Protocol of the Session on February 20, 2001

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Was ist das jetzt für ein Bekenntnis?)

Das galt in der großen Koalition, das gilt in der jetzigen Koalition, und das gilt auch für das Regierungsprogramm und für das, was hier in dieser Zukunftsoffensive steht.

(Beifall bei der CDU)

Erstens: Lehrer. Für nicht in Ordnung finde ich es, wenn bei Ihnen der Versuch sichtbar wird, Lehrer und Schule gegen andere Zwecke auszuspielen. Wir brauchen beides.

(Abg. Maurer SPD: Sie haben Geld ohne Ende? – Abg. Birgit Kipfer SPD: Wie finanzieren Sie das alles?)

Wir brauchen die Hochschulen, die Wissenschaft, die Forschung, wir brauchen die Zukunftsoffensive, und daneben brauchen wir eine gute Unterrichtsversorgung. Beides sagen wir zu. Wir haben in den letzten fünf Jahren 2 540 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen.

(Abg. Birzele SPD: Zum Teil nach der Legislatur- periode! – Gegenruf des Abg. Haasis CDU: Zuhö- ren! Auswendig lernen!)

Wir haben im September über 5 000 neue Lehrer eingestellt. Wir haben eine klare Aussage getroffen, dass für die Unterrichtsversorgung in den nächsten fünf Jahren noch einmal 5 500 Lehrerstellen benötigt werden. Diese finanzieren wir aus dem Haushalt. Die Mittel dafür werden in die mittelfristige Finanzplanung eingestellt.

(Lachen des Abg. Maurer SPD)

Auch die wird eingehalten, Kollege Maurer. Wir führen die Nettoneuverschuldung seit Jahren planmäßig zurück. Ihr plumper Versuch, uns hier den Bruch von Wahlversprechen vorzuwerfen, geht nicht auf, weil in Baden-Württemberg in den letzten Jahren und Jahrzehnten jede Aussage in eine Zusage, weil jedes Versprechen in die Tat umgesetzt worden ist.

(Beifall bei der CDU – Abg. Maurer SPD: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Brechtken SPD: Von der Mifrifi seid ihr ein paar Mal abgewichen! – Abg. Birzele SPD: Mehrfach Versprechen gebro- chen!)

Zweitens: Energie Baden-Württemberg. Sie haben heute erneut an Ihren Vorschlag erinnert, man hätte sie auf dem Aktienmarkt verkaufen sollen, das heißt an Privatanleger, Fondsanleger, wie auch immer. Aber damit werden Sie einem entscheidenden Punkt nicht gerecht, nämlich der Tatsache, dass die Energie Baden-Württemberg auf dem europäischen Markt einen Partner braucht, weil sie allein nicht konkurrenzfähig bliebe. Wenn Sie der Meinung sind, dass die Energie Baden-Württemberg auf Dauer mit 4 % Marktanteil am europäischen Markt konkurrenzfähig wäre, dann hätten Sie nicht Unrecht, dann wäre der Weg überlegenswert. Da man aber davon ausgehen muss, dass maximal vier oder fünf Partner und Gruppen überleben werden und für ein Überleben mindestens 10, 12 % Marktanteil notwendig sein werden, war der Weg richtig, über das Aktienpaket des Landes einen Partner zu suchen. Nun kann man lange über den Partner streiten – das ist in Ordnung. Die Energie Baden-Württemberg braucht aber einen Partner, zumal wenn in Deutschland die Kernkraft zum Feindbild

erklärt wird und die Energie Baden-Württemberg bei der Stromproduktion derzeit zu zwei Dritteln von der Kernkraft lebt. Die Energie Baden-Württemberg ist durch die rot-grüne Regierung in Berlin im Grunde genommen in ihrer Struktur bedroht. Deswegen war der Weg, einen Partner zu suchen, richtig.

(Lachen des Abg. Maurer SPD – Abg. Dr. Salo- mon Bündnis 90/Die Grünen: Das hat Herr Goll aber anders gesehen!)

Diesen tragen wir mit. Dass am Ende die EdF übrig geblieben ist, ist meines Erachtens ein logisches Ergebnis der Suche nach einem Partner. Wir haben gesucht und gefunden. Die CDU-Fraktion hat damit überhaupt kein Problem.

