sondern dass es darum ging, wie dieses Gesetz Anwendung findet. Dafür sind in der Tat Grenzen gezogen worden, die Anlass dazu geben, dass wir mit den Betroffenen noch einmal ins Gespräch treten. Dies ist auch Gegenstand unseres eigenen Antrags.
Derzeit tagt eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Landesregierung und der kommunalen Landesverbände. Dabei geht es um die Sachkosten der Schulen, und dort gehört dieser Sachverhalt hin. Alles andere ist eine maßlose Überinterpretation des Herrn Maurer.
(Beifall bei der CDU – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Richtig! – Abg. Haasis CDU: Sehr gut! – Lachen bei der SPD)
Es war auch klar, dass am Ende seiner Einlassungen das Thema „Wiederherstellung von Chancengleichheit“ eine Rolle spielen musste.
Die Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler in diesem Bundesland ist in vollem Umfang gewahrt
(Oh-Rufe von der SPD – Beifall bei der CDU – Abg. Christine Rudolf SPD: Wann haben Sie das letzte Mal mit den Eltern gesprochen?)
(Abg. Christine Rudolf SPD: Reden Sie doch mal mit den Eltern! Genau das tun Sie nicht! – Gegen- ruf von der CDU: Lieber Gott!)
Genau das tun wir ja. Dieses Gesetz ist seit vier Jahren in Kraft. Innerhalb von vier Jahren hat ein einziger Elternteil wegen eines Betrags von 9,90 DM geklagt. Da wollen Sie mir sagen, dass von der Elternschaft in ihrer ganzen Breite die Chancengleichheit in diesem Land infrage gestellt würde. Das ist doch wohl eine maßlose Übertreibung, die Sie hier vornehmen.
Wir haben bei der Neuordnung der kommunalen Finanzen unter der Beteiligung des Landes dafür gesorgt, dass den Schulen Pauschbeträge zur Verfügung gestellt werden, die dazu dienen sollen, solche Lernmittel zu kaufen, die nicht ausdrücklich in der Lernmittelverordnung aufgeführt sind. Dafür stehen jeder Schule Mittel zur Verfügung. Wir halten sehr viel von dem Ansatz, den Schulen ein Budget zu geben, mit dem sie eigenverantwortlich umgehen müssen.
Die Schulen sind überhaupt nicht schuld. Die Schulen sollen – auch gemäß ihren eigenen Vorstellungen – mehr Kompetenzen erhalten. Es ist ein Teil der Kompetenz von Schulen, wenn sie ein eigenes Budget erhalten, um Lernmittel zu erwerben, die sie dann für den Unterricht einsetzen können.
(Abg. Zeller SPD: Das steht doch in der Landes- verfassung! Haben Sie denn die Landesverfassung nicht gelesen? – Gegenruf des Abg. Haas CDU: Oh, Herr Zeller, Sie verstehen hier gar nichts! Hal- ten Sie sich raus!)
Ich denke, es schadet nicht, wenn man sich Beispiele vor Augen führt, wie es in anderen Ländern gemacht wird. Unser Nachbarland Rheinland-Pfalz kennt überhaupt keine grundsätzliche Lernmittelfreiheit. In Rheinland-Pfalz können lediglich Familien, die unterhalb einer niedrig bemessenen Einkommensgrenze liegen, einen Zuschuss beantragen, um die Lernmittel der Kinder bezahlen zu können.
Dort werden für ganz normale Schulbücher, die im täglichen Gebrauch sind, von allen Eltern, auch von den sozial schwächsten, Beiträge verlangt.
