Protocol of the Session on April 6, 2017

Fangen wir einmal so herum an.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Tolle Argumentation!]

Die Vorhaltungen Ihrer Fraktion, dass wir nicht wüssten, worüber wir bei diesem Antrag reden, sind schlichtweg unverschämt, einfach unverschämt, und zeigen, dass Sie sich mit diesem Thema nicht beschäftigen können oder nicht beschäftigen wollen, das kann ich noch nicht endgültig beurteilen. Vielleicht schaffen wir es heute noch, das herauszubekommen.

Wo waren Sie am Montag? Erklären Sie es, Herr Buchholz! Sie haben wie viele Mitglieder in Ihrer Fraktion?

[Zuruf von der AfD: Wir sind Ihnen doch keine Rechenschaft schuldig!]

War da niemand in der Lage, sich das anzuhören? Wir haben übrigens mit der Geschäftsleitung von Vattenfall zusammengesessen. Vorhin hatten wir eine Demonstration von Vattenfall-Beschäftigten. Da habe ich auch nie

manden der AfD-Fraktion gesehen. Sie wollen mir sagen, Sie wüssten, was in der Energiepolitik Berlins zu beachten ist? Meinen Sie das ehrlich? Sie sollten sich schon etwas schämen, wenn Sie das hier im Parlament von Berlin behaupten. Das muss ich Ihnen einmal sagen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir machen eine sehr belastbare und zukunftsorientierte Energiepolitik,

[Stefan Franz Kerker (AfD): Belastende!]

das heißt, dass man – auch Sie! – darüber nachdenken sollte, egal ob jemand die oder die Nationalität hat, das ist davon völlig unabhängig, das Klima müssen wir alle zusammen ertragen.

Ich sage einmal zum Thema Flüchtlinge: Haben Sie einmal kurz darüber nachgedacht, was allein durch die internationalen Klimaveränderungen für neue Flüchtlingsströme ausgelöst werden? Darüber sollten Sie einmal ganz kurz nachdenken. Dann müssten Sie die glühendsten Befürworter von Klimaschutzmaßnahmen sein, aber noch nicht einmal das haben Sie als elementaren Zusammenhang verstanden. Es wird Länder geben, die werden wahrscheinlich absaufen und untergehen.

[Holger Krestel (FDP): Ha, ha!]

Da werden tatsächlich Migrationsströme entstehen. Da wundern Sie sich, dass das tatsächlich durch Klimaveränderungen entstehen kann? – Ich verstehe das nicht, muss ich Ihnen sagen. Das wäre aber etwas, was in Ihre eigene Denke passen könnte. Aber Sie schaffen es nicht, das zusammenzuzählen. Ich kann es nur noch einmal sagen: Im Gegensatz zu Ihnen haben wir – wir werden das auch weiterhin tun – auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Energiebranche in Berlin gesprochen – von Vattenfall, von der GASAG – da sind wir sehr regelmäßig im Dialog, nicht nur mit den Geschäftsleitungen –, auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Energiewarten, in den Kraftwerken, auf den Mitarbeiterversammlungen. Da möchte ich Sie einmal sehen, ob Sie vielleicht deren Argumente aufnehmen. Ich sagen Ihnen eines: Die wären froh, wenn die Privatisierung, die vor gut 20 Jahren durchgeführt wurde, bei Bewag und GASAG nicht gekommen wäre.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Wer hat da regiert?]

Es wäre eine ganz saubere und glatte Lösung, wenn wir sagen: Auch Energieversorgung hat etwas mit Daseinsvorsorge zu tun. Es ist eben nicht so, dass sich dort zehn Anbieter die Energieversorgung teilen. Es ist genau einer, dem die Leitungen gehören. Es ist genauso wie beim Wasser. Darum haben wir es in der letzten Legislaturperiode völlig richtig gemacht, die Wasserbetriebe zu rekommunalisieren. Wenn Sie uns fragen, diese Koalition bekennt sich dazu: Ja, auch die städtische Energieinfrastruktur ist Teil der Daseinsvorsorge, gehört in die Hand

(Christian Buchholz)

der Berlinerinnen und Berliner und nicht in die Hand irgendwelcher Konzerne, die dann Gewinne in die ganze Welt überweisen. Diesen Mehrwert wollen wir in der Stadt halten! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Buchholz! Möchten Sie erwidern? – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!

