Protocol of the Session on February 20, 2001

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Schmiedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vorberatung in den Ausschüssen hat zweifelsfrei ergeben, dass der vorgelegte Gesetzentwurf ein Zeugnis der regionalpolitischen Unfähigkeit dieser Koalition ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU: Oje, oje! – Abg. Fleischer CDU: Fragen Sie einmal Herrn Böhme!)

Ich komme gleich zu Ihren Ausführungen. Sie gingen hart an der Wahrheit vorbei, Herr Kollege.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie haben sich spät geeinigt, und Sie haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Das Einzige, wozu Sie sich aufraffen konnten, ist eine leichte Anhebung der Planungskompetenz. Was Sie tunlichst vermieden haben, das ist die notwendige politische Aufwertung der Regionen in Baden-Württemberg. Deshalb bleibt nur die Feststellung: Baden-Württemberg bleibt auch regionalpolitisch unter seinen Möglichkeiten.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben die Chance vertan, die Zukunft der Regionen in Baden-Württemberg zu diskutieren

(Abg. Vogt SPD: Genau!)

im Zusammenhang mit einer wirklichen Verwaltungsreform, einer Reform, die Verwaltungsabläufe strafft, die Verantwortung nach unten verlagert und die überflüssige Bürokratie abbaut. Sie haben es nicht geschafft, sich aus den Fesseln überkommener Verwaltungsstrukturen zu befreien, weil Sie sich nicht an die Pfründen Ihrer Parteifreunde in den Regierungspräsidien und Landratsämtern herangetraut haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Vogt SPD: Jawohl! – Zuruf des Abg. Rapp REP)

Dies führt zu solch absurden Konstruktionen, dass Sie einerseits die Planungskompetenz der Regionen, zum Beispiel bei der Frage großflächiger Einzelhandelsangebote, ausweiten, andererseits die Genehmigung solcher großflächiger Einzelhandelsangebote bei den Regierungspräsidien belassen und jetzt noch eines oben draufsetzen, indem Sie sagen: Der Regionalverband kann ja dann gegen das Regierungspräsidium klagen. Der Staat klagt gegen sich selber – eine absurde Konstruktion, nur weil Sie nicht zu durchgreifenden Reformen in der Lage sind.

(Abg. Vogt SPD: So ist es!)

Meine Damen und Herren, Sie haben eine Chance vertan, die Zukunft der Regionen in Baden-Württemberg zu diskutieren als Räume, die ihren Zusammenhalt dadurch haben, dass sie die Lebenszusammenhänge der Menschen reflektieren, als Räume und Regionen, in denen Menschen arbeiten, in denen sie wohnen und in denen sie ihre Freizeit verbringen. Unter diesem Blickwinkel ist der Zuschnitt der Regionen in Baden-Württemberg natürlich alles andere als optimal. Wie kann man gleichzeitig eine Fortschreibung des Landesentwicklungsplans vorlegen, die eine „europäische Metropolregion“ definiert, die neben der Region Stuttgart natürlich Tübingen und Reutlingen einbezieht, es aber gleichzeitig bei dem Zuschnitt altherkömmlicher Art belassen, nur weil Sie nicht in der Lage sind, die Fesseln eines Regierungspräsidiums zu sprengen?

Meine Damen und Herren, Sie haben die wichtigste Aufgabe verpasst, nämlich in die Regionen in Baden-Württemberg demokratische Strukturen einzuziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben es versäumt, Regionalverbände, Regionalversammlungen durch Direktwahl zu legitimieren und dadurch demokratische Willensbildungsprozesse in den Regionen anzustoßen, nicht nur begrenzt auf die Parteien, sondern ausgeweitet auf alle gesellschaftlichen Gruppierungen in den Regionen, wie wir das erfreulicherweise in der Region Stuttgart mittlerweile erleben. Sie belassen es zudem bei einem undemokratischen Quorum von zwei Dritteln, das für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben regionaler Art erforderlich ist.

Meine Damen und Herren, das, was wir gehört haben, das Hohelied auf die Zweckverbände durch den Kollegen Fleischer, zeigt Ihr wahres Denken. Sie sind nicht an demokratischen Strukturen interessiert, Sie sind nicht an politischer Aufwertung und an demokratischer Willensbildung in den Regionen interessiert, sondern Sie wollen es bei den alten Strukturen belassen.

Das, was Sie zu der Rolle des SPD-Oberbürgermeisters von Freiburg gesagt haben, Herr Kollege Fleischer,

(Abg. Deuschle REP: In dem Punkt hat er aber Recht!)

entspricht in keiner Weise der Wahrheit. Wir haben uns in der Zwischenzeit vergewissert. Was Sie im Ausschuss über

das Abstimmungsverhalten des Kollegen Böhme in Freiburg gesagt haben, ist schlicht falsch, frei erfunden und falsch behauptet.

