Dabei sollte man doch eigentlich annehmen, dass gerade SPD und Grüne eine besondere Verpflichtung hätten, alles dafür zu tun, dass diese, wie von Frau Senatorin Scheeres übrigens richtig bezeichneten, Verbrechen restlos aufgeklärt werden. Oder muss ich die Damen und Herren Genossen daran erinnern, dass die Verbrechen während der Amtszeit von SPD-Senator Horst Korber begangen wurden? Und muss ich die Grünen daran erinnern, dass Ihre eigene Pädophilen-Schuldgeschichte Sie besonders in Verantwortung nimmt? Deshalb erstaunt es mich auch umso mehr, dass gerade Herr Wesener, der 2015 den Pädophilie-Bericht der Grünen mit vorgestellt hat, in seiner Funktion als Mitglied des Hauptausschusses ohne jegliche Wortmeldung die Ermöglichung der weiteren Aufklärung der Pädophilie-Vergangenheit mit verhinderte.
Ob Ulrich im Übrigen bei den Experimenten zusätzlich Schaden genommen hat, ist unklar. Es sei ihm gelungen zu überleben, heißt es in der Studie. Nach vielen Therapien sei es ihm gelungen, sein kriminelles Verhalten und seinen Drogenkonsum abzulegen, aber er sei ein leidender Mensch geblieben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag greift ein sensibles Thema auf, an dessen weiterer Aufklärung wir in der Tat alle interessiert sind. Zwar wurde schon einiges über die dubiosen Praktiken des Prof. Kentler herausgefunden, seine als Experiment betriebene Unterbringung von entwurzelten, verhaltensgestörten Jugendlichen bei verurteilten pädophilen Männern, die als geduldeter sexueller Missbrauch zu werten ist. Wir wissen bereits jetzt, dass wir es hier mit einem Fall von Behördenversagen in den Siebzigerjahren zu tun haben, bei dem der Einsatz von Pädophilen in der Jugendarbeit nicht nur geduldet, sondern auch begünstig wurde.
Die Senatsverwaltung für Jugend hat hierzu Ende letzten Jahres eine umfangreiche Studie vorgelegt, die sie von der Universität Göttingen hat erstellen lassen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben hier eine umfangreiche Arbeit geleistet, wofür Ihnen Dank gebührt. Sicherlich kann diese Studie nicht alle Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, umfassend beantworten. Deshalb bin ich der Senatsverwaltung dafür dankbar, dass sie sich mit den bisherigen Ergebnissen allein nicht zufriedengibt, sondern noch eine weitere Untersuchung angekündigt hat, die gerade vorbereitet wird.
Natürlich ist bei einer solchen Untersuchung auch das Landesarchiv gefragt. Allerdings wird aus dem vorliegenden Bericht deutlich, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Göttingen auch in der Vergangenheit bereits Unterstützung im Landesarchiv erhalten haben. Wie der Abschlussbemerkung der Studie zu entnehmen ist, wären für die Wissenschaftler vielmehr noch mehr persönliche Gespräche mit Betroffenen hilfreich gewesen. Inwiefern hierfür eine Aufstockung des Perso
Eines ist klar: Das Unrecht, das an den damaligen Jugendlichen begangen worden ist, bedarf der Aufklärung. Wenn hierfür die Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, dann stellt sich mit Sicherheit auch die Koalition nicht dagegen. Ich schlage deshalb vor, dass das Thema in den Ausschüssen vertieft wird. – Herzlichen Dank!
Schönen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, niemand im Haus wird heute in einer anderen Art und Weise darüber denken, als dass es ein grotesker Gedanke ist, Kinder aus verwahrlosten Familien ausgerechnet Pädophilen als Pflegekinder anzudienen. Das kann man nur aus der Zeit heraus verstehen, aus einem völlig denaturierten Freiheitsverständnis heraus. Nun müssen wir allerdings feststellen, dass alle damals Verantwortlichen nicht mehr am Leben sind und es vermutlich auch die Täter nicht mehr sein werden. Deshalb ist es hier eher ein retrospektiver Blick in die Vergangenheit. Aber keine Frage, das muss aufgearbeitet werden. Es ist ja auch schon damit begonnen worden, an dieser Stelle etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Gleichzeitig habe ich die Hoffnung, dass heute niemand mehr solche Ideen hegt.