Ich habe klar gesagt: Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs besitzt nicht mehr politische Dimension als die Tatsache, dass wir gemeinsam mit den Kommunen eine Klarstellung darüber erreichen müssen, was künftig vom Schulträger und von der Schule übernommen werden muss und was für die Eltern ein zumutbarer Betrag ist. Genau in dieser Größenordnung behandeln wir das politische Thema, und alles andere, was hier gesagt wurde, weisen wir entschieden zurück.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Elternprozess zur Wiederherstellung der Lernmittelfreiheit ist der Gipfel einer Reihe von Prozessen im Bildungsbereich, bei denen Eltern oder Betroffene sich gegen die hohen finanziellen Belastungen durch die Kultusbürokratie gewehrt haben. Die Landesregierung hat alle Prozesse verloren. Ich erinnere nur an die Verpflichtung zur Zurücknahme der hohen Rückmeldegebühren für Studierende oder an die Pflicht, die Zuschüsse für die Privatschulen zu erhöhen, damit das verfassungsrechtliche Gebot des freien Zugangs auch zu Privatschulen für alle Kinder gewährleistet wird.
Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP/ DVP, hier hätte Ihnen doch allmählich ein Licht aufgehen müssen,
bzw. es hätten Ihnen Alarmglocken läuten sollen, was an Zumutbarkeit für die Eltern gesetzlich nicht zulässig ist.
Mit dem jetzt vorliegenden Urteil wird endlich die schleichende Aushöhlung der Lernmittelfreiheit gestoppt, und das zu Recht. Wir Grünen begrüßen dieses Urteil. Denn die 1953 in unserer Landesverfassung verankerte Unentgeltlichkeit von Unterricht und Lernmitteln ist schließlich ein Grundpfeiler unseres Bildungswesens. In einem demokrati
schen Gemeinwesen darf die schulische Chancengleichheit von Kindern nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Aber gerade weil inzwischen – Sie wissen das – der private Bildungsmarkt boomt – Nachhilfeinstitute schießen wie Pilze aus dem Boden –, darf es nicht sein, dass Eltern, die sich keine teuren Nachhilfestunden für ihre Kinder leisten können, im staatlich verantworteten Bildungsbereich immer stärker zur Kasse gebeten werden.
Meine Damen und Herren, Studien belegen: Kinder sind in unserer Gesellschaft das Armutsrisiko Nummer 1. Nach 16 Jahren CDU-geführter Regierungszeit in Bonn hat das Bundesverfassungsgericht von der Politik einen umfassenden Lastenausgleich für Familien eingefordert. Im Gegensatz zur familienfeindlichen Politik der damaligen CDURegierung –
Ich nenne die steuerliche Entlastung, die Erhöhung des Kindergelds und des Bundeserziehungsgelds, meine liebe Kollegin Blank.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Ingrid Blank CDU: Wer hat denn das alles eingeführt?)
Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Unsere rotgrüne familienpolitische Bilanz nach nur zwei Jahren kann sich sehen lassen.
Ich meine hier nicht nur die Lernmittel, sondern ich nenne als Beispiele auch die steigenden Schülerbeförderungskosten, das Geld für die verlässliche Grundschule, die Einführung von Schulgeld durch die Hintertür. Es ist abzusehen, dass auch in diesen Bereichen die Eltern vor die Gerichte ziehen werden.
Meine Damen und Herren, was die Lernmittelfreiheit anbelangt: Warnungen gab es ja genug, dass die Praxis in Baden-Württemberg verfassungswidrig ist. Auch das Gutachten des Justizministeriums von 1994, das ja das Kultusministerium selbst in Auftrag gegeben hat, hat eindeutig festgestellt, dass eine Bagatellgrenze selbst aus verfassungsrechtlicher Sicht bereits äußerst fragwürdig ist, und hat eine Heraufsetzung der Bagatellgrenze auf 15 DM radikal
abgelehnt. Aber Sie sind in diesem Punkt belehrungsresistent gewesen und sind es heute noch, wenn ich Herrn Rau höre, der von einem Einzelfall spricht, der von einer maßlosen Überinterpretation des Urteils spricht. Offensichtlich sind Sie immer noch nicht bereit, die notwendigen Konsequenzen aus diesen Urteilen zu ziehen.