Da ich von meinem lieben Namensvetter angesprochen worden bin, möchte ich ihm direkt antworten. Also: In Deutschland kommt der Strom noch zu 60 Prozent aus Atomenergie und Kohle. Wenn Sie jetzt einen dicken Schreiber nehmen und streichen auf einmal oder innerhalb eines kurzen Zeitraums 60 Prozent der Stromerzeugung, ohne einen Plan für den Ersatz zu haben, dann glaube ich Ihnen nicht, dass das geht. Ich glaube es Ihnen einfach nicht. Jeder, der sich auskennt, kann das auch nicht glauben. Herr Taschner hat zum Beispiel in einer Rede ganz toll die Windrail-Anlage gelobt. Wir haben sie uns einfach einmal angeguckt. Die Windrail-Anlage ist ein toller Versuchsträger. Das ist echt eine schöne Technik. Aber das hat nichts mit einer Ersetzung von Kohlestrom zu tun. Das Ding ist konzipiert für knapp 100 000 Kilowattstunden im Jahr, hat im Praxisversuch nicht einmal 1 000 Kilowattstunden pro Monat erzeugt. Das reicht für einen Staubsauger. So etwas wollen Sie als Ersatz darstellen, das funktioniert nicht.

[Beifall bei der AfD – Daniel Buchholz (SPD): Wo waren Sie am Montag?]

Das nächste Thema: Dass Klimaschutz den Flüchtlingsstrom reduzieren soll, den Zusammenhang müssen Sie noch einmal genau erklären. Bei dieser genauen Erklärung bitte ich Sie, auch die deutschen Sozialhilfegesetze mit zu berücksichtigen, wenn zum Beispiel hier Hartz IV, Sozialhilfe und so, das Fünffache von Durchschnittsgehältern in den Herkunftsländern ausmacht.

[Georg Kössler (GRÜNE): Peinlich!]

Da könnte ich mir auch vorstellen, dass einige Personen aus der Region auch bei schönem Klima, keinen Klimaproblemen oder unbewohnbarem Wohnraum sich einfach so auf den Weg machen. Das ist nicht plausibel, was Sie dort sagen.

[Beifall bei der AfD – Udo Wolf (LINKE): So abstoßend! – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Dr. Efler das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Rede von Herrn Buchholz von der AfD hat es mir beinahe die Schuhe ausgezogen.

[Torsten Schneider (SPD): Ja, sage ich doch! – Stefan Franz Kerker (AfD): Wäre gut gewesen!]

So ein postfaktischer Irrsinn, den haben Sie wahrscheinlich direkt von Donald Trump abgeschrieben, der leider auch in der Klimapolitik irrlichtert. Nur ein paar Worte dazu, denn ich will Ihnen nicht die ganze Rede widmen.

Erstens, schauen Sie sich mal die Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin“ oder auch den Bericht der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ an. Da werden Sie genau sehen, wie man Kohleenergie in Berlin ersetzen kann. Zweitens haben wir ganz klar den Zeitrahmen 2030 gesetzt. Wir sagen nicht, dass wir von heute auf morgen aussteigen wollen. Wir wollen uns die Zeit dafür nehmen. Wenn selbst der Betreiber Vattenfall bereit ist, Kohlekraftwerke in Berlin stillzulegen, und zwar alle vier, warum sagen Sie dann, es ginge nicht, es wäre unmöglich? Haben Sie mehr Ahnung als die Menschen, die diese Kraftwerke betreiben? Das würde mich doch sehr wundern.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Es gibt hochmoderne Gas- und Dampfkraftwerke. Es gibt erneuerbare Energien. Es gibt die Möglichkeit, Überschussstrom aus erneuerbaren Energien als Power-toHeat zu nutzen. Wir waren in Neukölln und haben uns das angeguckt. Sie waren nicht da – also verbreiten Sie bitte nicht so einen Blödsinn und kümmern Sie sich wirklich mal um die Fakten! Das tut mir wirklich leid!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich wollte jetzt aber kurz – nicht noch einmal den Antrag begründen, das haben meine Kollegen schon getan – zwei Dinge vergegenwärtigen, die gerade in den letzten Wochen geschehen sind und die aus meiner Sicht zeigen, dass wir auf den richtigen Zug aufgesprungen sind, wir auf der richtigen Seite sind. Zum einen auf internationaler Ebene: Auch da ist immer gefragt worden: Was nützt denn ein Kohleausstieg in Berlin, wenn die Chinesen, die Inder und wer auch immer so weitermachen wie bisher? Jetzt ist eine neue Studie – Frau Präsidentin, verzeihen Sie mir ein englisches Zitat – „Boom and Bust“ über die globale Kohleindustrie 2016 herausgekommen, mit dem Ergebnis, dass es einen dramatischen Einbruch beim Bau von Kohlekraftwerken gab, einen so dramatischen Einbruch wie noch nie in der Industriegeschichte. Verantwortlich dafür sind zu erheblichen Teilen China und Indien, also Entwicklungs- und Schwellenländer. Wenn

