Herr Kollege, glauben Sie, dass man Denkmalschutz von den Regierungspräsidien aus betreiben kann, oder glauben Sie nicht auch, dass hinsichtlich der Stadtbildgestaltung vor Ort sehr viel differenzierter, sehr viel realistischer darüber diskutiert und befunden werden kann, was erhaltenswert ist und was man tatsächlich auch einmal opfern muss?
Ganz genau so ist es, Herr Kollege. Der Devolutiveffekt ist genau deswegen unten angesiedelt, damit die Leute mit Kenntnissen vor Ort im Konfliktfall die höhere Behörde anrufen können.
Ich kann Ihnen nur zustimmen. Das ist genau der Sinn des Effekts, den Sie nun abschaffen. Das heißt, Sie schwächen genau die, die die Kenntnisse vor Ort haben und diese im Konfliktfall nach oben weitergeben könnten.
Es tut mir Leid – das ist genau der Punkt –, dass Sie zum Schluss noch ein solches Eigentor geschossen haben.
Die Bilanz im Naturschutz ist also absolut negativ. Sie haben noch nicht einmal Ihre selbst gesetzten Ziele erreicht. Ich habe schon bei der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs gesagt: Ihre eigenen Kabinettsbeschlüsse – sie liegen schwarz auf weiß vor –, bei denen Sie den Ansatz „mehr Schutz durch Nutzung“ propagiert haben, sind nicht in die Praxis umgesetzt worden. Die Koalitionsfraktionen haben dafür null Mark – ich betone: null Mark – im Haushalt ausgewiesen. Die Ministerin wollte zwischen 7 und 15 Millionen DM. Also, Geld für neue Projekte wird nicht ausgegeben, jedenfalls in keiner Weise im erforderlichen Maß. Aber die Verwaltung, die die vermehrten Aufgaben, die jetzt durch die Ausweisung der Natura-2000-Gebiete der EU kommen, lösen soll, wird halbiert und geschwächt. Im Prinzip sind die BNLs in dieser Stärke kaum noch funktionsfähig, wenn man weiß, dass schon bisher die roten Listen immer weiter gewachsen sind.
Wer ist dafür verantwortlich zu machen? In erster Linie ist der Ministerpräsident – das weiß jeder hier im Haus – persönlich für diese ganze Linie verantwortlich zu machen, weil er nicht begriffen hat, dass zum Beispiel bei der Wende in der Agrarpolitik – wo es darum geht, die Landwirtschaft naturnäher zu gestalten – genau die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz notwendig ist.
Davon hat er nichts verstanden. Er hat nichts davon verstanden, dass Ökologie bedeutet, kreative, gute Arbeitsplätze für unsere jungen Leute bereitzustellen, dass dies eine Perspektive für unsere ländlichen Räume bedeutet. Unsere Bevölkerung will – wir denken heute ja in diesen Fragen stärker vom Verbraucher her – schöne, artenreiche Naturund Kulturlandschaften. Dazu muss man die entsprechenden Konzepte haben, damit dies auch durchgesetzt werden kann.
Die Koalitionsfraktionen waren in diesem jahrelangen Gerangel nicht in der Lage, wenigstens die Schwächung der kleinsten Verwaltung – wohlgemerkt, der kleinsten Verwaltung –, die wir überhaupt im Lande haben, zu verhindern. Dies ist ein Armutszeugnis ersten Ranges.
Die ganze Art und Weise, wie Sie mit dem Naturschutz und jetzt auch mit dem Denkmalschutz in diesem Land umgegangen sind, ist einfach schlichtweg eine Schande für Baden-Württemberg.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Sehr gut! – Abg. Schmiedel SPD: Schande über die Re- gierung!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist auch für mich die letzte Rede, die ich als Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg halten kann. Als Liberaler freue ich mich darüber, noch einmal
zu einem Gesetz reden zu dürfen, das Chancen und Risiken für Naturschutz und Denkmalpflege in sich birgt.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Brechtken SPD: Das ist ein Satz, ein Satz wie gemeißelt! – Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)
Aufgrund der Aussagen von SPD und Grünen möchte ich einmal den liberalen Philosophen Karl Popper zu Wort kommen lassen. Er hat nämlich gesagt:
(Abg. Brechtken SPD: Das sagen die allzuständi- gen Oberbürgermeister, aber erst, wenn sie ausge- schieden sind!)
Ach, hören Sie doch einmal zu, Herr Brechtken. Ich glaube ja, dass es für Sie vielleicht ein bisschen zu hoch ist, sich einmal mit einem Philosophen auseinander zu setzen.
Aber ich meine, man sollte sich vielleicht das eine oder andere doch einmal vom Grundsätzlichen her durch den Kopf gehen lassen und fragen, warum ein solches Gesetz notwendig ist.
Warum solch ein Gesetz notwendig ist – Herr Kretschmann hat zu Recht gesagt: „Begründet das doch bitte einmal“ –, will ich zu begründen versuchen.
Aber Popper sagt natürlich einwandfrei auch: Wir brauchen einen schlanken Staat, und wir brauchen einen Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern eigene Entscheidungen belässt, sie auswählen lässt, nicht gängelt und sie nicht überversorgt, nur weil die, die die Gesetze verabschieden, meinen, sie wüssten besser als die Bürgerinnen und Bürger selbst, was einem nutzt und frommt.
Wir brauchen einen Staat, der notwendige Entscheidungen im Sinne richtig verstandener Subsidiarität möglichst nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern fällen lässt,
(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU geht in einem Faschingskostüm durch den Plenarsaal. – Abg. Schmiedel SPD: Herr Präsident, was ist denn da los? – Weitere Zurufe von der SPD)
und wir brauchen einen Staat, der die gesellschaftlichen Kräfte stärkt, Hilfe zur Selbsthilfe praktiziert und auch den Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Ich meine, alles, was darüber hinausgeht, ist ein Zuviel. Popper sagt: Es ist letztendlich von Übel.
Der Gesetzentwurf, der den Naturschutz und die Denkmalpflege neu regelt, will doch, dass Entscheidungen näher an den Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden. Wir Liberalen erwarten durch dieses Gesetz eine größere Effizienz und vor allem eine größere Partizipation engagierter Menschen.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Das ist aber weit hergeholt! – Zuruf des Abg. Wal- ter Bündnis 90/Die Grünen)