(Abg. Fleischer CDU: Sie waren ja dabei!)

Meine Damen und Herren, zusammenfassend: Es ist schon bedauerlich, dass Sie sich durch die Argumente der SPD nicht haben beeindrucken lassen.

(Abg. Fleischer CDU: Weil sie schlecht waren!)

Es ist fatal, dass Sie nicht auf die Gewerkschaften hören.

(Abg. Hauk CDU: Das war noch nie gut! – Abg. Deuschle REP: Das sind die gleichen Argumente! – Abg. Fleischer CDU: Auch das ist nicht richtig!)

Es ist unverständlich, dass Sie die Wünsche der Wirtschaft in den Wind schlagen. Und es ist unverzeihlich, dass Sie auch die kommunalen Landesverbände verprellen. Sie handeln nach dem Motto: Wir gegen alle. Aber Gott sei Dank finden demnächst Landtagswahlen statt, und danach ist ein neuer Anlauf mit einer neuen Regierung möglich.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Zurufe von der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Oelmayer.

(Abg. Wieser CDU: Jetzt gehts los! Er hat sich so- gar eine Krawatte gekauft!)

Geschenkt bekommen, Herr Kollege.

(Abg. Wieser CDU: Er hat früher gar keine Kra- watte gehabt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat haben wir im Rahmen der Ersten Beratung schon über die Defizite des vorliegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung diskutiert. Wir haben über dieses Thema auch in den Ausschussberatungen diskutiert. Herr Kollege Fleischer, ich weiß nicht, in welchen Ausschüssen Sie diskutieren. Ich habe über dieses Thema im Innenausschuss diskutiert. Dort habe ich Sie nicht gesehen. Das war vielleicht auch ganz gut so.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des Bündnisses 90/ Die Grünen und der SPD)

Ich will drei Punkte erwähnen, weshalb wir der Meinung sind, dass die Landesregierung reformunfähig ist, was die regionalpolitische Entwicklung anbelangt.

Natürlich muss man, wenn man über Regionalpolitik diskutiert, über die Grenzen der Regionen sprechen. Kollege Schmiedel hat dies zu Recht erwähnt. Man muss, wenn man über Regionalpolitik und über demokratische Strukturen in den Regionen diskutiert, über die Verwaltungsstrukturen im Land Baden-Württemberg sprechen. Und man muss im Anschluss daran auch über die Kompetenzen der Regionen diskutieren. All dem haben Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht Rechnung getragen.

Aber, meine Kolleginnen und Kollegen von den die Landesregierung tragenden Fraktionen: Wir hätten den Gesetzentwurf als einen kleinen Schritt in die richtige Richtung – wir sind es ja schon gewohnt, dass Sie nur kleine Schritte zu gehen bereit sind – mitgetragen, wenn zwei Punkte nicht gewesen wären.

Erstens – das hat der Kollege Fleischer schon präzise auf den Punkt gebracht; wir haben unseren Änderungsantrag auch zur heutigen Beratung noch einmal vorgelegt –: Der Zweckverband ist ein Rückschritt. Der Zweckverband bedeutet weniger Transparenz, weniger Demokratie und weniger Effizienz, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein Zitat. Wie an vielen Tagen in diesem Haus ist auch heute wieder viel zitiert worden. Ich möchte den Wirtschaftsminister dieses Landes zitieren, der ja federführend für den Bereich der Regionalplanung ist.

(Abg. Deuschle REP: Wo ist er denn gerade? Er fehlt wieder! – Abg. Schmiedel SPD: Er kann sich aber nicht durchsetzen!)

Er ist nicht da. Das macht nichts. Sein Staatssekretär ist aber da; er kann es ihm berichten.

Der Wirtschaftsminister sagte noch vor nicht allzu langer Zeit gemäß einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums: „In Baden-Württemberg darf es am Ende nicht eine Region erster Klasse und elf Regionen zweiter Klasse geben.“

(Abg. Fleischer CDU: So ist es! Richtig! Guter Mi- nister!)

Das ist das Erste, Kollege Fleischer.

Das Zweite: Döring betonte deshalb – so die Pressemitteilung weiter; jetzt hören Sie gut zu –, dass es mit ihm eine Abschaffung der Regionalverbände nicht geben werde, auch nicht über die Hintertür der Zweckverbände. Eine gute Aussage des Wirtschaftsministers –

(Beifall der Abg. Stephanie Günther Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Schmiedel SPD: Er ist wieder mal umgefallen!)

sie ist leider nicht in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen.

(Abg. Stephanie Günther Bündnis 90/Die Grünen: Schwacher Wirtschaftsminister!)

Da haben Sie, Kollege Fleischer, natürlich gut lachen, weil Sie sich mit Ihrer Lex Fleischer mit der Mehrheit der die Landesregierung tragenden Fraktionen hier im Landtag – auch gegen den Wirtschaftsminister – letztlich durchgesetzt haben.