Das Problem sind aus meiner Sicht vielleicht auch die Kapazitäten, aber vor allem – so habe ich es verstanden – der datenschutzrechtliche Verschluss der Akten – das ist das wesentliche Thema – aufgrund der Betroffenenrechte. Das muss man erst einmal klären. Ich glaube, das war es im Wesentlichen, was den Ausschlag gegeben hat, dass die Aussagen nicht vollständig sind, sodass dieser Antrag vor allem gut gemeint ist, als dass er den Kern trifft, und vermutlich eher untauglich ist. Das werden wir aber im Kulturausschuss noch einmal zu besprechen haben, inwiefern die Aktenlage betroffen ist. Deshalb ist das auch ein Thema, den heute ein Personenkreis debattiert, der normalerweise mit solchen Fragen nicht befasst ist. Ich rege deshalb an, im Ausschuss für Jugend und Familie zu debattieren, vor allem die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass aktuell Kinder von Pädophilen missbraucht werden. Ich glaube, das ist ein wesentliches Thema, dem man sich verdienstvoll widmen kann. Wenn wir im Kulturausschuss noch einmal darüber sprechen sollten, kann ich nicht erkennen, dass wir diesem Antrag in dieser Form beitreten werden, weil er aus meiner Sicht untauglich ist. Aber das werden wir uns noch einmal darlegen
Sehr geehrter Damen und Herren! Herr Präsident! Der vorliegende Antrag suggeriert, dass der Senat nicht an der schnellstmöglichen Aufklärung eines unsäglich finsteren Kapitels Berliner Jugendhilfepolitik der Sechziger- und Siebzigerjahre arbeitet. Das ist falsch. Nach Bekanntwerden der Fakten wurde durch den Senat ein Gutachten beauftragt, das die Rolle des Berliner Jugendamtes bei der Unterbringung von Jugendlichen bei vorbestraften pädophilen Männern aufklären sollte und auch, inwieweit sich der Senat der staatlichen Begünstigung sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht hat. Ziel war und ist es, die Vorgänge restlos aufzuklären und Verantwortung zu übernehmen.
Das Gutachten konnte zur Offenlegung weiterer Fakten beitragen, aber eine restlose Aufklärung nicht leisten. U.a. fordert der Bericht, dass es weiterhin wichtig ist, Zeitzeugen zu finden, die bereit sind, auszusagen, Betroffene zu finden, denen Ansprechpartner im Senat und konkrete Hilfen angeboten werden müssen. Wir können nicht davon ausgehen, dass bereits alle verstorben sind.
Auch die Archivlage war schwierig. Dabei geht es aber im Regelfall nicht nur um die Unerschlossenheit der Akten im Berliner Landesarchiv, wie hier im Antrag behauptet wird. Es lagern auch gar nicht alle benötigten Akten im Landesarchiv, sondern in unterschiedlichen Verwaltungen. Das größte Problem besteht darin, dass der Zugang zu den Materialien aus Gründen des Datenschutzes und aufgrund bestehender Schutzfristen für die Betroffenen nicht gewährt werden konnte. So enthält zum Beispiel eine Akte im Bestand des Polizeipräsidenten Materialien zum Pflegekinderschutz und zur Fürsorgeerziehung von Minderjährigen für die Jahre 1954 bis 1970 noch eine Schutzfrist bis Dezember 2040. Es müssen also Wege gefunden werden, den Zugang zu bisher unbekannten Materialien zu ermöglichen und zu erreichen, dass einzelne Schutzfristen verkürzt werden können und dabei trotzdem der Datenschutz berücksichtigt wird. Die Beauftragung eines fortführenden Forschungsauftrages wird derzeit in der Jugendverwaltung geprüft.
Die Aufarbeitung dieser verbrecherischen Vorgänge reiht sich in eine lange Reihe von Themen ein, die noch der Aufarbeitung bedürfen. Mit den Runden Tischen zur Heimerziehung in Ost und West und zum sexuellen
Missbrauch sind bereits wichtige Schritte gegangen worden, doch wir sind noch längst nicht da, wo wir Gewissheit haben, und noch längst nicht da, wo allen Opfern Genugtuung widerfährt.
Neben der Wiedergutmachung muss es aber auch um Prävention gehen – da teile ich Herrn Juhnkes Auffassung. Seit mehr als zehn Jahren gibt es das Therapieangebot „Kein Täter werden“ an der Berliner Charité für Männer mit pädophilen Neigungen, die keine Übergriffe begehen wollen. Seit 2014 bieten die Charité und die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Vivantes-Kliniken ein spezielles Therapieangebot für 12- bis 18-Jährige an, um mögliche pädophile Täter möglichst früh zu erreichen. Ich finde, das sind schon mal richtige Ansätze. Es muss schließlich immer darum gehen, aus allem Schlimmen die richtige Schlussfolgerung zu ziehen und auch zu handeln.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn man sich diesen Vorgang anschaut und auch die Berichte darüber liest, dann kann es einem gar nicht anders gehen, als dass man schwer erschüttert ist, was in den Siebzigerjahren hier in der Jugendhilfe möglich war.
Es ist wirklich erschreckend, auf die Idee zu kommen, junge Menschen in die Obhut von Päderasten zu geben, die sich dann auch vielleicht noch an ihnen vergangen haben, junge Menschen, die Hilfe suchten und Unterstützung gebraucht hätten und vielleicht in den Missbrauch geführt wurden. Ich halte es im Konjunktiv, da es nicht genau bewiesen ist, was mit diesen jungen Menschen passiert ist.
