Protocol of the Session on February 20, 2001

Sie sagen, Sie würden lieber die Verschuldung abbauen. Das ist ja hochinteressant. Jetzt will ich Ihnen einmal über das letzte Jahr, das Jahr 2000, berichten. Wir hatten im Haushaltsplan eine Neuverschuldung von 1,55 Milliarden DM.

(Abg. Drexler SPD: 63 Milliarden DM!)

Tatsächlich haben wir im Jahr 2000 aber nur 801 Millionen DM Schulden aufgenommen, also etwas mehr als die Hälfte.

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Dank der rot-grünen Regierung!)

Das ist die niedrigste Verschuldung seit dem Jahr 1973,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

und damals hatten wir das halbe Haushaltsvolumen. Das ist unsere Politik,

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Nein, das ist Bundespolitik!)

und jetzt wollen Sie uns vormachen, dass wir uns verschulden.

Ich kann nur sagen: Das Institut der deutschen Wirtschaft, in diesen Fragen bekanntlich sehr kritisch denkend, hat uns bestätigt, dass wir in den letzten zehn Jahren von allen Ländern die solideste Haushaltspolitik gemacht haben.

Ich füge noch etwas hinzu: Inzwischen ist die Summe dessen, was das Land seit seinem Bestehen in den Länderfinanzausgleich eingezahlt hat, um 8 Milliarden DM höher als die Gesamtverschuldung des Landes Baden-Württemberg. Wir wären schuldenfrei! Wir haben uns überhaupt nur verschuldet, um in den Länderfinanzausgleich einzahlen zu können. Das sind die Tatsachen in unserem Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das wird man bei der CDU in Norddeutschland gern hören! – Unruhe)

Jetzt komme ich zur Beteiligung des Landtags. Was habe ich da gerade gehört? Dieses Einmaleins, das, was ich von Ihnen, Herr Salomon, gehört habe, muss man mir einmal erklären: Über die ersten beiden Zukunftsoffensiven Junge Generation sei im Landtag noch ordnungsgemäß verhandelt worden, nicht mehr aber über die dritte. Was haben wir denn bei den ersten beiden gemacht? Wir haben zusammen mit Ihnen das Konzept in der Koalition festgelegt. Dann haben wir einen Haushaltsentwurf in den Landtag eingebracht, den der Landtag schließlich verabschiedet hat.

Was haben wir denn mit der zweiten Zukunftsoffensive gemacht? Wir haben noch in der letzten Legislaturperiode ein Konzept entwickelt. Wir haben es in der Koalitionsvereinbarung zum Gegenstand gemeinsamen Handelns gemacht.

(Ministerpräsident Teufel)

Dann haben wir es in den Haushaltsentwurf aufgenommen und es schließlich im Landtag beraten und verabschiedet.

Was habe ich zur dritten Zukunftsoffensive im Namen der Regierung immer gesagt? Wir haben die vorgesehenen Mittel von 1,1 Milliarden DM eingeplant, damit man die Vorbereitungen treffen kann. Diese sind in vollem Gang. Sie werden aber erst über einen Nachtragshaushaltsplan finanzwirksam, den die neue Landesregierung im Herbst einbringen wird. Dabei wird die dritte Zukunftsoffensive genauso beraten und verabschiedet, wie es bei den ersten beiden Zukunftsoffensiven der Fall war. Welchen Türken bauen Sie hier im Parlament denn eigentlich auf? Was machen Sie denn den Leuten vor?

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Anders sieht es in Bezug auf die Landesstiftung aus. Dazu kann ich nur sagen: Wir haben den Landtag an den Organen der Landesstiftung sogar noch stärker beteiligt, als es den Kräfteverhältnissen nach d’Hondt entsprechen würde. Jede Satzung, jede Regelung, jede Einzelheit ist im Finanzausschuss des Landtags beraten worden, hat dort eine Mehrheit gefunden und ist schließlich vom Landtag von Baden-Württemberg verabschiedet worden. Das ist die Tatsache. So gehen wir – auch in Bezug auf die Landesstiftung – mit dem Parlament um.

