Protocol of the Session on December 13, 2000

so Ihre Ministerin –

soll eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht werden.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Datum August 2000! – Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Wer sich gegen die EU, die, wohlgemerkt, erhebliche Fehler gemacht hat und die wir, die deutsche Bundesregierung, weiß Gott zu nachdrücklicheren Maßnahmen gedrängt haben – –

(Abg. Seimetz CDU: 16 Jahre lang!)

Wer sich wie Sie an der EU reibt und gleichzeitig unterschlägt, dass das eigene Ministerium sogar noch gegen Entscheidungen der EU zum Schutz der Verbraucher vorgegangen ist und mit Klage gedroht hat, der ist ein Heuchler, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Nagel SPD: Die Regierungsbank ist schon geflüchtet! – Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Deswegen rate ich Ihnen dazu, sich der Koalition derer unter den Agrarministern anzuschließen, die in sich gehen. Ihr sollten Sie sich anschließen. Alle, die da gehandelt haben, haben Anlass, in Sack und Asche zu gehen und gegenüber unserer Bevölkerung zuzugeben, dass sie Fehler gemacht haben und diese Fehler jetzt korrigieren. Das wäre die erste Chance, die in dieser Krise liegt, Herr Ministerpräsident: dass man zugibt, Fehler gemacht zu haben, und dass man zugibt, dass man natürlich kein von Agrarfabriken freies Land ist.

Das ist eine weitere Höchstleistung von Ihnen gewesen, Herr Ministerpräsident: Die Tatsache, dass wir aufgrund der Erbteilungsgrundsätze kleinere Höfe haben, garantiert noch lange nicht, dass wir nicht den Fehlern und Versuchungen der industriellen Agrarproduktion erlegen sind.

(Abg. Kiefl CDU: Was ist das, industrielle Agrar- produktion? – Abg. Hauk CDU: Definition!)

Das HQZ sagt zwar etwas über die Herkunft aus, steht aber bis heute auch für Schweinefleisch, das mithilfe von antibiotischen Leistungsförderern produziert wurde. Das HQZ steht auch auf Masthähnchen, die sich ohne Tageslicht zu 23 Tieren Flügel an Flügel auf einem Quadratmeter drängen und sich auf die Schlachtung freuen.

(Abg. Wieser CDU: Zyniker!)

Herr Ministerpräsident, malen Sie hier doch keine Bilder, die mit der Realität nichts zu tun haben, und dehnen Sie Ihr Mitleid mit den Tieren auch auf das Geflügel aus, damit das ein bisschen nachvollziehbarer wird. Tiermehl ist auch in Baden-Württemberg verfüttert worden.

(Zuruf des Abg. Weiser CDU)

Auch Baden-Württemberg ist den Antibiotika in der Nahrungskette ausgesetzt und von dem abhängig, was international an industriellen Agrarproduktionen und -fabriken aufgebaut worden ist.

(Zuruf des Abg. Weiser CDU)

Wer das leugnet, der macht den Menschen etwas vor, und er ist selbstgerecht. Das ist nicht glaubwürdig. Damit gewinnt man kein Vertrauen zurück.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Tat liegt in dieser Krise eine große Chance. Die Chance besteht darin, dass wir die Menschen in Deutschland und auch in anderen Ländern davon überzeugen können, dass man für Nahrungsmittel, die gesünder sind und bei deren Produktion den Tieren nicht unnötige Schmerzen und Bedrängungen zugefügt werden, dass man für Nahrungsmittel, bei denen man Rückstandsfreiheit garantieren kann, sehr viel bessere Preise erzielen kann. Der Erfolg der Landwirte, die diesen Weg freiwillig beschritten haben, auch ihr ökonomischer Erfolg, beweist ja, dass das der richtige Weg ist.

Deswegen haben wir Sie jetzt über viele Jahre gedrängt – das hat schon in der großen Koalition begonnen –, bei dem Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg wirklich ökologische Standards einzuführen und durchzusetzen, die etwas mit einer anderen, beispielsweise artgerechten Haltung von Tieren zu tun haben. Diese Aufforderung erneuere ich heute. Es geht nicht, dass in den Beiräten für die Vergabe dieses Gütesiegels lauter Vertreter von Bauernverbänden, von Verarbeitern, vom Handel und sogar die Landfrauen sitzen, aber nur ein einziger Verbrauchervertreter, kein Tierschutzexperte, kein Vertreter der Umweltverbände. Das geht nicht. Andere Standards und andere Kontrollen, bei denen man dann wirklich sagen kann: „Das ist nicht nur ein Produkt aus Baden-Württemberg, sondern das hat auch eine herausragende Produktqualität“, das ist die Chance für unser Land, Herr Ministerpräsident, und das ist die Chance, die in der Krise liegt.

