Protocol of the Session on December 13, 2000

Noch ein Wort zum Thema Agroindustrie: Wir haben uns stets und immer für bäuerliche Familienbetriebe eingesetzt. Der Gegenwind, den wir seit zwei Jahren aus Berlin verspüren, geht gerade in die andere Richtung. Er geht in Richtung Großindustrie. Hinter vorgehaltener Hand wird immer wieder gesagt: Das ist ja klar, der Lebensmitteleinzelhandel hat sich umstrukturiert, zehn große Lebensmitteleinzelhändler bestimmen etwa 80 % des Marktes; darauf muss auch die Landwirtschaft reagieren, nämlich der Produzent. So sind die Botschaften, die derzeit aus Berlin kommen. Wir meinen, dass wir dagegenhalten können, indem wir ein eigenes Marketing aufbauen und sagen: Wir produzieren in Baden-Württemberg anders und besser, und zwar nicht nur aufgrund der Herkunft anders. Mit dem Herkunfts- und Qualitätszeichen, diesem Zeichen mit den drei Löwen, besteht schon immer, bestand schon zu Zeiten, als von Ihnen noch kein Mensch daran gedacht hat, ein Verbot der Verfütterung von Tiermehl an alle Tiere, die dieses Herkunfts- und Qualitätszeichen tragen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Dr. Salo- mon Bündnis 90/Die Grünen – Unruhe)

Da soll einer sagen, wir sollten in uns gehen. Wer in sich gehen muss, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die Sozialdemokraten.

(Unruhe und Zurufe)

Liquiditätshilfen: Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt tun Liquiditätshilfen für die betroffenen Betriebe Not, und zwar für die Landwirte genauso wie für Schlachtbetriebe und für den Lebensmitteleinzelhandel.

Herr Maurer, Sie haben darauf hingewiesen, der Bundeslandwirtschaftsminister habe signalisiert, es gebe Hilfe. Das ist wohl wahr. Aber er hat auch signalisiert, woher diese Hilfe kommt: aus dem eigenen Agraretat des Bundeslandwirtschaftsministeriums! Das ist eben kein Fresh Money, wie es in Notstandszeiten notwendig wäre,

(Lebhafte Unruhe)

sondern es wird lediglich umgeschichtet. Man holt Geld aus der einen Tasche heraus und steckt es in die andere hinein. Das ist keine Hilfe, sondern damit verteilen Sie nur Almosen.

(Abg. Wieser CDU: Taschenspieler!)

Das ist nichts anderes. Liquiditätshilfen sind jetzt aber dringend notwendig. Wir im Land werden versuchen, hierzu unseren Beitrag zu leisten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU hat Vertrauen in die baden-württembergischen Landwirte.

(Beifall der Abg. Ingrid Blank CDU – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Jawohl!)

Wir vertrauen auch auf die Lebensmittelsicherheit, wir vertrauen auf eine gute Lebensmittelkontrolle.

(Zuruf von der SPD: Amen!)

Das alles funktioniert bei uns, aber es gibt andere Bundesländer mit einem gewaltigen Nachholbedarf.

(Abg. Keitel CDU: So ist es!)

Wir haben zu Zeiten, als von Ihnen noch kein Mensch daran gedacht hat, nicht einseitig auf eine biologische Landwirtschaft gesetzt, sondern auf eine umweltschonende Landwirtschaftshaltung, die auch in der Fläche etwas bringt, auf eine flächendeckende integrierte Landwirtschaft. Das ist der richtige Weg; denn wir brauchen eine Flächendeckung, wir brauchen nicht nur Marktsegmente und Marktnischen. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die den Markt bedienen kann.