(Beifall des Abg. Kiel FDP/DVP)

Jetzt ist von „Tafelsilber“ die Rede – eine tolle Geschichte. Ich freue mich geradezu auf einen solchen Begriff. Der Anteil von 25 % hat dem Land Baden-Württemberg ja überhaupt nicht mehr gehört. Denn dieser Anteil von 25 % ist vom Land vor mindestens 15 Jahren an eine neu gegründete Landesholding verkauft worden. Damals hat man rund 800 Millionen DM Schulden gemacht. Wenn wir heute für den gleichen Anteil 4,7 Milliarden DM bekommen, so erkennt man auch den Wertzuwachs, den wir in den letzten Jahren erzielt haben. Diese 800 Millionen DM tilgen wir als Erstes. Denn sie sind für den angesprochenen Zweck aufgenommen worden. Deswegen werden diese Schulden getilgt.

Den um diese 800 Millionen DM verringerten Betrag von 4,7 Milliarden DM verwenden wir erstens für die dritte Zukunftsoffensive und zweitens für die Landesstiftung mit Werterhaltung für die kommenden Generationen. Kann man verantwortlicher mit Vermögen umgehen?

Aber wir sparen nicht nur. Wir haben in den Neunzigerjahren sehr gespart – mehr als jedes andere Land, wie uns vom Institut der deutschen Wirtschaft bescheinigt wird. Aber wir haben auch investiert. Auch deswegen steht das Land Baden-Württemberg heute anders da als Mitte der Neunzigerjahre. Jetzt müssen wir das Fundament legen, damit Baden-Württemberg auch im Jahr 2010 Spitze in Deutschland ist und zur wettbewerbsfähigsten Region Europas wird. Dafür legen wir jetzt die Grundlagen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Bei- fall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne begrüße ich besonders die Botschafterin von Kanada in der Bundesrepublik Deutschland, Frau Bernard-Meunier.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Frau Bernard-Meunier hält sich heute zu einem offiziellen Besuch in der Landeshauptstadt Stuttgart auf. Sie wird begleitet vom Leiter des Kanadischen Konsulats in Stuttgart, Herrn Honorarkonsul Rudolf Schweiker.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Frau Botschafterin, ich darf Sie und Ihre Begleitung sehr herzlich im Landtag von Baden-Württemberg willkommen heißen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem Land.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erteile ich nun Herrn Fraktionsvorsitzendem Maurer.

(Abg. Hehn CDU: Schon wieder?)

Der Herr Ministerpräsident wollte das doch ausdrücklich.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Teufel, Sie haben mit der Genesis Ihrer Verkaufsaktion zugunsten der EdF leider zu einem etwas verspäteten Zeitpunkt eingesetzt.

(Abg. Hehn CDU: Aber man kann ja nicht ausler- nen!)

Die ganze Geschichte beginnt damit – deswegen sage ich Ihnen, das Ganze ist eine Operation Goll, und Sie sind hinterhergetrabt –, dass Herr Goll, wie Sie ja wissen, schon gestützt auf französische Stromlieferungen, unter dem Stichwort „Yello“ einen Wettbewerbsangriff auf die deutschen Mitwettbewerber gemacht hat. Schon damals hatte er die strategische Allianz mit der EdF geschmiedet. Schon damals war er sich darüber im Klaren, dass er, wenn er diesen Angriff macht, diesen natürlich nicht von der eigenen Kraft des Unternehmens her bestehen kann, sondern dass es nur funktioniert, wenn er sich anschließend in die Arme der EdF flüchten kann. So fängt die Geschichte an. Das haben Sie möglicherweise nicht gemerkt. Aber das war eine planmäßige Strategie. Die Allianz mit der EdF war für Herrn Goll lange beschlossen, bevor Sie auch nur über Ihre Ausschreibungsmodalitäten nachgedacht haben.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Was soll denn das?)

Deswegen ist das die wirkliche Geschichte. Ich sage es noch einmal: Sie sind hinterhergetrabt. Sie waren bei dieser ganzen Strategie nie irgendwie der Macher oder der Stratege, sondern was aufgegangen ist, ist die Unternehmenspolitik, wie sie sich Herr Goll zusammen mit der EdF vorgestellt hat.

