Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 102. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Meine Damen und Herren, heute hat Herr Kollege Scheuermann Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen sehr herzlich, Herr Kollege Scheuermann, und wünsche Ihnen alles Gute.
Im E i n g a n g befindet sich der Bericht des SWR vom 19. Dezember 2000 über die Nutzung der Übertragungswege gemäß § 42 Abs. 3 des Staatsvertrags über den SWR. Der Bericht ist Ihnen als Drucksache 12/5875 zugegangen.
Außerdem ist eine Mitteilung der Landesregierung vom 29. Januar 2001 mit den Berichten des SWR, des ZDF und des Deutschlandradios über die Finanz-, Haushalts- und Personalkostenentwicklung in den Jahren 1999 bis 2002 eingegangen. Diese Mitteilung wird Ihnen als Drucksache 12/5950 zugehen.
Ich schlage Ihnen vor, beide Berichte an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen dem zu.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Lernmittelfreiheit – Drucksache 12/5738
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, werte Frau Schavan!
Wir möchten Ihnen heute ein letztes Mal Gelegenheit geben, Ihren permanenten Verstoß gegen die Landesverfassung hinsichtlich der Lernmittelfreiheit zu beenden. Wir fordern Sie entsprechend dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf, die gegenwärtige, nicht verfassungsgemäße Praxis unverzüglich zu beenden und die in der Landesverfassung garantierte Lernmittelfreiheit wieder herzustellen.
Frau Ministerin, das oberste Verwaltungsgericht von Baden-Württemberg hat Ihnen bescheinigt, dass das Gemeindehaushaltsstrukturgesetz der Landesregierung von 1996 zur Aufhebung der Bagatellgrenze von 5 DM für Lernmittel nicht mit der Landesverfassung vereinbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat damit auf der ganzen Linie bestätigt, was wir Ihnen seit Jahren näher zu bringen versucht haben und was Sie über Jahre hinweg mit ziemlich viel Ignoranz verweigert haben.
Es geht nicht – das sage ich hier zum wiederholten Mal –, dass Sie eine Politik betreiben, mit der Sie den Eltern und den Familien klammheimlich und offen immer größere Belastungen für die Ausbildung ihrer Kinder aufbürden.
Nach den Berechnungen des Städtetags haben Sie es durch Ihre verfassungswidrige Praxis geschafft, insgesamt 60 Millionen DM auf die Eltern zu übertragen. Die Eltern haben festgestellt, dass sie zu Beginn des Schuljahrs in der Regel schon weit über 100 DM für die Beschaffung von Lernmitteln für ihre Kinder ausgeben müssen.
Diese ganze Praxis fügt sich natürlich ein in eine politische Linie, die Sie insgesamt verfolgen. Das Gleiche haben Sie im selben Zusammenhang mit der Überwälzung der Schülerbeförderungskosten auf die Eltern und Familien gemacht. Das Gleiche machen Sie, indem Sie planmäßig an den Schulen den Förderunterricht so zusammenstreichen, dass die Eltern gezwungen sind, immer höhere Aufwen
dungen für Nachhilfe auszugeben, jedenfalls die Eltern, die es noch können; die Kinder der anderen bleiben auf der Strecke. Was Sie hier betreiben, ist, dass Sie sich schrittweise und konsequent Ihrer Verpflichtung für die Schulen entziehen und die Kosten für das Schulsystem in BadenWürttemberg auf die Kommunen und die Eltern abwälzen. Das ist die durchgehende Linie Ihrer Politik.
Natürlich verrät der Trick, mit dem Sie da immer operieren – das will ich deutlich sagen –, die Handschrift Ihres Herrn und Meisters aus der Villa Reitzenstein. Man kann sich das bei diesem glorreichen Haushaltsstrukturgesetz richtig vorstellen. Den Herren Bürgermeistern sagt man: „Jetzt haben wir euch aber eine Gelegenheit gegeben; da könnt ihr Geld einsparen, und die kommunale Handlungsfreiheit wird erhöht.“ Und den Eltern sagt man: „Ich kann aber nichts dafür, wenn die Kommunen von Ihnen so viel Geld verlangen; das ist deren Entscheidung.“ Diese Art von Scheinheiligkeit geht dem Ende entgegen. Und dafür ist es höchste Zeit.
(Beifall bei der SPD – Abg. Haasis CDU: Das weiß er noch von der großen Koalition, wie man das macht!)
Stimmt, ja. Ich habe die Erfahrung schon früher gemacht, Herr Kollege Haasis. Deswegen bin ich ein intimer Kenner dieser Methode.
Sie können, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch nicht behaupten, dass Sie dies alles nicht gewusst hätten. Unmittelbar danach hat damals Frau Schavan gesagt, sie habe ein gewisses Interesse daran, zu einer einheitlichen Praxis zu kommen. Man beachte die Wortwahl. Aber sie hat das Interesse nicht umgesetzt, sondern noch im Dezember letzten Jahres hat man gesagt: „Nein, wir machen nichts; es ist nicht notwendig, da irgendeine Regelung herbeizuführen.“ Frau Ministerin, Sie haben versucht, das Thema auszusitzen. Und Sie haben jetzt das wirklich Schlimmste erlebt, was man eigentlich erleben kann, nämlich dass das oberste Gericht in Baden-Württemberg Ihnen als Ministerin bescheinigt hat, dass Sie über Jahre hinweg gegen die Landesverfassung gehandelt haben.
Deswegen fordere ich Sie auf: Beenden Sie diesen permanenten Verfassungsbruch. Flüchten Sie sich nicht, wie ich das wieder in Ihrem Antrag gelesen habe, in diese typische Methode „Jetzt prüfen wir einmal wieder“. Nein, beenden Sie das wenigstens zum Ende der Legislaturperiode. Machen Sie wenigstens einen kleinen Schritt zur Wiederherstellung von Chancengleichheit in unserem Bildungssystem. Andere Schritte werden folgen müssen. Das machen wir dann nach der Wahl. Aber gestehen Sie endlich we
nigstens ein, dass Sie gegen die Landesverfassung verstoßen haben, dass Sie die Eltern zu Unrecht belastet haben und dass Sie wenigstens am Ende Ihrer Amtszeit gewillt sind, die Verfassung dieses Landes einzuhalten.
Zur Aussprache rufe ich zwei Entschließungsanträge auf: den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 12/5958, und den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 12/5961.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was uns hier gerade vorgeführt wurde, ist schon allerhand. Vielleicht sollte Herr Maurer nicht nur das nachlesen, was man ihm aufschreibt,
(Lachen bei der SPD und der Abg. Renate Rastät- ter Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Brechtken SPD: Ihr habt gewonnen!)
sondern dass es darum ging, wie dieses Gesetz Anwendung findet. Dafür sind in der Tat Grenzen gezogen worden, die Anlass dazu geben, dass wir mit den Betroffenen noch einmal ins Gespräch treten. Dies ist auch Gegenstand unseres eigenen Antrags.