(Daniel Buchholz)

Entwicklungs- und Schwellenländer mit dem Klimaschutz ernst machen, sollte das erst recht für die Hauptstadt des Industrielandes Bundesrepublik Deutschland gelten. Das können wir auch!

[Beifall bei der LINKEN]

Ich will noch einen kurzen Blick über Berlin hinaus auf Brandenburg und Sachsen werfen, auch da ist es interessant. Der Kraftwerksbetreiber LEAG hat neue Pläne bekanntgegeben, ein sogenanntes Revierkonzept. Diese Pläne sehen folgendermaßen aus: Ein Kohlekraftwerk in Jänschwalde wird nicht gebaut. Der Tagebau Jänschwalde Nord wird nicht aufgeschlossen. Tagebau Nochten wird deutlich verkleinert. 400 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben in der Erde. 2 400 Menschen bleibt die Umsiedlung erspart. Es geht jetzt nur noch um einen einzigen Tagebau in Brandenburg, der neu aufgeschlossen werden soll. Das wollen wir – das sage ich ganz klar auch für die Koalition – verhindern, dass Welzow aufgeschlossen wird,

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]

und das werden wir über die gemeinsame Landesplanung auch durchfechten, auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg besprechen. Auch da hat der Betreiber gesagt, darüber lasse sich noch reden.

Deswegen bin ich froh, dass die Kohle ein Auslaufmodell ist und dass wir mit Rot-Rot-Grün in Berlin die Voraussetzungen schaffen, dass wir den Klimaschutz ernst nehmen und unserer Verantwortung für Klimaschutz und für die Bekämpfung von Fluchtursachen gerecht werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag jetzt schon mehrfach hoch- und runterdiskutiert. Wir Freien Demokraten halten den Antrag immer noch für ziemlich zusammengestoppelt, weil er Themen vermischt, die nicht direkt etwas miteinander zu tun haben. Das war jetzt auch bei den Reden von Herrn Taschner und Herrn Buchholz interessant: Bei aller guten klimapolitischen Absicht haben Sie nicht über den Antrag geredet, sondern ganz allgemeine Prinzipien herbeibeschworen. Das zeigt auch, dass dieser Antrag schwach ist, wenn Sie so allgemein reden müssen, damit Sie nicht zu den Details des Antrags kommen.

Zum Antrag: Die wasserpolitischen Fragen, die drinstehen, sind grundsätzlich unabhängig vom Kohleausstieg

zu lösen. Die Frage Kohleimport lässt sich durch den Senat nicht so umsetzen. Das hat die Senatorin Ihnen im Ausschuss auch explizit gesagt. Wir meinen als Freie Demokraten auch, dass auf Berliner Gebiet der Kohleausstieg auch weiterhin ohne diesen Antrag stattfindet und der Antrag dafür unnötig ist. Wir meinen weiterhin, dass auf Brandenburger Gebiet der Kohleausstieg in einem größeren, zumindest in einem nationalen, wenn nicht europäischen Kontext betrachtet werden muss. Da ist schon die Frage, wie die Kohle eigentlich ersetzt werden soll. Dabei hatte Christian Buchholz durchaus recht: Bei 60 Prozent Kernenergie und Kohleenergie muss man ein Konzept haben, wie man das ersetzt. Das ist nicht nur eine Brandenburgische Sache.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Natürlich tut sich was in Brandenburg, Herr Efler hat es erwähnt. – Übrigens vielen Dank, Herr Efler! Sie waren der Einzige, der über den Antrag geredet hat. – Aber es hängt an dem Tagebau die Rolle der Kraftwerke, die dazu gehören. Das ist auch das eigentliche Thema. Diese gehören dann wiederum zu einem übergreifenden Energiekonzept. Und das kann keine reine Frage der Landesplanung Berlin-Brandenburg sein. Wegen all dieser Punkte, die gegen den Antrag sprechen, lehnen wir Freien Demokraten diesen Antrag auch weiterhin ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]