Die 4,7 Milliarden DM sind natürlich in Wahrheit auch nicht für den Wert der EnBW gezahlt worden, sondern für den Eintritt der EdF in den deutschen Strommarkt, den man

ihr damit ermöglicht hat, ohne dass sie die eigene, extrem starke Position in Frankreich hätte aufgeben müssen.

Ich finde es schon lustig, dass Sie mir hier Feindschaft gegenüber Frankreich unterstellen. Ihnen ist doch wirklich nichts zu viel, muss ich Ihnen schon sagen. Ich rede da über eine ganz nüchterne Erfahrung, die wir in BadenWürttemberg gemacht haben. Meine Damen und Herren, das wissen Sie doch alle durch das Beispiel der Übernahme von SEL durch Alcatel, das Beispiel der Übernahme von Saba durch Thomson-Brandt und viele andere Fälle. Die Politik französischer Unternehmen und erst recht die Politik französischer Staatsunternehmen ist sehr patriotisch ausgelegt, und im Zweifel gilt der Grundsatz: Wichtiger sind Arbeitsplätze in Frankreich als Arbeitsplätze bei Beteiligungsunternehmen. Das ist hier in Baden-Württemberg bei SEL und bei Erwerbungen durch Thomson-Brandt auch an anderen Stellen mehrfach durchexerziert worden.

Deswegen ist es, glaube ich, meine Pflicht und Schuldigkeit – und es wäre eigentlich auch Ihre –, darauf hinzuweisen, dass es nach diesen Erfahrungen nicht gut ist, wenn man ein großes baden-württembergisches Unternehmen zum Ableger eines französischen Staatsunternehmens macht.

(Beifall bei der SPD)

Bei Ihnen ist es aber so: Sie sind durch die große Zahl so geblendet gewesen – Sie haben durch die Strategie des Herrn Goll auch keine Alternative mehr gehabt –, dass Sie das jetzt schönreden müssen. Ich sage Ihnen: Es hat Zeitpunkte gegeben – das haben wir Ihnen mehrfach gesagt –, zu denen es möglich gewesen wäre – anders als heute; jetzt sind die Aktienkurse down –, die Anteile des Landes Baden-Württemberg an private Anleger in Deutschland bzw. in Baden-Württemberg abzugeben. Das wäre möglich gewesen. Damals ist sogar die MVV in Mannheim an die Börse gebracht worden; kein Vergleich mit der Energie Baden-Württemberg. Das wollte Herr Goll nicht. Sie sind hinterhergetrabt. Diesen Zeitpunkt haben Sie verschlafen. Hätten wir diese Möglichkeit genutzt, hätten wir im Land ein eigenes Unternehmen gehabt, ein baden-württembergisches Unternehmen mit expansiver Kraft. Das wollten Sie ausdrücklich nicht. Das haben Sie verhindert. Jetzt haben wir in der Tat eine Vertriebsfiliale der EdF – auf Gedeih und Verderb auf die Gnade der Pariser Entscheidungen angewiesen.

(Zuruf von der CDU)

Im Gegenteil. Ich bewundere manchmal, mit welcher Rigorosität die französische Politik ihre Arbeitsplatzinteressen nach vorn rückt. Wir Deutschen sind immer diejenigen, die den liberalen Markt am meisten hochhalten. Andere sagen dies verbal und denken an ihre eigenen Interessen. Wir sollten das endlich einmal wahrnehmen. Wer als Ministerpräsident für dieses Land Verantwortung trägt, sollte das ebenfalls wahrnehmen. Die erste Verpflichtung gilt den Arbeitsplätzen und dem Energiestandort Baden-Württemberg, aber nicht Herrn Goll und seinen Interessen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen )

Ich finde es im Übrigen schön, dass Sie hier aufgezählt haben, an wie vielen Stellen in Baden-Württemberg Sie Geld versprochen haben. Damit haben Sie nur bestätigt, was ich hier gesagt habe.

(Abg. Seimetz CDU: Wo gehen Sie hin?)

Ich stehe nach wie vor zu dem, Herr Kollege Seimetz, was ich im letzten Jahr gesagt habe: Es war und es ist nicht in Ordnung, wenn man Geld verteilt, das man noch nicht hat.

(Zuruf von der CDU: Wir haben es nicht verteilt, wir haben nur darüber nachgedacht!)