Wir müssen schon darauf achten, wie wir es schaffen, dass Körper, Psyche und Umwelt im Gleichgewicht bleiben. Wir müssen auch darauf achten – das ist doch hochinteressant –, dass vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien gefährdet sind – übrigens auch sehr viele Kinder aus Familien mit Alleinerziehenden. Das hat also nicht nur etwas mit Geld zu tun, sondern auch mit dem Familienverbund.
(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Al- leinerziehende haben aber die höchste Sozialhilfe- quote!)
Ja, ja, natürlich. Aber, Frau Bender, das hat nicht nur etwas mit Geld zu tun. Es hat natürlich auch etwas mit Psyche zu tun. Wir reden ja von soziosomatischen und psychosomatischen Störungen. Also nicht nur das Geld spielt da eine Rolle. Deswegen müssen wir dafür Sorge tragen, dass diese Familien gestärkt werden und dass die Kinder solcher Familien in Lebenssituationen, die für ihre Entwicklung wichtig sind, nicht allein gelassen werden. Wir müssen sie stark machen. Deswegen haben wir auch die präventiven Maßnahmen bei der Suchtprophylaxe verstärkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was können wir tun? Wir versuchen, weiterhin auf unserem Weg voranzuschreiten, dass wir die Prävention stärken, dass wir wie zum Beispiel bei Anti-Ecstasy-Programmen und Alkoholpräventionskampagnen gemeinsam mit der AOK oder auch bei Nichtraucherkampagnen gemeinsam mit den Schulen Kinder schlichtweg stark machen.
Ich komme zum Schluss zu Ihrem Antrag, Frau Bender, den wir im Ausschuss noch behandeln wollen. Ich will keinen Schnellschuss abgeben und ihn gleich ablehnen. Zu Ihrem zweiten Punkt, einer Steuerungsgruppe „Kinder und soziale Benachteiligung“, kann ich Ihnen sagen: BadenWürttemberg hat natürlich der Entschließung der 70. Gesundheitsministerkonferenz zumindest schon insofern Rechnung getragen, als wir eine Arbeitsgruppe „Chancengleichheit und Gesundheit“ beim Landesgesundheitsamt eingerichtet haben, in der wir insbesondere das Thema der sozialen Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen aufgreifen werden. Die Universität Ulm, Herr Dr. Mielk und vor allen Dingen mehrere Gesundheitsämter werden mitarbeiten.
Sie merken: Uns ist diese Aufgabe sehr wichtig. Wir tun etwas für die Gesundheit unserer Kinder in Baden-Württemberg. Helfen Sie mit, dass wir auf diesem Weg voranschreiten. Es gibt wahrscheinlich nichts, was man nicht verbessern kann. Aber die Anwort auf die Große Anfrage
und auch Ihre Beiträge haben gezeigt: Baden-Württemberg ist hier auf einem guten Weg. Auf diesem Weg wollen wir weiter voranschreiten.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung. Die Große Anfrage ist durch die Aussprache erledigt.
Es liegt zur Großen Anfrage der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 12/5813, vor, den ich ausdrücklich aufrufe. Sie beantragen die Überweisung an den Sozialausschuss. – Das hohe Haus stimmt der Überweisung zu.
Wahl der Mitglieder des Stiftungsrats und des Kuratoriums der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg
An der Abstimmung haben sich 67 Abgeordnete beteiligt. Damit liegt ein Fall nach § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor. Bei dieser Wahl hat sich die Beschlussunfähigkeit des hohen Hauses ergeben. Die Wahl ist deshalb in einer der nächsten Sitzungen zu wiederholen. Morgen wird also dieser Tagesordnungspunkt noch einmal auf der Tagesordnung erscheinen. Ich hoffe, dass dann die Beschlussfähigkeit gegeben ist.
Bericht und Empfehlungen der Enquetekommission „Situation und Chancen der mittelständischen Unternehmen, insbesondere der Familienunternehmen, in Baden-Württemberg“ – Drucksache 12/5800
Das Präsidium hat für die Aussprache über den Bericht und die Empfehlungen der Enquetekommission eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten sollen.
Entsprechend unserer bisherigen Übung erhält zunächst die Vorsitzende der Enquetekommission, Frau Kollegin Netzhammer, das Wort zur Einbringung des Berichts. Frau Netzhammer, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Mittelstand ist die Stärke BadenWürttembergs, und Stärken gilt es weiterzuentwickeln und auszubauen. Diese Feststellung kann ich als zentrales Ergebnis der Enquetekommission über mittelständische Unternehmen festhalten.
Ich freue mich, nach rund 22-monatiger intensiver Arbeit und 39 Sitzungen im Namen der Enquetekommission den Abschlussbericht in dieses hohe Haus einbringen und einen umfassenden Beschlussantrag zur Annahme vorlegen zu
können. Aufgrund der Fülle der Empfehlungen schlagen wir Ihnen einen mehrheitlich beschlossenen 10-Punkte-Katalog zur sofortigen Umsetzung und einen Gesamtkatalog von 475 Empfehlungen als Grundlage für ein mittelfristiges Rahmenprogramm der künftigen Mittelstandspolitik in Baden-Württemberg vor.
