Machs kurz! Der hat im- mer so lange Manuskripte!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich ist es ein beliebtes Spiel der

Opposition, der Landesregierung mangelnde Konzeption vorzuwerfen. Nur: Wir haben eine klare Konzeption, die aus folgenden Punkten besteht:

(Abg. Schmiedel SPD: Was? Immer weniger!)

Wir haben ein zwischen Auslandsarbeit sowie entwicklungspolitischer Information und Bildungsarbeit hier im Inland ausgewogenes Maßnahmenbündel. Wir geben ausschließlich Hilfen zur Selbsthilfe. Wir arbeiten mit verantwortungsbewussten, zuverlässigen und entwicklungsorientierten Partnern in den Entwicklungsländern zusammen, häufig mit Unternehmensverbänden oder privaten Nichtregierungsorganisationen. Sowohl die armutsorientierten als auch die wirtschaftsnahen Maßnahmen werden an den lokalen Bedarf angepasst. Wir beziehen schon seit längerem – und das mit großem Erfolg – Unternehmen unseres Landes in die entwicklungspolitische Zusammenarbeit ein. Das wollen auch unsere Partner in den Entwicklungsländern. Größere Projekte werden ausnahmslos von unabhängigen Gutachtern evaluiert. Wir fördern – was ich auch für sehr wichtig halte – den freiwilligen Arbeits- und Studieneinsatz von Jugendlichen in Entwicklungsländern durch das so genannte Arbeits- und Studienaufenthaltsprogramm.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Wir unterstützen die Eine-Welt-Läden in Baden-Württemberg durch gezielte Beratungsmaßnahmen und durch Preise, die wir aussetzen.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Bravo!)

Noch ein Wort zur Lokalen Agenda 21. Wir haben hier in Baden-Württemberg zahlreiche kompetente Akteure auf diesem Gebiet: die Agenda-Transferstelle bei der LfU Karlsruhe, die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, die Carl Duisberg Gesellschaft und viele andere. Alle arbeiten gut.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Wir werden dies fortsetzen. Wir meinen, dass wir mit dieser Arbeit sehr erfolgreich sind.