(Beifall bei der CDU)

Zum letzten Punkt: Wir hätten das Geld, den Verkaufserlös, in den Haushalt einstellen sollen. Wenn Ihr neues Steuerrecht im Jahr 2000 gekommen wäre, hätten wir es uns überlegt. Die Steuerreform wirkte aber erst nach dem Verkaufszeitpunkt. Die Energie Baden-Württemberg und die EdF konnten nicht noch zwei Jahre warten, bis die Partnerschaft in die Tat umgesetzt wird. Zum notwendigen Zeitpunkt der Gründung der Partnerschaft von EdF und EnBW galt also noch altes Steuerrecht. Wir hätten deshalb über 1,8 Milliarden DM an Landesvermögen in die Bundeskasse nach Berlin zahlen müssen. Genau dies sehen wir nicht ein. Wir haben eine Verpflichtung, das Wohl der Bürger Baden-Württembergs, das Wohl der Steuerzahler BadenWürttembergs in den Vordergrund zu rücken, nicht aber das Wohl anderer Länder und auch nicht primär das Wohl der Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen: Erstens: Wir sichern Unterrichtsversorgung. Dies ist aber eine Pflichtaufgabe des Staates. Dies bewerkstelligen wir im Staatshaushalt und im Stellenplan. Das haben wir in der Vergangenheit so gemacht, und so machen wir es auch in der Zukunft. Die Unterrichtsversorgung in Baden-Württemberg bleibt gut.

Zweitens: Wir halten unsere Versprechen ein. Dies war so, und dies bleibt so, solange die CDU mit Partnern in diesem Landtag regiert.

(Abg. Nagel SPD: Wenn sie allein regiert, nicht mehr!)

Drittens: Die Energie Baden-Württemberg hat einen Partner gebraucht. Wir haben einen gesucht; wir haben einen gefunden. Das Geschäft ist perfekt.

Viertens: Wir wollten das Geld nicht nach Berlin tragen. Deswegen die Konstruktion, mit der jede Mark an Vermögen mit Zins und Zinseszins im Lande bleibt und nicht andere Länder etwas davon haben, dass unsere Vorfahren Unternehmen aufgebaut haben, deren Zukunft jetzt mit diesem Projekt gesichert ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zur Ausgangsfrage zurückkommen: Warum heute diese Regierungserklärung? Ich meine, dass die Zustimmung der EU-Kommission als Ereignis nur dann eine solche Regierungserklärung begründen würde, wenn in dieser Erklärung wirklich etwas Neues enthalten wäre. Herr Ministerpräsident, vieles von dem, was Sie vorgetragen haben, können wir alles beispielsweise in der Pressemitteilung vom 24. Oktober nachlesen, in der Sie die Zukunftsoffensive III vorgestellt haben. Substanziell Neues war heute also nicht zu hören. Deswegen war diese Frage auch berechtigt.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Hehn CDU: Das ist aber Realität!)

Im Übrigen will ich noch auf einen Punkt eingehen, der in der Diskussion über die Perspektiven auf dem Strommarkt eine Rolle spielt. Von den Regierungsfraktionen wird ja offensichtlich erwartet, dass sich mit der strategischen Partnerschaft zwischen EdF und EnBW für die EnBW eine neue Perspektive eröffnen würde. Ich kann dazu an dieser Stelle nur Folgendes festhalten: Es war bezeichnend, dass François Roussely in den Verhandlungen gegenüber Wettbewerbskommissar Monti zum Ausdruck gebracht hat, dass es deswegen gar keine Einwände gegen diesen Zusammenschluss geben könne, weil ja die EdF in Frankreich ohnehin so dominant sei, dass ihre Position auf dem französischen Heimatmarkt nicht noch weiter verstärkt werden könne. Herr Pfister, das widerspricht geradezu Ihrer Erwartung, dass sich aufgrund der Liberalisierung des Strommarkts für die EnBW etwa in Frankreich ein Stück neuen Marktsegments eröffnen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Das Umgekehrte ist der Fall. Die Franzosen sagen sogar fairerweise von vornherein, sie dächten gar nicht daran, in diesem Sinne faire Wettbewerbschancen zu schaffen. Sie geben zu, dass sie etwas ausspielen können, was wir genau wissen: dass sie jede Kilowattstunde in ihren Reaktoren erheblich billiger produzieren können als wir. Wenn sie dann den freien Gesetzen des Marktes folgen, können Sie sich vorstellen, was kommt.

In der Tat ist die Skepsis berechtigt. Ich erinnere daran, welche Erwartungen beispielsweise 1988 beim Zusammenschluss von Alcatel und SEL gerade hier im Lande hinausposaunt wurden. Damals gab es die Hoffnung, dass in Baden-Württemberg Arbeitsplätze gesichert würden, dass der Standort eine Chance erhielte. Wenn Sie sich heute einmal im Umfeld des Stuttgarter Nordens umsehen, stellen Sie fest, was dort stattgefunden hat: ein Kahlschlag durch die Führung von Alcatel! Deswegen sind die kritischen Anmerkungen, die in der letzten Zeit in verschiedenen Artikeln erschienen sind, durchaus berechtigt.