Der Empfehlungskatalog richtet sich aber nicht allein an die Politik, sondern auch an den Mittelstand selbst und an seine Wirtschaftsorganisationen. Noch nie hat sich ein Landtag so intensiv mit dem Thema Mittelstand beschäftigt. Mit diesem Bericht bekennt sich der Landtag klar zum Mittelstand und setzt bundesweit Maßstäbe.
Lassen Sie mich an dieser Stelle allen Mitgliedern, die in der Kommission mitgearbeitet haben, danken. Aufgrund der langen Zeit, in der die Kommission tätig war, gab es verschiedene Wechsel in ihrer Zusammensetzung. Herr Brinkmann von der SPD-Fraktion, der sehr engagiert mitgearbeitet hat, konnte leider das Ende der Arbeit nicht mehr miterleben. Unsere zuerst amtierende Vorsitzende, Frau Dr. Gisela Meister-Scheufelen, wechselte zwischenzeitlich als Staatssekretärin nach Berlin.
Danken möchte ich den Enquetemitgliedern für die vorwiegend sachliche und konstruktive Zusammenarbeit. Selbstverständlich gab es bei manchen Themenfeldern Meinungsverschiedenheiten, was bei der Breite des politischen Spektrums in diesem hohen Hause und bei dem Thema Wirtschaftspolitik, insbesondere Mittelstandspolitik, auch nicht verwunderlich ist. In der Kommission hat man auch nicht gestritten, sondern man hat um die besten Lösungen gerungen. In manchen Fällen gab es dann eben auch keine einstimmigen Beschlüsse, sondern Mehrheitsentscheidungen, die bekanntlich ein zentrales Element der Demokratie sind.
Danken möchte ich den Sachverständigen und Unternehmern, die uns ihren Rat und ihre Erfahrung unentgeltlich zur Verfügung stellten. Danken möchte ich auch der Landtagsverwaltung und unserer Mitarbeiterin, Frau Dr. Buschmann, die sich unermüdlich für die Enquete eingesetzt hat. Die Landesregierung war bei allen Sitzungen durch Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums und des Staatsministeriums vertreten. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass ein Teil unserer Forderungen in der Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetzes, die heute auch auf der Tagesordnung steht, berücksichtigt wurde.
Wir können auch feststellen, dass Empfehlungen zu dem Bereich der beruflichen Bildung in der Zukunftsoffensive 3 umgesetzt sind, wie zum Beispiel Modernisierung und Weiterentwicklung überbetrieblicher Ausbildungsstätten, berufliche Qualifizierung und Existenzgründungsmaßnahmen. Die restlichen Empfehlungen des 10-Punkte-Katalogs sind, soweit sie nicht gemeinnützige Anliegen beinhalten, über den Landeshaushalt zu finanzieren und bewegen sich im einstelligen bzw. zweistelligen Millionenbereich.
Unsere Aufgabe war, Situation und Chancen der mittelständischen Unternehmen, vor allem der Familienunternehmen, in Baden-Württemberg zu untersuchen, Empfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu erarbei
ten und über neue Fördermodelle nachzudenken. Was die Empfehlungen im Einzelnen angeht, so gab es unterschiedliche Auffassungen bei den einzelnen Fraktionen, insbesondere natürlich im Bereich der Rahmenbedingungen, des Steuerrechts, des Arbeitsrechts und des Sozialrechts. Hier verlaufen die Meinungsunterschiede parallel zur öffentlichen Diskussion, was insbesondere die Reformen auf Bundesebene angeht. Dennoch ist es gelungen, in großem Umfang gemeinsame Handlungsempfehlungen zu verabschieden.
Bei unserer Arbeit haben wir alle wesentlichen Felder, die den Mittelstand betreffen, untersucht, von den Rahmenbedingungen über Bürokratie, Mittelstandsförderung, Existenzgründung, Qualifizierung und Markterschließung bis hin zu Kapitalausstattung und Finanzierung. Dem Themenfeld Familienunternehmen gilt ein gesondertes Kapitel. Den Bericht über das Vergabewesen haben wir bereits am 5. Oktober ins Plenum eingebracht.