Der Aufklärungswunsch, den Sie, werte Kollegen der AfD, mit Ihrem Antrag äußern, ist richtig. Er ist auch wichtig, und das auch trotz der Verjährung der eventuellen Straftaten und auch trotzdem die Opfer wahrscheinlich bereits in einem hohen Alter sind, dass die Täter wahrscheinlich verstorben sind, dass auch derjenige, der dieses Projekt geführt hat, nicht mehr am Leben ist. Wir müssen dieses Thema lückenlos aufklären, das ist ganz klar.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch ganz deutlich sagen: Frau Scheeres, ich habe derzeit viel auf Sie raufgehauen, wenn es um Bildung und Jugend ging, aber Sie haben aus meiner Sicht bei diesem Thema sehr besonnen gehandelt. Auch Ihre Äußerungen zu diesem Thema waren sehr besonnen. Ich finde es sehr gut, dass eine Hotline zu diesem Thema eingerichtet wurde, wo Betroffene sich melden können. Ich denke, das muss man einmal anerkennen.
Wie gehen wir damit also weiter um? Müssen wir jetzt auf der Stelle fünf Leute suchen, die im Landesarchiv als Archivare tätig werden und sofort in die Umsetzung gehen und aufarbeiten? Gibt es auch andere Möglichkeiten, damit umzugehen? Sind fünf tatsächlich ausreichend für über 140 laufende Meter Akten, die noch aufgearbeitet werden müssen? Das ist wirklich eine Riesenmenge. Das ist nicht nur Jugend und Familie, da ist auch noch der Bereich Bildung dabei, wo man mit reinschauen muss. Das ging über verschiedene Senatskanzleien. Hier sollten wir uns im Ausschuss hinsetzen und schauen, was wir wirklich brauchen, um eine Aufklärung zielgerichtet nach vorne zu bringen. Ich lade Sie alle ein, eine sachgerechte Diskussion im Ausschuss zu führen, und bin gespannt, welchen Weg wir dann wählen werden. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für Bündnis 90/Die Grünen jetzt Frau Burkert-Eulitz – bitte schön, Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor fast 50 Jahren hat es einen Schandfleck in der Geschichte der Berliner Senatsverwaltung für Jugend und in der Stadt Berlin gegeben. Die aus heutiger Sicht abstrusen, menschenverachtenden Ideen eines Helmut Kentler, in einem sogenannten pädagogischen Modellprojekt Jungen bei vorbestraften Sexualstraftätern in Pflege zu geben, fanden in fataler Weise Resonanz in der damaligen Jugendverwaltung. Damals herrschte die irrige Meinung, dass einvernehmliche Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen möglich sei. Das ist und war nicht nur eine irrige Annahme, sondern Hohn gegenüber allen Betroffenen, die sich mit den oft schlimmen Folgen erlebten sexuellen Missbrauchs in der Kindheit lebenslang auseinandersetzen müssen. Das hat kein Kind verdient!
Die AfD versucht nun zu suggerieren, dass es zu den Vorgängen keine Aufklärung gegeben hätte. Ich selbst habe immer wieder bei der Senatsverwaltung nach dem Sachstand gefragt. Die Äußerungen, das wäre eine absichtliche Verschleierung, sind der Sache unwürdig, und das lehnen wir ab.
Die Senatsverwaltung selbst hatte diese Themen, wie das die AfD nun Jahre später fordert, bereits 2013 zur Aufarbeitung veranlasst. Ende November 2016 gab es den fast 200-seitigen Aufarbeitungsbericht, und es geht weiter. Wenn die AfD nun die schnellstmögliche Aufarbeitung fordert, zeugt das auch wieder von mangelndem Verständnis. Der Umgang mit solchen Themen erfordert nicht in erster Linie Schnelligkeit, sondern vor allem Gründlichkeit, Sachlichkeit und Sensibilität.
Wenn wir die Berliner Geschichte aufklären – und das tun wir –, dann geht es nicht, wie der AfD, darum, sich künstlich zu empören, sondern es geht um die Betroffenen. Wir als Grüne, die Koalition und ich selbst sind uns der Verantwortung für den Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt sehr bewusst. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag zur Stärkung präventiver Angebote gegen sexuelle Gewalt an Kindern und für den Ausbau von Angeboten für Betroffene von sexueller Gewalt in der Kindheit verpflichtet.
Wir werden das Netzwerk Kinderschutz weiterentwickeln. Der Kinderschutz ist einer der wichtigsten Aufgaben aller, die für Kinder Verantwortung tragen. Das ist nicht nur unsere Verantwortung, sondern unsere Pflicht. Ich bin froh, in einem Land zu leben, wo dies heute selbstverständlich ist.