Vorhin wurde das „Handelsblatt“ zitiert, und ich will das noch einmal tun. In der Ausgabe vom 5. Februar 2001 heißt es zu dem Vertrag, der die Abstimmung mit den OEW bedingt und fünf Jahre läuft:

Bestenfalls so lange, schätzen Kenner der Sachlage, läuft die Gnadenfrist für die EnBW: „Irgendwann ist die EnBW dann das Vertriebsbüro der EdF in Deutschland.“

Meine Damen und Herren, das ist auch deswegen richtig, weil wir uns einmal überlegen müssen, was denn eigentlich die Politik unserer Energieversorger sein wird. Herr Goll hat ja deutlich gemacht, wie man nach dem Ausstiegskonsens reagieren wolle. Zu dieser Reaktion zählt eben auch, dass man die eigenen Produktionskapazitäten langfristig zurückfahren wird. Auch deshalb sehe ich mit Blick auf den europäischen Markt keinerlei Vorteile für die EnBW in der Zusammenarbeit mit der EdF. Umgekehrt, die Vorteile haben die Franzosen. Wir werden das auch im Bereich der Arbeitsplätze merken,

(Beifall bei den Republikanern)

vielleicht nicht gleich, meine Damen und Herren, aber in der mittelfristigen Perspektive.

An dieser Stelle will ich einen weiteren Punkt aufgreifen. Es ist ja viel darüber gesprochen worden, dass es der Kanon der gemeinnützigen Zwecke möglich mache, künftig mit der Landesstiftung fast unbegrenzt bestimmte Vorhaben zu fördern.

Herr Ministerpräsident, ich nehme gerne zur Kenntnis, dass alles geprüft worden ist, aber ich weise trotzdem auf Probleme hin. Das Merkmal der Förderung der Allgemeinheit in § 52 der Abgabenordnung ist nämlich inzwischen schon näher bestimmt. Dabei gibt es zum Beispiel ein Tatbestandsmerkmal, das über kurz oder lang einer Verwendung der Mittel mit Sicherheit entgegenstehen wird: dass Sie nämlich den geförderten Personenkreis nicht begrenzen dürfen. Sie dürfen ihn nicht abschließend bestimmen, und Sie werden zwangsläufig, wenn Sie künftig bestimmte Ziele, die für Zukunftschancen unseres Landes wichtig sind, gezielt fördern wollen, diese Förderung wegen der Bindung im Sinne des Allgemeinwohls nicht mehr vornehmen können. Deswegen sage ich noch einmal: Es kann sehr wohl die Situation entstehen, dass wir in der Zukunft – –

(Abg. Rech CDU hält ein Exemplar der Abgaben- ordnung hoch. – Abg. Rech CDU: Ganz so kann man es nicht sagen!)

Ich habe es noch einmal nachgelesen. Es ist so. Sie können das gerne zitieren.

Wir werden in der Zukunft in die Situation geraten, meine Damen und Herren, dass wir für wichtige Investitionen Mittel brauchen und sie nicht haben, weil sie nicht allgemein aus dem Haushalt entnommen werden können, sondern in einer Zweckbindung stehen, die durch diese Stiftung vorgegeben ist.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Aspekt aufgreifen: Herr Pfister, ich finde es schon ein dreistes Stück, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, mit der FDP/DVP werde es in der nächsten Legislaturperiode keine Neuverschuldung mehr geben. Gegenfrage: Warum haben Sie dann in dieser Legislaturperiode unserem Vorschlag, dieses Ziel in der Verfassung festzuschreiben, nicht zugestimmt?

(Beifall bei den Republikanern)

Sie können doch nicht auf der einen Seite sagen, Sie lehnten dieses Ziel ab, aber auf der anderen Seite anschließend vor das Wahlvolk treten und sagen: „Wenn ihr uns wählt,

kommt das.“ Ich will Ihnen dazu ganz offen sagen: Das ist so widersprüchlich, dass Sie dieses Argument besser aus Ihrem Wahlkampfslogan streichen sollten. Das nimmt Ihnen nämlich in Zukunft niemand mehr ab.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Punkt 1 der Tagesordnung ist damit beendet.

Wir stehen jetzt vor der Frage, ob wir Punkt 2 der Tagesordnung noch vor der Mittagspause aufrufen. Ich schätze, dass dieser Tagesordnungspunkt fünf viertel Stunden dauern wird; dann wäre es nach halb zwei. Deshalb wäre es vielleicht zweckmäßiger, jetzt in die Mittagspause einzutreten und die Sitzung um 13:30 Uhr fortzusetzen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so entschieden.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:10 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 13:30 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.