Den Markt, sehr geehrter Herr Maurer, werden weder Sie noch die SPD ausschalten können. Der Markt wird auch weiterhin bedient werden. Wenn er nicht von Baden-Württemberg aus bedient wird, wird er vom Ausland her bedient. Die Grenzen sind nämlich auch für Lebensmittel offen. Deshalb setzen wir auf eine integrierte Landwirtschaft, die Marktaspekte genauso wie Umweltaspekte und den Tierschutz berücksichtigt, und auf eine flächendeckende Bewirtschaftung.

Wir haben Vertrauen in unsere Landwirtschaft, wir haben auch Vertrauen in die Kontrollen, und auch in die Verwaltung. Und wir üben uns in Solidarität.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Etwas von dieser Solidarität könnten Sie mit unter Beweis stellen.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Sie könnten nämlich darauf dringen, dass in dieser Krise alle ihren Beitrag leisten, dass niemand außen vor bleibt, dass Berlin nicht nur Almosen gibt, dass auch nicht mit Taschenspielertricks versucht wird, irgendwelche Dinge aus dem Weg zu räumen. Alle sollten einen solidarischen Beitrag leisten. Das wäre Ihre Aufgabe, die Sie in Richtung Berlin erfüllen müssten.

Vielen Dank.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Hauk, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abg. Weiser?

(Lachen bei der SPD – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Das ist ja Klasse!)

Bitte schön.

Warten Sie doch einmal ab, was kommt.

Herr Kollege Hauk, würden Sie jemand als Krisenmanager belassen, der im eigenen Land die Krise nicht bewältigt hat? Ich erinnere an die Schweinepest. Da mussten in Niedersachsen eine Million Schweine getötet werden,

(Abg. Zeller SPD: Wo ist die Frage?)

weil der Herr Funke die Übersicht verloren hatte.

(Unruhe)

Ich erinnere an die Katastrophe und an den Skandal – –

(Lebhafte Zurufe von der SPD – Abg. Wieser CDU: Sehr interessant!)

Jetzt wird es peinlich!

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der Herr Vizepräsident hält das Korreferat!)

Ich erinnere an den Skandal bei dem Hühnerhalter Pohlmann: 2 Millionen Hühner!

(Abg. Maurer SPD: Die heute noch am Leben wä- ren!)

Sind Sie mit mir der Meinung, dass 2 Millionen Hühner nicht in der unerträglichen Weise umgekommen wären, wenn damals richtig kontrolliert worden wäre?

(Lebhafte Unruhe)

Zum Dritten: Wäre es nicht glaubwürdiger gewesen, wenn der damalige Ministerpräsident von Niedersachsen von einer Umkehr der Landwirtschaft in Niedersachsen gesprochen hätte, statt jetzt plötzlich als Bundeskanzler die Notwendigkeit einer solchen Umkehr zu entdecken?

(Abg. Bebber SPD zu Abg. Hauk CDU: Sagen Sie einfach Ja! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ja oder nein? – Lebhafte Unruhe)

Ich bin mit Ihnen dieser Meinung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Unruhe – Zuruf des Abg. Nagel SPD – Gegenruf des Abg. Weiser CDU: Grinsen Sie ruhig!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Salomon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin prinzipiell der Meinung, dass es die Bürgerinnen und Bürger draußen im Land überhaupt nicht interessiert, wer hier was wann gemacht oder nicht gemacht hat.

(Lebhafte Unruhe)

Die Bürgerinnen und Bürger im Land interessiert in erster Linie, warum das Fleisch momentan nicht sicher ist und wie man es wieder sicher machen kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Kei- tel CDU: Herr Maurer hat doch mit dieser Debatte begonnen!)

Aber wenn Sie sich heute hier hinstellen und selbstgerecht eine Regierungserklärung abgeben, dass in Baden-Württemberg immer schon alles Spitze gewesen sei und Sie überhaupt nichts für die Krise könnten, dann muss ich sagen: So geht es auch nicht. Das muss man zurechtrücken, denn es kann doch nicht sein, dass Baden-Württemberg die Insel der Seligen ist, wie Sie das sehen wollen.