Neben der Anhörung von rund 70 Sachverständigen aus dem Bereich der Dach- und Fachverbände sowie wissenschaftlichen Einrichtungen war es uns wichtig, von Stuttgart hinaus in die Regionen zu gehen und uns vor Ort sachkundig zu machen. Im Rahmen von neun so genannten regionalen Dialogforen kamen 147 Unternehmer und 76 Wirtschaftsfördereinrichtungen zu Wort. Wir haben bei der direkten Befragung von Unternehmen auch die neuesten Technologien genutzt; denn auch der Landtag von BadenWürttemberg bedient sich des Internets und konnte mit einem Internet-Fragebogen die Beteiligung von mehr als 1 000 Unternehmern erreichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Baden-Württemberg ist das klassische Mittelstandsland. Rund 480 000 kleine und mittlere Unternehmen stellen rund zwei Drittel der Arbeits- und 80 % der Ausbildungsplätze. Sie leisten einen Beitrag von fast 50 % der Wertschöpfung. Mehr als 90 % aller Unternehmen sind Familienunternehmen. Damit tragen die kleinen und mittleren Unternehmen zu Wachstum und Fortschritt bei. Sie sind Säulen für die Ausbildung. Eigeninitiative und Risikobereitschaft zeichnen sie aus. Aus so manchem badischen oder schwäbischen Tüftler ist ein Weltmarktführer oder Entrepreneur des Jahres hervorgegangen, wie zum Beispiel Michael Janßen oder Michael Schumacher von Brokat.
Baden-Württemberg ist aber auch Sitz traditionsreicher Familienunternehmen, denen eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle zukommt. Bei diesen Unternehmen ist im Gegensatz zu Großkonzernen nicht die Erzielung einer größtmöglichen Rendite, sondern die langfristige Bestandserhaltung Ziel ihrer Tätigkeit.
Daher stehen sie in besonderem Maße für Stabilität und Standortbindung, und dieser Tatsache haben wir auch in Baden-Württemberg die bundesweite Spitzenposition bei der Beschäftigung zu verdanken.
Insbesondere im ländlichen Raum sind es oft nur die kleinen und mittelständischen Betriebe, die hier Arbeitsplätze schaffen, die die Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen versorgen und die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen. Die Weiterentwicklung vieler Regionen kann
deshalb oft auch nur aus der Region selbst durch Existenzgründungen und/oder Unternehmenserweiterungen erfolgen.
Mittelständische Betriebe sind aufgrund ihrer Flexibilität und Anpassungsbereitschaft oft ein Motor der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere wenn es darum geht, neue Ideen und technisches Know-how rasch in marktfähige Produkte umzuwandeln. Viele mittelständische Unternehmen sind bereits auf ausländischen Märkten tätig, zählen zu den Globalisierungsgewinnern, und wir sind natürlich stolz, dass von 500 dieser Globalisierungsgewinner in Deutschland jeder Vierte aus Baden-Württemberg kommt, wie zum Beispiel ARKU Maschinenbau in Baden-Baden, KÖNIG METALL in Gaggenau oder MicroMed Orco in Göppingen. Leider sind viele dieser Unternehmen aber nur Branchenkennern bekannt.
Trotzdem kann nicht übersehen werden, dass in fast allen Branchen ein scharfer Strukturwandel und ein starker Modernisierungsdruck herrschen. Sinkende Erträge und Renditen, steigende Kosten, scharfer internationaler Wettbewerb und Fachkräftemangel machen dem Mittelstand zu schaffen. Technologiesprünge und veränderte Wirtschaftsformen in neuen Märkten wie E-Commerce stellen den Mittelstand vor große Herausforderungen.
Der Wandel zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft spiegelt sich auch in steigenden Gründungszahlen im Dienstleistungs- und Technologiebereich sowie im wachsenden Trend zu Kleingründungen und Einpersonenunternehmen wider. Mittlerweile sind rund 50 % der Unternehmen Einpersonenunternehmen, 81 % haben weniger als 10, 96 % weniger als 50 und 99 % weniger als 200 Mitarbeiter.
Gerade beim Einsatz neuer Technologien besteht oftmals ein betriebsgrößenbedingter Nachteil. Häufig fehlen die finanziellen Mittel für Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte und die Herstellung von Prototypen. Geforderte Mindestgrößen bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben können nicht gestellt werden. Bei Verbundforschungsprojekten besteht größte Zurückhaltung.
Auch der anstehende Generationenwechsel bedroht die Weiterführung vieler traditionsreicher Unternehmen, weil kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung steht. In BadenWürttemberg stehen in den nächsten fünf Jahren rund 55 000 Übergaben an. Dies entspricht 500 000 Arbeitsplätzen, womit natürlich der Generationenwechsel im Mittelstand für das Land Baden-Württemberg auch eine beschäftigungspolitische Dimension erfährt.
Bemerkenswert ist, dass die meisten Familienunternehmen in der zweiten oder dritten Generation weniger betriebsbedingt scheitern als aufgrund von Familienstreitigkeiten.
Viele unserer Familienunternehmen befinden sich außerdem in so genannten reifen Märkten, in denen Zuwächse nur noch durch Unternehmenskäufe möglich sind.
Oftmals wird eine rechtzeitige Neuausrichtung versäumt, Negativsignale wie eine Verschlechterung der Kostenstrukturen und der Ertragssituation sowie eine damit verbundene Substanzauszehrung werden übersehen.
Deshalb müssen die Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationskraft sowie die Beseitigung von Wachstums- und Beschäftigungshemmnissen für den Mittelstand zentrales Anliegen einer zukunftsorientierten Mittelstandspolitik sein. Im Vordergrund muss stehen, größenbedingte Nachteile auszugleichen.