(Beifall bei der SPD)

Was die Verteilung der Kosten angeht, Herr Ministerpräsident, kann ich Sie beruhigen. Aber ich glaube, in Wirklichkeit sind Sie natürlich schon selbst beruhigt, denn ich bin sicher, dass Ihnen Herr Palmer längst mitgeteilt hat, dass

der Bundeslandwirtschaftsminister seine Bereitschaft erklärt hat, über die Beteiligung des Bundes an den Kosten dieser ganzen Aktion zu sprechen und zu verhandeln, sobald die Kosten erhoben worden sind. Nachdem mir diese Mitteilung vorliegt, hat sie Ihnen bestimmt auch vorgelegen.

(Abg. Drexler SPD: Trotzdem hat er wieder das Gegenteil behauptet!)

Ich will Ihnen jetzt die Gelegenheit geben, uns das hier auch zu offenbaren. Darüber gibt es keinen Streit. Im Übrigen sind wir uns über die Lage der Landwirtschaft sehr wohl im Klaren. Deren Lage hat dazu geführt, dass die Bundesregierung, wie Sie auch wissen, im Bundesrat mitgeteilt hat, dass sie bereit ist, die Kosten für den Agrardiesel – das ist eine ganz entscheidende Frage für die Landwirtschaft –

(Abg. Wieser CDU: Ja, ja!)

gerade vor dem Hintergrund der besonderen Belastungen durch die BSE-Krise massiv abzusenken.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Hauk CDU: Scheinheiligkeit!)

Passt Ihnen das nicht?

(Abg. Hauk CDU: Das ist doch scheinheilig! – Abg. Seimetz CDU: Das ist doch ein Witz, was der erzählt! – Abg. Scheuermann CDU: Das ist doch scheinheilig! – Zuruf des Abg. Göbel CDU – Un- ruhe)

Wie ich weiß, hat Ihnen das doch die Zustimmung zur Entfernungspauschale außerordentlich erleichtert. Ich freue mich darüber.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Redet um Gottes willen nicht über die Entfernungspauschale. Mir fällt da immer sehr viel über Erwin Teufel ein.

(Zuruf des Abg. Weiser CDU)

Er ist hier an diesem Pult für eine Absenkung der Entfernungspauschale auf 50 Pfennig und dafür eingetreten, sie erst ab dem 15. Kilometer zu gewähren.

(Abg. Drexler SPD: Vor sechs Monaten!)

Erwin Teufel vor sechs Monaten!

(Abg. Drexler SPD: So ist es! – Abg. Göbel CDU: Die ganze Wahrheit, nicht nur die halbe!)

Jetzt hat man zwar zugestimmt, aber es ist immer noch nicht genug.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Was hat das mit BSE zu tun?)

Ich sage Ihnen: Die Halbwertszeit der Bekundungen Ihres Ministerpräsidenten kenne ich mittlerweile sehr deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Dieselbe Rede mit derselben triefenden Selbstgerechtigkeit habe ich schon einmal gehört. Zum Thema Tschernobyl und zur deutschen Atomindustrie habe ich dasselbe gehört. Ich weiß auch, wie lang die Halbwertszeit danach gewesen ist. Ich weiß, wie die Energiepolitik vorher und nachher ausgesehen hat.

(Zuruf des Abg. Weiser CDU)

Deswegen sind meine Hoffnungen in Bezug auf die Dauerhaftigkeit Ihrer Bekehrung und Ihrer Reue nicht sehr groß.

Ich sage Ihnen: Wir werden Sie daran messen, ob Sie wirklich eine andere Politik in Baden-Württemberg machen, ob Sie wirklich das HQZ, wie wir Ihnen vorgeschlagen haben, zu einem Qualitätszeichen machen, das von den Verbrauchern, von den Umweltschützern, von den Tierschützern überwacht wird, und ob Sie es wirklich mit Standards verbinden, sodass man dann sagen kann: Das ist ein besonderes Produkt, das auch besonders viel wert ist. Das ist die Riesenchance, die in Baden-Württemberg besteht. Für ein solches Produkt und für eine solche Marktoffensive wären wir bereit sehr viel Geld auszugeben. Das ist der Weg, der uns aus der Krise führt. Da müssen Sie noch viele Schritte gehen, Herr Ministerpräsident.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hauk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was Sie, sehr verehrter Herr Kollege Maurer, hier produziert haben, war schlichtweg eine verantwortungslose Rede

(Lachen bei der SPD)

in einer Krisensituation, wie wir sie in der Landwirtschaft derzeit haben.